Berlin Erst wenige Tage im Amt und schon im Alarmmodus. Claudia Plattner ist die neue Chefin des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Die 49-Jährige übernimmt die Leitung der obersten Cybersicherheitsbehörde in einer Zeit, in der die Gefährdungslage im Cyberraum hoch ist wie nie.
„Die Bedrohungslage wächst, und wenn es einfach wäre, dann wäre das alles schon gelöst“, erklärte Plattner am Freitag bei ihrer Vorstellung als neue Behördenpräsidentin in der Bundespressekonferenz in Berlin. Die studierte Mathematikerin hat noch „keine fertigen Antworten“ parat, dafür aber ernüchternde Befunde.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser spricht von einer „Zeitenwende für die innere Sicherheit“. „Es gibt ein erhebliches Eskalationspotenzial durch Putins Kriegsführung“, sagte die SPD-Politikerin. Deshalb habe die Cybersicherheit höchste Priorität. Die Ziele seien eine „höhere Widerstandsfähigkeit und eine schlagkräftige Gefahrenabwehr“.
Faeser beschreibt damit die größte Herausforderung der neuen Behördenchefin. Und sie macht keinen Hehl daraus, dass für sie Plattner als „herausragende internationale IT-Sicherheitsexpertin mit großer Managementerfahrung“ die beste Wahl für die Aufgabe ist. Der FDP-Innenpolitiker Manuel Höferlin pflichtet dem bei.
Plattner rückt als erste Frau an die Spitze des BSI
„Die Gefährdungslage im digitalen Raum ist so hoch wie nie zuvor, weshalb Deutschlands IT-Sicherheit dringend strukturell umgebaut werden muss“, sagte er. Dafür sei Plattner aufgrund ihrer fachlichen Eignung eine „exzellente Wahl“.
Plattner rückt als erste Frau an die Spitze des BSI mit Sitz in Bonn. Sie folgt auf Arne Schönbohm. Faeser hatte den langjährigen BSI-Präsidenten im vergangenen Oktober abberufen.
Zuvor hatte Jan Böhmermann in seiner ZDF-Sendung über Schönbohms Kontakte zu einem Verein berichtet, der wegen der Verbindungen einiger Mitglieder nach Russland umstritten ist.
Schönbohm setzte sich zur Wehr. Inzwischen ist er Präsident der Bundesakademie für öffentliche Verwaltung und zudem zuständig für die Modernisierung der Fortbildungslandschaft.
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Plattner hat an der Technischen Universität Darmstadt und an der Tulane University in New Orleans im US-Bundesstaat Louisiana Mathematik studiert. Danach machte sie in der Wirtschaft Karriere. Neun Jahre arbeitete sie für die PPA GmbH, einen Dienstleistungsspezialisten für die Finanzanalyse in Firmen.
2013 wechselte sie zu DB Cargo und von dort 2015 weiter zum IT-Dienstleister des Bahn-Konzerns, DB Systel. Dort war Plattner für die Modernisierung der IT der Deutschen Bahn zuständig.
Zuletzt war Plattner Generaldirektorin der IT-Abteilung der Europäischen Zentralbank (EZB). Sie hatte damit die Verantwortung über die internen IT-Systeme der Notenbank und des Euro-Systems, dem die Bundesbank und die übrigen 19 nationalen Notenbanken angeschlossen sind. In ihre Zuständigkeit fielen damit die Cybersicherheit und die Steuerung aller Digitalisierungsprozesse sowie weitere strategische Fragen.
EZB-Kollegen schätzten Plattner als aufgeschlossene und nette Gesprächspartnerin, wie das Handelsblatt aus der Zentralbank erfuhr. Jetzt freut sie sich auf ihren neuen Posten. Sie übernehme ihre neue Rolle „mit großem Respekt“, sagte sie. „Die Aufgabe, die IT-Sicherheitslage in Deutschland zu verbessern und die Digitalisierung mit Sicherheit voranzubringen ist komplex und dringlich.“ Das gelte erst recht mit Blick auf die aktuellen Krisenlagen.
BSI-Chefin Plattner: „Nur die Hände hochhalten reicht nicht“
In Deutschland werden laut dem jüngsten BSI-Lagebericht in Regierungsnetzen monatlich im Schnitt 34.000 E-Mails mit Schadprogrammen abgefangen. Sorge bereiten den Sicherheitsbehörden vor allem Kriminelle, die aus Hacking ein Geschäftsmodell gemacht haben. Dazu zählen sogenannte Ransomware-Angriffe auf Computersysteme mit Verschlüsselungstrojanern mit dem Ziel, Lösegeld zu erpressen.
Um besser gegen Bedrohungen gewappnet zu sein, soll Plattners Behörde mehr Kompetenzen beim Schutz vor Cyberangriffen erhalten. „Wir haben in unserer Cybersicherheitsagenda die Prioritäten klar benannt, die wir gemeinsam verfolgen“, sagte Faeser. Das BSI, so der Plan, soll zur Zentralstelle im Bund-Länder-Verhältnis ausgebaut werden und künftig die Länder stärker im Bereich Cybersicherheit unterstützen.
In den deutschen Sicherheitsbehörden wächst die Sorge, dass sich prorussische Aktivisten, Cyberkriminelle und Hackergruppen der russischen Geheimdienste verbünden, um westliche Systeme anzugreifen. Zuletzt wurden immer wieder Websites von Behörden und anderen wichtigen Einrichtungen lahmgelegt.
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Auch China steht im Fokus, etwa wenn es um den Schutz der kritischen Infrastruktur in Deutschland geht. „Dazu gehört, dass wir unsere Kommunikationswege und Netze schützen“, sagte Faeser. Aus diesem Grund würden derzeit alle im 5G-Mobilfunknetz verbauten chinesischen Komponenten sehr genau geprüft. „Wir werden Komponenten untersagen, wenn gravierende Sicherheitsrisiken vorliegen“, betonte die Ministerin.
Auch Plattner hält es für unabdingbar, dass besonders die kritische Infrastruktur besser geschützt wird. Die neue BSI-Präsidentin fordert Möglichkeiten, Angriffe „stoppen und abwehren“ zu können. „Nur die Hände hochhalten reicht nicht“, sagte Plattner, die zum 1. Juli ihr Amt offiziell angetreten hat. Sie will nun die Herausforderungen anpacken. Das brauche Zeit, aber vor allem, wie sie betont: „Überzeugung, Energie, Tatkraft, Talent, Wissen – und Zuversicht, dass uns das gelingt.“
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