Bangkok Außenministerin Annalena Baerbock sieht Indien trotz dessen umfangreicher Ölgeschäfte mit Russland als wichtigen Wertepartner Deutschlands. Bei ihrem ersten Besuch in Neu-Delhi seit ihrem Amtsantritt kündigte Baerbock am Montag eine stärkere politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit mit dem Land an – inklusive Erleichterungen für den Zuzug indischer Fachkräfte.
„Wir können als Wertepartner enger zueinander wachsen und tun das bereits“, sagte Baerbock auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit ihrem indischen Amtskollegen Subrahmanyam Jaishankar. Die schwierige Weltlage mache das nötig.
Differenzen mit Blick auf den rasanten Ausbau der indischen Ölimporte aus Russland seit Beginn des Ukrainekriegs ließ Baerbock weitgehend unerwähnt – sie sprach lediglich von „leichten Nuancen“ in den unterschiedlichen Sichtweisen.
Indische Regierungsvertreter betonten unterdessen, dass sie ungeachtet des am Montag in Kraft getretenen EU-Preisdeckels für russisches Öl die Energiegeschäfte mit Russland fortsetzen wollen.
Indien, das früher nur geringe Mengen Rohöl aus Russland importiert hatte, stieg nach Kriegsbeginn zum größten Abnehmer hinter China auf – und sieht sich deshalb mit dem Vorwurf konfrontiert, Russland zu stützen und die Wirkung westlicher Sanktionen abzuschwächen.
Indien klagt über steigende Preise durch Europas Energiepolitik
Außenminister Jaishankar verteidigte Indiens Haltung: „Ich verstehe, dass es einen Konflikt in Europa gibt und dass Europa seine Sichtweise darauf hat“, sagte er nach seinem Gespräch mit Baerbock. Die Europäische Union habe seit Kriegsbeginn aber deutlich mehr fossile Energieträger aus Russland importiert, als Indien das getan habe.
„Als würde man einen guten Freund besuchen.“
Mit Blick darauf sagte er, Europa könne nicht einerseits seine eigene Energieversorgung priorisieren und andererseits von Indien verlangen, das Gegenteil zu tun. Zudem beklagte Jaishankar, dass Europas gestiegene Energieimporte aus dem Nahen Osten für Indien zu steigenden Preisen führten.
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Indien ist für 85 Prozent seines Rohölbedarfs auf Importe angewiesen. Russland löste in diesem Jahr Saudi-Arabien als zweitwichtigsten Lieferanten ab. Der von der EU und anderen verbündeten Staaten festgesetzte Preisdeckel von 60 Dollar pro Barrel Öl wird daran aus Sicht der Regierung in Neu-Delhi nichts Grundlegendes ändern.
EU-Schifffahrtsunternehmen und -Versicherer dürfen sich an russischen Rohölgeschäften zwar nur noch beteiligen, wenn das Öl unter oder zu der Preisobergrenze verkauft wird. Doch Russland baute in den vergangenen Monaten eine Tankerflotte auf, die von den Sanktionen nicht betroffen ist – und weiter nach Indien und China liefern kann. Zudem ist Indien offenbar bereit, auch russische Versicherungen für die Geschäfte zu akzeptieren.
In Neu-Delhi sieht man sich damit gut gerüstet, um an der Energiepartnerschaft mit Russland festhalten zu können: „Indien muss nicht befürchten, dass die Preisobergrenze des Westens den Fluss des russischen Öls behindern kann“, sagte Indiens Ölminister Hardeep Singh Puri in einem am Montag ausgestrahltem Interview. „Darüber mache ich mir keine Sorgen, und ich bin sicher, dass der Markt damit zurechtkommen wird.“
Ein Grund, weshalb sich die Preisobergrenze in Indien wohl vorerst kaum bemerkbar machen dürfte, ist laut Branchenbeobachtern auch der deutliche Preisnachlass, den Russland zuletzt ohnehin gewährte: Dieser führte laut indischen Medien und dem Finanzdienst Bloomberg dazu, dass indische Raffinerien russisches Öl unter der 60-Dollar-Marke erwerben konnten.
Neu-Delhi wünscht sich leichteren Zugang zu Russlands Markt
Außenminister Jaishankar räumte in Anwesenheit seiner Besucherin aus Deutschland zudem ein, dass Indien auch in anderen Bereichen den Handel mit Russland ausdehnen will. Dafür habe man eine Liste mit Warenkategorien nach Moskau geschickt, für die sich Indien einen leichteren Zugang zum russischen Markt wünsche.
Beim Backen in einer Küche in der Altstadt von Neu-Delhi.
(Foto: AP)
Außenministerin Baerbock sieht das offenbar nicht als Hindernis für das deutsche Verhältnis zu Indien, das die Bundesregierung auch wegen der Rivalität mit China intensivieren will. Sie schwärmte, ihre Indienreise sei, „als würde man einen guten Freund besuchen“. Ihren Amtskollegen Jaishankar duzte sie bei der Pressekonferenz mehrfach.
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Mit Blick auf Indiens Vorsitz der Staatengruppe G20 hob sie hervor, dass Indien nun „globale Verantwortung“ übernehme. Vor ihrer Abreise hatte Baerbock Indiens Diplomatie bereits gelobt: „Die klarere Positionierung der G20 gegen den russischen Angriffskrieg in der Ukraine ist letztlich auch Indien zu verdanken“, sagte sie.
Mit Jaishankar vereinbare sie eine sogenannte Mobilitätspartnerschaft, die es für Inderinnen und Inder einfacher machen soll, in Deutschland zu arbeiten, zu studieren oder eine Ausbildung zu machen. „Wir wollen, dass hochqualifizierte Fachkräfte und junge Leute aus Indien nach Deutschland kommen“, sagte Baerbock.
Solche Ankündigungen haben die Menschen in Indien in der Vergangenheit schon oft aus Deutschland gehört, die Praxis vermittelte ihnen aber oft einen anderen Eindruck: Monatelange Verzögerungen bei der Visumserteilung sorgten zuletzt immer wieder für Ärger. Baerbock versprach, daran zu arbeiten: Sie wolle den bürokratischen Aufwand verringern und die Wartezeiten reduzieren.
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