Warschau Es ist ein Paradoxon des Krieges: Die Panzer aus der Ukraine fahren zunehmend mit Öl, das aus Russland stammt. Die Ukraine importiert nach Angaben der ukrainischen Zollbehörde immer mehr Diesel aus Ungarn und der Türkei – beide Länder verarbeiten in ihren Raffinerien in hohem Maße Öl aus Russland.
Zwar war bereits in der Vergangenheit die Marktposition der ungarischen MOL-Gruppe und der türkischen Lieferanten in der Ukraine relativ gut, aber erst in der jüngsten Vergangenheit meldeten ukrainische Zollbehörden einen auffälligen Anstieg der Importe. So verdoppelte der eng mit dem ungarischen Staat verbundene Mineralölkonzern MOL seine Verkäufe an die Ukraine im vergangenen Halbjahr.
Da MOL in hohem Maße russisches Öl bezieht, dürfte die Kriegsmaschinerie der Ukraine nun vor allem damit betankt werden. Zugleich verlieren Unternehmen Marktanteile in der Ukraine, die ihren Rohstoff nicht aus Russland beziehen. Denn MOL hat einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen europäischen Mineralölunternehmen. Der ungarische Konzern besitzt eine Ausnahmegenehmigung der Europäischen Union, seine Raffinerien weiterhin mit russischem Erdöl versorgen zu dürfen.
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Während die Sonderrolle Ungarns in der Öffentlichkeit bisher wenig Beachtung fand, macht die Türkei schon seit Längerem kein Geheimnis daraus, dass sie stark von den Erdölimporten aus Russland profitiert.
Grundsätzlich können Panzer mit unterschiedlichen Erdölprodukten betankt werden. „Militärische Triebwerke sind in der Regel vielseitig einsetzbar und sehr tolerant, was Kraftstoffe betrifft“, sagt der polnische Militärexperte Damian Ratka.
Bahn statt Pipelines Rückgrat der Ölversorgung
Das angegriffene Land ist fast vollständig auf den Import von Treibstoffen angewiesen. Mangel herrscht in der Ukraine aber dennoch kaum, auch wenn die Angriffe der Russen auf die Energieversorgung ihre Spuren hinterlassen haben.
So hat der Westen vor allem im vergangenen Winter dem Land zahlreiche mobile Dieselgeneratoren bereitgestellt, um Krankenhäuser und andere öffentliche Einrichtungen zuverlässig mit Energie zu versorgen. Denn eine dezentrale Versorgung ist krisenfester als große Strom- und Heizkraftwerke, die durch Raketenbeschuss relativ leicht lahmgelegt werden können.
Um die Energieversorgung der kritischen Infrastruktur zu sichern, wurden in der Ukraine zahlreiche mobile Dieselgeneratoren in Betrieb genommen.
(Foto: IMAGO/Ukrinform)
Dennoch ist ein ausreichendes Angebot an Dieselkraftstoffen gewährleistet, da viele Unternehmen in der Kriegswirtschaft ihren Betrieb gedrosselt haben oder ganz ausfallen. Um 40 bis 50 Prozent, so schätzen Experten, könnte der Verbrauch an Mineralölprodukten trotz des enormen Bedarfs der Armee zurückgegangen sein.
Das bestätigt auch der Direktor der Kiewer Beratungsgruppe „A-95“, Sergiy Kuyun. Er spricht davon, dass man bei der Energieversorgung derzeit „besonders gut aufgestellt“ sei. Das hänge ursächlich damit zusammen, dass die Ukraine seit Kriegsbeginn eine Vielzahl neuer Lieferwege hinzugewonnen habe.
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„Die Lieferungen des Treibstoffs erfolgen vor allem per Eisenbahn über Polen“, sagt Michal Paszkowski, Analyst des Institute of Central Europe (IEŚ). „Aus der Slowakei und Ungarn kommt der Sprit per Pipeline ins Land, aus Rumänien wird der Diesel zunächst verschifft und gelangt dann weiter per Bahn in die Ukraine.“
Vor der russischen Invasion gab es in der Ukraine nur noch eine von ehemals sechs Raffinerien. Die letzte ukrainische Raffinerie in Krzemienczuk, die nach Angaben des Unternehmens vor dem Krieg rund 30 Prozent des Treibstoffbedarfs der Ukraine deckte, galt als wenig effizient und verarbeitete vor allem einheimisches Erdöl und Importe aus Aserbaidschan.
Im April 2022 wurde die Anlage bei einem Bombenangriff der Russen aber schwer beschädigt. Aktuell ist die Raffinerie in einer stark eingeschränkten Form wieder in Betrieb.
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