Am Mittwoch wollten Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Paus erneut einen Einigungsversuch unternehmen. Mittlerweile sind auch mehr Details dazu bekannt geworden, was Paus sich genau vorstellt. Eine Übersicht.
Familienministerin Paus hatte ursprünglich eine Summe von zwölf Milliarden Euro jährlich ins Spiel gebracht, ohne genau begründen zu können, wofür das Geld verwendet werden soll. Finanzminister Lindner hat in der mittelfristigen Finanzplanung zwei Milliarden Euro pro Jahr eingeplant.
„Zeit online“ und die „Süddeutsche Zeitung“ berichteten, dass Paus für das Startjahr 2025 rund 3,5 Milliarden Euro veranschlage. „Die berechneten Kosten beruhen auf bekannten Daten und Leistungshöhen des Jahres 2023 und sind noch nicht auf die Folgejahre fortgeschrieben“, zitierten die Medien aus einem ihnen vorliegenden Gesetzentwurf.
Inzwischen ist das aber offenbar passiert. Wie das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) ebenfalls unter Berufung auf einen Referentenentwurf aus dem Ministerium schreibt, sollen die Kosten von knapp 3,5 Milliarden Euro im Jahr 2025 auf 4,52 Milliarden Euro im Jahr 2026 steigen.
Im Folgejahr werden 5,1 Milliarden Euro veranschlagt und 2028 dann 5,7 Milliarden Euro. Davon entfallen 4,1 Milliarden Euro auf den Bund und knapp zwei Milliarden Euro auf die Länder. Die Gemeinden werden dagegen um 400 Millionen Euro entlastet.
Wie es in dem Bericht weiter heißt, ergebe sich die jährliche Steigerung laut Gesetzesbegründung allein dadurch, dass die erwartete Inanspruchnahme der Kindergrundsicherung durch betroffene Familien steige. Alle Berechnungen basierten dabei allerdings noch auf den derzeit gültigen Leistungshöhen.
Genau hier liegt aber der Knackpunkt. Denn Paus will mit der Kindergrundsicherung eigentlich auch echte Leistungsverbesserungen durchsetzen. Bundeskanzler Scholz hat seiner Ministerin den Auftrag gegeben, verschiedene Varianten und Alternativen zur Ausgestaltung zu erarbeiten.
Die Diskussion drohe sich schon wieder auf unsaubere Zahlen zu verengen oder sich in Metadebatten zu verlieren, sagte der für die Kindergrundsicherung zuständige FDP-Berichterstatter Martin Gassner-Herz. „Dadurch haben wir bereits wertvolle Zeit verloren für die Anstrengungen, die gemacht werden müssen, um die Verwaltung für diese große Reform fit zu bekommen.“
Warum muss die Verwaltung fit gemacht werden?
Die Kindergrundsicherung soll die wichtigsten familienpolitischen Leistungen bündeln, die aktuell von unterschiedlichen Stellen gezahlt werden. Welcher Anspruch auf welche Leistungen besteht, hängt dabei auch von der finanziellen Situation der Eltern ab.
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Für das Kindergeld und den Kinderzuschlag sind die bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) angesiedelten Familienkassen zuständig. Grundsicherungsleistungen, also beispielsweise das Bürgergeld, werden aktuell von den Jobcentern und Sozialämtern gezahlt.
Die Förderung aus dem Bildungs- und Teilhabepaket, mit der die Teilnahme an schulischen oder Freizeitveranstaltungen und Schulbedarf finanziert werden kann, wird auf kommunaler Ebene von unterschiedlichen Stellen abgewickelt.
Die Kindergrundsicherung soll zwar künftig möglichst einfach beantragt und ausgezahlt werden können, doch ist das Verfahren bisher unklar. Offenbar soll die Familienkasse der BA dabei künftig die tragende Rolle spielen, wie deren Chef Karsten Bunk dem Onlinenachrichtenportal Business Insider sagte.
Demnach seien bundesweit 405 lokale Anlaufstellen, sogenannte Familiencenter, geplant. Aktuell hat die Familienkasse 115 lokale Anlaufstellen im Bundesgebiet. Die von Bunk genannte Zahl 405 entspricht allerdings der Zahl der Jobcenter in Deutschland, sodass die Vermutung naheliegt, dass auf sie mit der Kindergrundsicherung zusätzliche Arbeit zukommt.
Nach Angaben aus Koalitionskreisen soll die Kindergrundsicherung jeweils für zwölf Monate bewilligt werden, beim Kinderzuschlag sind es bisher sechs Monate. Außerdem ist offenbar geplant, dass der künftige Familienservice der BA fachlich dem Bundesfamilienministerium unterstellt wird. Bisher arbeiten die Familienkassen im Auftrag der Bundesfinanzverwaltung, die Fachaufsicht liegt beim Bundeszentralamt für Steuern.
„Der Entwurf muss endlich einen deutlichen Weg aufzeigen, damit alle Familien die ihnen zustehende Hilfe auch bekommen“, forderte FDP-Politiker Gassner-Herz. Dafür brauche es einen modernen und digitalen Prozess, der bisher in Deutschland ohne Beispiel sei.
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Auch dürfe es weder für die Familien noch für die Verwaltung zu mehr Bürokratie und Doppelstrukturen kommen. „Das wäre das Gegenteil von dem, was wir ja eigentlich erreichen wollten.“ Nach den bisher bekannten Paus-Plänen könnten künftig aber bis zu fünf verschiedene Behörden für Kindergrundsicherungsleistungen verantwortlich sein.
Dreht sich der Streit allein ums Geld?
Es geht vor allem um die Frage, wie das Geld für die Kindergrundsicherung am sinnvollsten eingesetzt wird. Finanzminister Lindner weist darauf hin, dass 47,6 Prozent der unter 18-Jährigen, die im März Bürgergeld-Leistungen erhielten, eine ausländische Staatsangehörigkeit haben.
Die Fluchtmigration seit 2015 und zuletzt die Geflüchteten aus der Ukraine haben dazu beigetragen, dass die Zahl der Kinder in der Grundsicherung insgesamt zuletzt leicht angestiegen ist. Dagegen hat sich die Zahl der Kinder mit deutscher Staatsbürgerschaft, die Hartz IV beziehungsweise Bürgergeld beziehen, von knapp 1,6 Millionen im Jahr 2015 auf gut eine Million im März 2023 verringert.
Lindner musste sich für seine Äußerung harsche Kritik bis hin zu Rassismusvorwürfen gefallen lassen. Der FDP-Chef will aber nur die Frage diskutieren, ob es angesichts des hohen Anteils von Einwandererfamilien in der Grundsicherung nicht vielleicht zielführender wäre, die Sprachförderung und die Arbeitsanreize für Eltern auszubauen, statt der Familie einfach höhere Transferzahlungen zu überweisen.
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„Das ist übrigens auch eine zentrale Frage der Gerechtigkeit all jenen gegenüber, die für ihr Einkommen arbeiten“, sagte Lindner im Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“.
Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, widerspricht. Die Frage sei doch, ob der Staat bedürftige Kinder alleinlasse, bis die Eltern sie selbst aus der Armut ziehen können, oder ob er mit einer Kindergrundsicherung hilft.
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