Jul 25, 2023
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Israel: Eine Cern-Forscherin kämpft gegen Netanjahus Justizreform

Written by Pierre Heumann

Berlin Shikma Bresslers Kampf begann im Januar. Jeden Samstagabend stand sie wie eine Generalin vor den rund 100.000 bis 150.000 Bürgerinnen und Bürgern, die im Zentrum von Tel Aviv gegen die umstrittene Justizreform in Israel protestierten.

Ihre Uniform: Ein schwarzes T-Shirt mit dem Aufdruck „Demokratie“. Eindringlich warnt sie vor den Folgen des Umbaus der Justiz und dem Einfluss der Ultraorthodoxen. „Wir wollen nicht, dass dieses Land von Fanatikern mit ihren Bärten und ihrer Religion übernommen wird.“

„Wir kämpfen für die Grundwerte unseres Landes!“, ruft sie und: „Wir werden die Diktaturgesetze der Regierung verhindern“ oder „Wir werden nicht nachgeben“ und hält dabei die blau-weiße Israelfahne. Dazu trommeln Demonstranten und skandieren: „De-mo-kra-tie“. Erwähnt Bressler die Reformpläne oder deren Urheber, rufen sie wie im Chor „Busha“, Schande, oder blasen in Trillerpfeifen.

Am Ende halfen Bresslers Bemühungen nicht. Obwohl sie noch am Wochenende einen Marsch mit Tausenden Menschen von Tel Aviv nach Jerusalem organisierte, konnten die Demonstranten die Abstimmung zu einem Kernelement der umstrittenen Reform am Montag in der Knesset nicht stoppen.

Das israelische Parlament stimmte mit 64 zu null Stimmen für den Gesetzentwurf der rechtsreligiösen Koalition von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Alle Abgeordneten der Opposition waren der Abstimmung ferngeblieben.

Trotz Massenprotesten: Israels Parlament beschließt Justizreform

Der Passus nimmt dem Obersten Gericht die Möglichkeit, Entscheidungen der Regierung als „unangemessen“ zu kippen. Die Opposition lehnt dies als einen Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz und als Einfallstor für Korruption und Machtmissbrauch ab.

Reform spaltet die Gesellschaft in Israel

Bressler ist Teil einer breiten Protestbewegung. Die Reform spaltet weite Teile der israelischen Gesellschaft, viele säkulare Israelis befürchten, dass sich ihr Land in einen religiösen Staat verwandeln könnte. In der vergangenen Woche blockierten Tausende Menschen Straßen und Bahnhöfe im ganzen Land, um die Abstimmung doch noch zu verhindern.

Die 43-jährige Bressler ist Physikerin am Weizmann Institute of Science, einem weltweit angesehenen Forschungszentrum südlich von Tel Aviv. Bressler managt an dem Institut ein Labor für Teilchenphysik mit rund einem Dutzend Forschern.

>> Lesen Sie hier: Justizreform in Israel – Oberstes Gericht büßt Teil seiner Macht ein

Die Physikprofessorin fliegt regelmäßig in die Schweiz zum Kernforschungszentrum Cern in Genf. Dort ist sie verantwortlich für einen der wichtigsten israelischen Beiträge beim Atlas-Experiment am Large Hadron Collider (LHC), dem größten und leistungsstärksten Teilchenbeschleuniger der Welt.

Bresslers Projekt soll das gesamte Entdeckungspotenzial des Teilchenbeschleunigers ausschöpfen „und die Grenzen der wissenschaftlichen Erkenntnis erweitern“, heißt es beim Cern.

Netanjahus Reform hat zahlreiche prominente Gegner

Wenn Bressler, manchmal etwas heiser und mit rauer Stimme, vor der Menge steht und ihre Reden mehrfach über Lautsprecher und Bildschirme übertragen werden, kommt ihr eine Fähigkeit zugute, die sie sich im Laufe ihrer Karriere als Wissenschaftlerin angeeignet hat.

Sie müsse in der Lage sein, vor Kollegen zu stehen, ihnen komplexe Sachverhalte zu erklären und sie zu überzeugen, dass sie einen erfolgversprechenden Ansatz verfolge, sagt sie. Diese Kunst nutzt sie im Kampf gegen die Justizreform.

Benjamin Netanyahu

Der israelische Ministerpräsident ist in der Bevölkerung des Landes umstritten.

(Foto: IMAGO/epd; AndreasxFischer)

Sie holt prominente Gegner des Justizumbaus auf die Bühne, darunter Banker, Techniker, Lehrer, Hightech-Unternehmer, Kampfpilotinnen, ehemalige Richter und Sicherheitsoffiziere, die den Widerstand gegen die geplanten radikalen Änderungen des Regierungssystems unterstützen.

Beim Cern, wo sich Bressler einem langfristigen Projekt widmet, haben schon kleinste Abweichungen vom Standardmodell das Potenzial, zu einem späteren Zeitpunkt sehr wichtig zu werden, weiß sie. Doch bei ihrem Einsatz in Israel dränge die Zeit, müsse die drohende Gefahr rasch entschärft werden.

Proteste gegen Justizreform halten an

Auch nach der Niederlage in der Knesset will sie nicht aufgeben. Und sie hat weiter zahlreiche Mitstreiter: Nach dem Votum des israelischen Parlaments weiteten sich die Proteste im Land aus, es kam zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Polizisten.

Viele Ärzte, Schwestern und weiteres medizinisches Personal legten am Dienstag die Arbeit nieder, mehrere israelische Zeitungen erschienen mit einer geschwärzten Titelseite.

Insgesamt stehen 150 parlamentarische Vorstöße an, die sich an Religionsgesetzen anlehnen und den Obersten Gerichtshof weiter schwächen sollen.

Das alles will die Cern-Forscherin verhindern, nicht im Labor mit einem Modell, sondern auf der Straße mithilfe der Masse: „Solange die Reform nicht auf Eis gelegt wird, wird die Protestbewegung nicht ruhen“, versprach sie schon vor der Abstimmung. Denn das sei ein entscheidender Kampf in der modernen Geschichte Israels, „ein Kampf, der unsere Zukunft bestimmt“.

Mehr: „Ohne Demokratie kein Markt“ – Tech-Szene rebelliert gegen Israels Justizreform



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