Um aus ihrem finanziellen Dilemma zu kommen, griff die Bundesregierung zu einem Trick, den sie seit einigen Monaten immer öfter anwendet: Statt aus dem regulären Etat soll das Geld aus einem Schattenhaushalt namens Klima- und Transformationsfonds (KTF) fließen. Man prüfe, „ob und inwieweit der KTF einen Beitrag in Höhe von 15 Milliarden Euro in den kommenden zwei Jahren zur Deckung des Investitionsbedarfs leisten kann“, heißt es im Haushaltsentwurf, den das Kabinett am Mittwoch verabschiedet hat.
Ob die zusätzlichen Subventionen für das Werk des US-Chipkonzerns Intel in Magdeburg oder milliardenschwere Finanzhilfen bei der Umrüstung auf Wärmepumpen oder nun 15 Milliarden Euro für die Bahn – wann immer Geld benötigt wird, will die Ampelkoalition den KTF anzapfen.
Was ist das für eine finanzielle Allzweckwaffe, mit der die Regierung scheinbar unbegrenzt Wünsche finanzieren kann? Und wie lange geht das noch gut? Viel Geld im Fonds sei mittlerweile zwei Mal verplant, mahnt ein Regierungsvertreter.
Der KTF wurde 2010 von der schwarz-gelben Bundesregierung aufgelegt, um bei der Finanzierung der Energiewende zu helfen. Damals hieß er noch Energie- und Klimafonds und startete mit einer Ausstattung von 780 Millionen Euro vergleichsweise bescheiden. Lange Zeit fristete er ein Schattendasein unter den vielen Sondervermögen des Bundes.
Der Klimafonds wurde zum zentralen Finanzierungsvehikel
Das änderte sich mit der Ampelkoalition, die den KTF gleich zu Beginn als ein zentrales Finanzierungsvehikel für ihre vielen Wünsche auserkor. Dazu verschob Finanzminister Lindner 60 Milliarden Euro ungenutzte Corona-Notkredite in den KTF. Zusammen mit bereits vorhandenen Reserven verfügte der Fonds Ende vergangenen Jahres über eine Rücklage von rund 90 Milliarden Euro, wie aus einem Bericht des Finanzministeriums an den Haushaltsausschuss hervorgeht.
>> Lesen Sie hier: Subventionen für Intel-Werk Magdeburg sollen auf 9,9 Milliarden Euro steigen
Zudem fließen die Einnahmen aus dem Emissionshandel sowie aus der CO2-Bepreisung in den Fonds. Im vergangenen Jahr waren dies jeweils gut sechs Milliarden Euro. Rechnet man Einnahmen und Rücklagen zusammen, verfügt der KTF in den Jahren 2023 bis 2026 über 177 Milliarden Euro. Damit übersteigt das Volumen des KTF sogar das 100 Milliarden Euro schwere Sondervermögen für die Bundeswehr, das Kanzler Scholz nach dem russischen Angriff auf die Ukraine einrichten ließ.
Die Schwierigkeit ist nur: Die Ausgabenideen der Ampel für den KTF wachsen noch schneller als die Einnahmen. Anfang des Jahres warnte das Finanzministerium die anderen Ressorts in einer internen Präsentation, dass im Zeitraum von 2024 bis 2027 im KTF 25 bis 30 Milliarden Euro fehlten.
Mittlerweile dürfte der KTF noch stärker überbucht sein. Denn in den vergangenen Wochen kamen weitere neue Ausgaben hinzu. Als die Empörung über das Heizungsgesetz anschwoll und die Ampel bei den Hilfen für die Umrüstung auf Wärmepumpen nachlegen musste, war schnell klar, woher das Geld kommen muss: aus dem KTF. Mit zehn Milliarden Euro dürfte das zu Buche schlagen.
Auch die gut drei Milliarden Euro zusätzlichen Subventionen für das Intel-Werk in Magdeburg sollen aus dem KTF kommen, da im regulären Bundeshaushalt kein Geld ist. Ähnlich verhält es sich mit den 15 Milliarden Euro für die Bahn, die zwar nicht beschlossen sind, nun aber zumindest geprüft werden.
Zudem soll nun jegliche Unterstützung für den Bereich Mikroelektronik aus dem KTF finanziert werden. Das betrifft 31 kleinere Projekte mit einem Gesamtvolumen von vier Milliarden Euro und wahrscheinlich weitere Milliarden für die Ansiedlung des taiwanischen Chipriesen TSMC in Dresden.
Auch das Geld für den Ausbau der Wasserstoff-Infrastruktur soll künftig aus dem KTF kommen. Und Habecks geplanter Fonds zur Unterstützung von Rohstoffprojekten – voraussichtliches Volumen eine Milliarde Euro – soll zumindest zu einem kleinen Teil mit Mitteln aus dem KTF gespeist werden, heißt es in Regierungskreisen.
>> Lesen Sie hier: Lindner spart am Schienennetz der Bahn
Dabei hat der Fonds neben diesen neuen Aufgaben schon andere Dinge zu finanzieren. Im vergangenen Jahr flossen 6,5 Milliarden Euro aus dem KTF als Bundesförderung für die effiziente Gebäudesanierung, rund 3,4 Milliarden Euro entfielen auf die Kaufprämie für E-Autos und 500 Millionen für den Aufbau der Ladeinfrastruktur.
Viel Geld im KTF ist doppelt verplant
Viele dieser Aufgaben soll der KTF eigentlich auch weiter finanzieren. Wie das gehen soll, ist aber unklar angesichts der neuen Belastungen. Derzeit arbeitet die Bundesregierung an einem Wirtschaftsplan für den KTF für das kommende Jahr sowie einem Finanzplan bis 2027.
Federführend ist Wirtschaftsminister Habeck für den Klimafonds zuständig. Bis Ende Juli soll der neue Wirtschaftsplan zeigen, wie viel Geld wofür ausgegeben wird. Im Haus von Habeck ist man optimistisch. Die Mittel seien für die geplanten Projekte auskömmlich, heißt es aus Ministeriumskreisen. Die neue Heizungsförderung werde kaum teurer als die alte. Die Mittel für bestehende Projekte flössen absehbar langsamer ab als geplant, was Freiräume schaffe.
In anderen Teilen der Ampel herrscht hingegen weniger Optimismus. „Da wird es große Umschichtungen geben müssen“, sagt ein Regierungsvertreter. Mit anderen Worten: Die Bundesregierung wird sich möglicherweise von einigen Förderprogrammen verabschieden müssen, um Milliarden für die neuen Projekte frei zu machen.
Die FDP drängt darauf, dass bei der Neujustierung neben dem Klima auch die zweite Aufgabe des Fonds, die digitale Transformation, nicht vergessen wird. „Als zuständiger Minister muss Robert Habeck im KTF die Balance finden zwischen Klimaschutz und Digitalisierung der Wirtschaft“, sagt FDP-Fraktionsvize Christoph Meyer.
Schließlich brauche es für die Energiewende auch Hightech-Chips. Sprich: Neben den bereits laufenden Halbleiterprojekten aus dem KTF müssten auch weitere Halbleiterprojekte aus dem Fonds finanziert werden können. „Robert Habeck hat in diesem Sinne zu priorisieren und den KTF auszugestalten“, sagt Meyer.
Habeck weiß, dass er vor einer schwierigen Aufgabe steht. Deshalb will er vorerst keine weiteren teuren Großprojekte in den KTF verschieben. Zwar kämpft der Wirtschaftsminister für einen Industriestrompreis, aus dem Klimafonds kann und soll die milliardenschwere Subvention aber keinesfalls bezahlt werden. Die Grünen würden lieber ungenutzte Milliardenhilfen aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) nutzen, was aber Finanzminister Lindner strikt ablehnt.
Union sieht Verstoß gegen die Schuldenbremse
Auch wenn die Ampelkoalition den Wirtschaftsplan für den KTF so umbaut, dass Einnahmen und Ausgaben wieder in Einklang kommen, bleibt ein Finanzrisiko. Die Union hat vor dem Bundesverfassungsgericht dagegen geklagt, dass Lindner die 60 Milliarden ungenutzte Corona-Kreditermächtigungen 2021 als Rücklage in den KTF verschoben hat. CDU und CSU sehen einen Verstoß gegen die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse.
>> Lesen Sie hier: Verfassungsgericht entscheidet über 60-Milliarden-Trick der Ampel
In der Ampelkoalition geht man davon aus, dass Karlsruhe nicht verlangen wird, die Umwidmung rückgängig zu machen. Denkbar aber ist, dass die Richter der Regierung Auflagen erteilt, die Ausgaben aus dem KTF stärker an seinem Zweck „Klima und Transformation“ auszurichten.
Sollte Karlsruhe die 60 Milliarden doch kippen, sagt ein Regierungsvertreter, „dann hätten wir ein echtes Problem“.
Mehr: Haushaltsentwurf steht – Welche Ministerien besonders sparen müssen
<< Den vollständigen Artikel: Schattenhaushalt : Wie die Koalition den Klimafonds ausnutzt >> hier vollständig lesen auf www.handelsblatt.com.