Washington Eigentlich hatte die China-Reise von US-Finanzministerium Janet Yellen unter positiven Vorzeichen beginnen sollen. An diesem Donnerstag, Freitag und Samstag besucht sie Peking, dort wird sie unter anderem den chinesischen Vizepremier He Lifeng treffen.
Kurz vor Abflug unterstrich Yellen, wie wichtig „verantwortungsvolle bilaterale Beziehungen“ seien. Die größten Volkswirtschaften der Welt könnten „bei globalen Herausforderungen zusammenarbeiten“, versprach sie. Erst vor zwei Wochen war US-Außenminister Antony Blinken nach Peking geflogen, beide Seiten beendeten damit eine monatelange Funkstille.
Doch der Streit der Supermächte um Zukunftstechnologien, Rohstoffe und die Vorherrschaft über die globale Chip-Industrie eskaliert ausgerechnet rund um Yellens Reise. Die jüngste Zuspitzung wirft die Frage auf, ob die USA und China überhaupt noch ein pragmatisches Arbeitsverhältnis haben – so wie Yellen es suggeriert.
Peking hatte am Montag angekündigt, Exportkontrollen für zwei wichtige Industriemetalle einzuführen. Ab August solle die Metalle Gallium und Germanium nur noch mit Lizenz exportiert werden. Die Beschränkungen gelten als Reaktion auf Bemühungen der USA, China aus westlichen Spitzentechnologie-Branchen zu verbannen.
China ist der weltweit größte Produzent von Gallium und Germanium. Die Metalle werden in der Halbleiter-, Telekommunikations- und Elektrofahrzeugindustrie benötigt. Auch Europa ist auf die Lieferungen aus China angewiesen.
Der Handelskrieg zwischen den USA und China bereitet Experten schon länger Sorge. „Die zunehmenden geopolitischen Spannungen erhöhen das Risiko einer wirtschaftlichen Fragmentierung, insbesondere in den Bereichen Handel und Technologie“, warnte der Internationale Währungsfonds im Frühjahr.
Die Denkfabrik Eurasia Group sprach von einem „Warnschuss, kein Todesstoß“, weil die Exportkontrollen auf zwei Metalle begrenzt seien. Die Entscheidung erfülle aber einen klaren Zweck: „Peking erinnert die Vereinigten Staaten, Japan und die Niederlande daran, dass man jederzeit Vergeltungsmaßnahmen ergreifen kann“.
Erst im Januar hatte China die US-Waffenhersteller Lockheed Martin und Raytheon sanktioniert und eine Untersuchung gegen den US-Chiphersteller Micron eingeleitet. Die nun angekündigten Exportkontrollen werden in Washington als nächster Schritt in einer möglichen Serie von Vergeltungen gewertet.
Schlag auf Schlag: Der Handelskrieg der Supermächte
Die USA und China haben sich in den vergangenen Jahren immer weiter voneinander entfernt. Auf den Tag genau vor fünf Jahren hatte die damalige Regierung von Donald Trump Strafzölle auf chinesische Einfuhren im Wert von mehr als 300 Milliarden US-Dollar verhängt. Sein Nachfolger Joe Biden hält die Zölle bis heute aufrecht.
Biden hat die Abgrenzung von China in den Mittelpunkt seiner Präsidentschaft gerückt – und seines Wahlkampfs, denn er will 2024 erneut ins Weiße Haus gewählt werden. So kurbelt der US-Präsident mit Milliardensubventionen die heimische Chip- und Batterieproduktion an, um die USA von chinesischen Rohstoffen, Chips und Batterien unabhängiger zu machen.
Auf China entfallen mehr als 60 Prozent der weltweiten Gesamtproduktion von seltenen Erden, fast viermal so viel wie auf die USA. China beherrscht die Lieferketten für Seltene Erden, die in vielen Hightech-Produkten verwendet werden, sowie für Lithium, Kobalt und Graphit, die in Batterien zum Einsatz kommen.
Im vergangenen Jahr verhing die US-Regierung weitreichende Exportkontrollen gegen China, um Pekings technologischen und militärischen Fortschritt zu bremsen. Die Niederlande und Japan schlossen sich den USA an.
Künftig sollen sogar die Kapitalströme zwischen den beiden größten Volkswirtschaften nicht mehr ungehindert fließen. So will das Weiße Haus Kontrollen für Auslandsinvestitionen, sogenannte Outbound Investment Screenings einführen.
Yellen hat die Weltwirtschaft im Blick
Finanzministerin Yellen gilt als Pragmatikerin für China-Fragen. In einer vielbeachteten Rede im Mai hatte sie zum Dialog mit China aufgerufen. Wirtschaftlich könne man konstruktiv mit China zusammenarbeiten, erklärte sie damals. „Wir können einen Weg finden, wenn China auch bereit ist, seinen Beitrag zu leisten.“
Als Finanzministerin muss Yellen einen Fokus auf das globale Wirtschaftswachstum und die Stabilität des Finanzsektors haben, so ist der ausgleichende Tonfall zu erklären.
Doch im Biden-Kabinett gibt es viele China-Falken: Wirtschaftsministerin Gina Raimondo und die Handelsbeauftragte Katherine Tai sind federführend dafür verantwortlich, dass chinesische Unternehmen im Techsektor sanktioniert werden.
Und Bidens nationaler Sicherheitsberater Jake Sullivan sieht im Wettbewerb mit China und in der Stärkung der eigenen Industriebasis sogar eine „Überlebensfrage“.
Washington könnte demnächst mit eigenen neuen Strafmaßnahmen reagieren. Laut des Wall Street Journal erwägt die Biden-Regierung schärfere Beschränkungen für den Export von hochmoderner KI-Technologie nach China. Auch sollen Cloud-Anbieter wie Amazon und Microsoft dazu verpflichtet werden, eine Genehmigung der US-Regierung einzuholen, bevor sie Dienstleister für chinesische Firmen werden.
USA bauen erste Aufbereitungsanlage für Seltene Erden
Im Streit um seltene Erden und Mineralien dürften die USA ihren Kurs nicht ändern. Denn das globale Wettrennen um Rohstoffe wird auch als lukrative Chance betrachtet, neue Geschäftsmodelle zu erschließen.
So entsteht im amerikanischen Bundesstaat Oklahoma derzeit die erste Verarbeitungsanlage für seltene Erden und kritische Mineralien in den USA. Bislang findet die Aufbereitung komplett außerhalb der USA statt.
Das Unternehmen „USA Rare Earth“ will ab 2024 Magneten aus seltenen Erden herstellen, die für die Automobil- und EV-Branche, aber auch für Turbinen und die Rüstungsindustrie gebraucht werden.
„Die Abhängigkeit unserer Wertschöpfungsketten wird in den nächsten zehn Jahren immer deutlicher werden“, sagte CEO Tom Schneberger dem Handelsblatt. „Wir ergreifen genau jetzt die Maßnahmen, um das zu verhindern. Die USA und Europa brauchen starke, stabile und diversifizierte Lieferkette, um ihre nationalen Interessen zu sichern“, so Schneberger.
Nicht alle Mineralien, der „USA Rare Earth“ aufbereiten will, werden aus den USA stammen, einige davon würden importiert. „Aber eines kann ich versprechen: sie werden zu hundert Prozent nicht aus China kommen“.
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