Dec 1, 2022
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Steuern : „Absolute Mangelverwaltung“ – Finanzbehörden hadern mit Umsetzung der Entlastungspakete

Written by Teresa Stiens


Steuerprüfer

Dabei ist nicht nur fehlendes IT-Personal das Problem, sondern auch mangelnde Schnittstellen für den Datentransfer von einer Behörde zur anderen.



(Foto: dpa)

Berlin In den vergangenen Monaten hat sich die Politik eine Vielzahl von steuerlichen Maßnahmen überlegt, um der Energiekrise zu begegnen. Bürger sollen zusätzliches Geld erhalten, um die Mehrbelastung durch gestiegene Gaspreise auszugleichen. Die EU entschied zudem, Energiekonzerne zusätzlich zu besteuern, die durch die hohen Preise höhere Gewinne einfahren.

Doch während die Politik die Belange von Bürgern und Unternehmen im Blick behält, wird eine Gruppe bei all diesen Entscheidungen kaum berücksichtigt: die eigenen Finanzbeamten. Denn diese müssen mit ihrer Arbeit die Ideen umsetzen.

Die Deutsche Steuergewerkschaft (DSTG), die das Personal der Finanzverwaltung vertritt, schlägt jetzt angesichts der großen Herausforderungen durch die neu geschnürten Pakete Alarm. Florian Köbler, Vorsitzender der DSTG, warnt, in den Finanzbehörden herrsche schon jetzt „Land unter“. Um die steuerlichen Anforderungen der Politik zu bewältigen, müssten IT-Systeme komplett neu programmiert werden. Doch das Personal dafür fehle oder müsse von anderer Stelle abgezogen werden, fürchtet Köbler.

„Wir sind eine absolute Mangelverwaltung“, sagt Köbler. Sein Vorwurf: Die Politik bedenke den hohen Erfüllungsaufwand für neue Gesetze aufseiten der Finanzverwaltung nicht mit. Außerdem fehle die Unterstützung in Form von neuem Personal, um den gestiegenen Anforderungen gerecht zu werden.

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Diese Sorgen teilt auch Christoph Trautvetter, Referent beim Netzwerk Steuergerechtigkeit. Er sieht die Verantwortung auch bei der Politik: „Insgesamt fehlt in der Finanzverwaltung an allen Stellen Personal und die aktuellen Entwicklungen und bisherigen Änderungen der Ampel sorgen für mehr Druck“, sagt Trautvetter. Entlastung an anderer Stelle gebe es hingegen nicht.

Komplizierte Berechnungen

Beispiel Gaspreisbremse: Wer mehr als 66.915 Euro im Jahr verdient, muss die kommende staatliche Einmalzahlung versteuern. Der SPD-Vizefraktionschef Achim Post nannte die Entscheidung gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters eine „deutliche Gerechtigkeitslinie“. Doch was für die Politik eine Gerechtigkeitslinie bedeutet, bedeutet für die Steuerverwaltung einen großen organisatorischen Mehraufwand.

Energie

Bürger sollen zusätzliches Geld erhalten, um die Mehrbelastung durch gestiegene Gaspreise auszugleichen.



(Foto: dpa)

Um den Willen der Politik umzusetzen, muss die Finanzverwaltung zunächst eine zusätzliche Berechnung anstellen, um herauszufinden wie hoch das zu versteuernde Einkommen ohne Gaspreisprämie wäre. Liegt es ober- oder unterhalb der „Gerechtigkeitslinie“ von 66.915 Euro?

Liegt es darüber, muss eine zweite Berechnung gemacht werden, um das zu versteuernde Einkommen inklusive der Gaspreisprämie zu ermitteln. Ein Prozess, den Programmierer der EDV für die elektronische Steuererklärung vermitteln müssen. Programmierer, die für die Digitalisierungsprozesse an anderer Stelle fehlen.

>> Lesen Sie hier Wie die Juristenrepublik die Digitalisierung ausbremst

Der Chef des Normenkontrollrats, Lutz Goebel, warnte gegenüber der „Welt am Sonntag“ vor einer Überlastung der Verwaltung durch die Entlastungspakete. Es räche sich, dass man die Digitalisierung der Verwaltung „versemmelt“ habe, kritisierte er und prophezeite, dass aufgrund der hohen Belastung Fehler in der Finanzverwaltung passieren könnten.

Auf guten Willen der Unternehmen angewiesen

Dabei ist nicht nur fehlendes IT-Personal das Problem, sondern auch mangelnde Schnittstellen für den Datentransfer von einer Behörde zur anderen.

Grafik

Beispiel EU-Energiekrisenbeitrag: Die zusätzliche Abgabe für Energiekonzerne, die von den hohen Preisen profitieren, soll durch das Bundeszentralamt für Steuern erhoben werden. Die Unternehmen müssen ihren Beitrag selbst berechnen und dort melden.

Dabei ist das Bundeszentralamt auf den guten Willen der Unternehmen angewiesen, denn es kann die Daten nicht prüfen, obwohl diese den Behörden eigentlich vorliegen, allerdings gespeichert bei den lokalen Finanzämtern – eine Schnittstelle zum Bund gibt es bisher nicht.

Für Misbah Khan, Berichterstatterin der Grünenfraktion zum Thema E-Government, sind Strukturen wie diese ein Problem. Sie kritisiert: „Wir müssen die Digitalisierung unserer Verwaltung endlich vom Ende her denken.“ Dazu zählt ihrer Meinung nach auch, die Prozesse in den Verwaltungen selbst mitzudenken. „Ein schönes Frontend ist unbrauchbar, wenn das Backend nicht vernünftig digitalisiert wurde.“

DSTG-Chef Köbler mahnt, dass die Kapazitäten, die jetzt durch die neuen Entlastungspakete in der Finanzverwaltung gebunden würden, an anderer Stelle fehlen könnten. „Ich habe die Sorge, dass der Prozess zulasten der Steuergerechtigkeit geht“, sagt Köbler. Betriebsprüfungen und der Kampf gegen Steuerhinterziehung und schwarze Kassen würden schlussendlich darunter leiden.

>> Lesen Sie hier: Wie eine 60 Jahre alte Idee jetzt die Verwaltung digitalisieren soll

Den Kampf gegen die Steuerkriminalität vergleicht Köbler schon jetzt mit einer Verfolgungsjagd, „wie wenn du mit dem Fahrrad einem Ferrari hinterherfährst“. Jetzt muss der Finanzbeamte auf dem Fahrrad bei der Verfolgung der Steuerkriminellen auch noch einen Umweg fahren – und die Versteuerung der Gaspreisprämien für Besserverdienende berechnen.

Mehr: Lesen, leiden, lochen – Bürokratie-Wahnsinn in Deutschland



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Politik

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