New York Bisher hatte der US-Bundesstaat Texas ein massives Problem mit seinen Stromnetzen: Immer wieder kam es bei Rekordhitze zu großflächigen Blackouts, weil Millionen auf Hochtouren laufende Klimaanlagen zu viel Energie verbrauchten. Doch diesmal ist alles anders: In Austin kletterten die Temperaturen jüngst zwar auf Werte von mehr als 42, in Corpus Christi sogar auf 50 Grad Celsius. Doch die Netze blieben weitgehend stabil. Ursache sind die zusätzlichen Kapazitäten, die durch den rasanten Ausbau der Wind- und Sonnenkraft entstanden sind.
Dass ausgerechnet Texas bei der Nutzung neuer Energien zum Vorreiter wird, überrascht auf den ersten Blick. Denn der US-Bundesstaat ist traditionell ein Staat der Erdölförderung – und ein Staat, in dem die konservativen Republikaner den Ton angeben. Und die gelten nicht unbedingt als Verfechter des Klimaschutzes.
Doch auch sie haben erkannt, dass in Zeiten des Klimawandels die Erneuerbaren eine Schlüsselrolle bei der Stromversorgung übernehmen. Wissenschaftler Josh Rhodes von der University of Texas in Austin: „Wenn durch Sonnenkraft in den heißesten Zeiten des Tages viel Strom gewonnen wird, kommt unsere Versorgung durch fossile Energien nicht so schnell an ihre Grenzen.“
Damit wird Texas plötzlich weltweit zur Blaupause für Regionen, die besonders unter Hitze leiden. Vor allem auf der Südhalbkugel kollabieren immer wieder die Stromnetze in den heißen Monaten unter der Last der Klimaanlagen. Texas zeigt jetzt: Regenerative Energien können bei Extremtemperaturen zu regelrechten Risiko-Killern werden.
Laut Doug Lewin, Autor des Texas Energy and Power Newsletter, haben die Erneuerbaren während der heißesten Stunden 35 Prozent bis 40 Prozent der Stromerzeugung abdecken können. Zum Vergleich: Im Durchschnitt des vergangenen Jahres machten die Erneuerbaren in Texas 25 Prozent der gesamten Stromerzeugung aus.
Texas hat seine Solar-Kapazitäten in den vergangenen drei Jahren fast verdreifacht und baut derzeit weitere Anlagen. Aber noch viel wichtiger ist die Windenergie, von der kein US-Bundesstaat mehr produziert als Texas. „Wäre Texas ein eigenes Land, dann wäre es weltweit die Nummer fünf oder sechs unter den Windenergieproduzenten“, sagt Jon Elkind von der renommierten Columbia Universität.
Texas liegt weit vor Kalifornien bei den alternativen Energien
Im vergangenen Jahr hat Texas laut der Energy Information Agency (EIA) insgesamt 136.000 Gigawatt-Stunden Wind- und Solarenergie produziert. Kalifornien kam gerade einmal auf knapp 53.000 Gigawatt-Stunden.
Texas, dessen Fläche fast doppelt so groß ist wie Deutschland, bietet nicht nur jede Menge Sonne, sondern auch sehr windige Gegenden im Nordwesten. Mit 30 Millionen Menschen ist der Bundesstaat zudem dünn besiedelt. Viele Windfarmen stehen auf Farmland, häufig grasen Kühe unter den Windrädern.
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„Texas hat riesige Flächen nutzbares Land und ein regulatorisches Umfeld, das gegenüber Projekten für erneuerbare Energien sehr freundlich ist“, betont Eric Gimon, Senior Fellow der Denkfabrik Energy Innovation in San Francisco.
Nach Ansicht des Energieexperten Elkind von der Columbia Universität setzen Republikaner vor allem aus politischen Gründen auf alternative Energien: „Es gibt viele Republikaner, die vielleicht den Klimawandel anzweifeln, die aber trotzdem lieber energiepolitisch unabhängig sein wollen von anderen, unsicheren Ländern“, sagt Elkind. Da sind neue Energiequellen eine willkommene zusätzliche Möglichkeit – häufig parallel zur Förderung von Kohle, Gas oder Öl.
Zudem haben die Republikaner gelernt, dass sich mit Wind- und Sonnenkraft gute Geschäfte machen lassen. So steht etwa der mit 367 Megawatt größte Windpark des dänischen Örsted-Konzerns in Texas, der „Western Trail Wind Park“, ausgerechnet auf dem Land von Stan Kroenke. Dem republikanischen Milliardär gehört unter anderem der Fußballklub Arsenal. Örsted beliefert nach eigenen Angaben unter anderem den Pepsico-Konzern von dort aus.
Pepsico ist ein Beispiel dafür, dass auch immer mehr Unternehmen auf alternative Energien drängen. Allen voran die großen Technologiekonzerne verlangen, dass die Energie sauber produziert wird.
Insgesamt haben laut American Clean Power Association zum Ende des vergangenen Jahres 326 Unternehmen Verträge über 77,4 Gigawatt Solar- und Windenergie unterschrieben. Diese Menge reicht für Tausende Datenzentren oder 18 Millionen amerikanische Haushalte. An erster Stelle stehen dabei Amazon, Facebook-Mutter Meta und Google. Und die meiste Energie wird für sie aus Texas kommen.
US-Regierung sieht sich in ihrem Kurs bestätigt
Aber die regenerativen Energien haben in Texas nicht nur Freunde. Tatsächlich gab es zuletzt Versuche, sie deutlich zurückzufahren. Vor allem nach dem Wintersturm 2001 versuchten die dominierenden Republikaner, ihnen die Schuld an den Stromausfällen zu geben. Dabei wiesen Experten immer wieder darauf hin, dass das Desaster auch mit dem Versagen fossiler Energieinfrastruktur zu tun hatte.
Anfang des Jahres brachten die Republikaner sogar einen Gesetzentwurf in den texanischen Senat ein, der den Bau von Solar- und Windfarmen erschweren sollte. Der Entwurf ist allerdings nicht durch das Abgeordnetenhaus des Bundesstaats gekommen.
Die demokratische Energieministerin in Washington, Jennifer Granholm, sieht sich jedenfalls durch die jüngsten Entwicklungen im Hitzesommer 2023 im klimafreundlichen Kurs der US-Regierung bestätigt: „Was lässt die Lichter in Texas während der Rekord-Hitzewellen weiter leuchten? Die Erneuerbaren“, twittert Granholm.
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