Athen Im griechischen Wahlkampf wurde über alles Mögliche geredet, nur ein Wort kam keinem Politiker über die Lippen: Steuerhinterziehung. Sie gilt als eine der Ursachen der griechischen Staatsschuldenkrise, die das Land in den 2010er-Jahren fast in den Staatsbankrott gestürzt hätte.
Und doch war das Thema auf den Wahlkundgebungen ein Tabu. Denn viele Stimmen lassen sich mit der Jagd auf Steuersünder nicht gewinnen. Dafür ist die Steuerhinterziehung zu weitverbreitet.
Jetzt, nach seiner Wiederwahl, ändert der konservative Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis seinen Kurs: Der Kampf gegen die Steuerhinterziehung soll zu den Prioritäten der neuen Regierung gehören. Mit einem Acht-Punkte-Plan will der neue Wirtschafts- und Finanzminister Kostis Chatzidakis die Steuermoral heben.
Schwarzarbeit ist in Griechenland weitverbreitet, teilweise selbst bei Ärzten. Eine Studie des Instituts für Angewandte Wirtschaftsforschung der Universität Tübingen vom Februar 2023 beziffert den Umfang der Schattenwirtschaft in Griechenland auf 21,7 Prozent des offiziell ermittelten Bruttoinlandsprodukts (BIP). Unter den OECD-Staaten ist die Quote nur in Italien mit 21,8 Prozent noch höher. Zum Vergleich: Deutschland liegt mit 10,2 Prozent im Mittelfeld.
Glaubt man den Steuererklärungen, gibt es fast keine reichen Griechen. Von den 6,5 Millionen Steuerpflichtigen meldeten 2022 nur rund 27.000 Jahreseinkommen von mehr als 100.000 Euro. Zwei von drei Steuerzahlern deklarieren Einkommen unter 10.000 Euro im Jahr.
Mitsotakis will Steuerlast in Griechenland gerechter verteilen
Premier Mitsotakis sagte jetzt in seiner ersten Regierungserklärung nach der Wiederwahl der Steuerhinterziehung den Kampf an. Er werde es nicht länger hinnehmen, „dass die Steuerlast ungerechterweise auf dem Rücken all derer verteilt wird, die ihr Einkommen nicht verstecken können“.
>> Lesen Sie hier: Kyriakos Mitsotakis macht Tempo bei Reformen
Mitsotakis warnte die Steuerhinterzieher: „Deshalb sage ich Ihnen ganz klar, dass diese Regierung sowohl die politische Legitimierung als auch den Willen und das Know-how hat, Sie zu identifizieren und Sie zu zwingen, das Offensichtliche zu tun, nämlich die Steuern zu zahlen, die Ihrem tatsächlichen Einkommen entsprechen.“
Auch Wirtschafts- und Finanzminister Chatzidakis macht Druck: Den Kampf gegen die Steuerhinterziehung betrachte er „als ganz persönliche Mission“. Mit seinem für das Steuerwesen zuständigen Vizeminister Charis Theocharis hat er einen Mitstreiter, der die Materie gut kennt: Vor zehn Jahren forcierte Theocharis als Generalsekretär des Ministeriums die Digitalisierung der Finanzverwaltung.
Mit einem Maßnahmenbündel will das Finanzministerium die Steuersünder zur Kasse bitten. So wird die Zahl der Steuerprüfungen verdoppelt.
Wichtigstes Instrument im Kampf gegen die Steuerhinterziehung ist die Kartenzahlung. Immer noch wickeln die Griechinnen und Griechen einen Großteil ihrer Transaktionen mit Scheinen ab, trotz einer Bargeldobergrenze von 500 Euro.
Zentralbankchef ist beim Kampf gegen Steuerhinterziehung optimistisch
Beim privaten Verbrauch ist der Anteil der Kartenzahlungen zwar seit 2019 von 20 auf 37 Prozent gestiegen. Er liegt damit aber immer noch weit unter dem Durchschnitt der Euro-Zone von 46 Prozent. Berufsgruppen wie Handwerker, Ärzte und Anwälte sollen verpflichtet werden, Kartenzahlungen anzunehmen.
Die Kartenterminals werden über das Mobilfunknetz mit dem Fiskus vernetzt, der damit in Echtzeit alle Transaktionen registriert. Minister Chatzidakis will den Verbrauchern außerdem Anreize bieten, bargeldlos zu zahlen, etwa mit höheren Steuerfreibeträgen.
>> Lesen Sie hier: So könnten Kartenzahlungen Griechenland beim Schuldenabbau helfen
Griechenlands Zentralbankchef Yannis Stournaras ist optimistisch. „Der Schlüssel sind digitale, bargeldlose Zahlungen“, glaubt er. Stournaras widmete dem Thema Steuerhinterziehung in seinem jüngsten Jahresbericht zur Geldpolitik ein ganzes Kapitel.
Der Zentralbankchef nennt erstaunliche Zahlen: Die in Griechenland dem Finanzamt deklarierten privaten Jahreseinkommen beliefen sich 2021 auf rund 80 Milliarden Euro. Der private Verbrauch erreichte jedoch 140 Milliarden. Bei der Differenz von 60 Milliarden handelt es sich laut Stournaras um nicht versteuerte Einkommen. Den Verlust für den Fiskus beziffert der Zentralbankchef auf 18 Milliarden Euro.
Das entspräche 30 Prozent der letztjährigen Steuereinnahmen. Das Fazit des Athener Notenbankers: „In Griechenland bezahlen praktisch nur Arbeitnehmer und Rentner Einkommensteuer. Das muss sich ändern.“
Mehr: Wie Griechenland aus Schwarzgeld Steuereinnahmen macht
<< Den vollständigen Artikel: Finanzen: Griechische Regierung will härter gegen Steuersünder vorgehen >> hier vollständig lesen auf www.handelsblatt.com.