Dec 5, 2022
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Handelsstreit mit den USA: Von der Leyens Schuldenfonds stößt auf massiven Widerstand

Written by Jan Hildebrand


Berlin, Brüssel Mit ihrer Forderung nach einem neuen europäischen Investitionsfonds für die Energiewende stößt EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf breite Ablehnung in Deutschland. Politiker und Ökonomen warnten am Montag davor, auf das umstrittene US-Milliardenpaket für grüne Technologien nun mit einem eigenen Subventionsregen zu antworten.

Vor dem Euro-Gruppen-Treffen in Brüssel sagte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), er sehe „keinen Anlass“ für neue europäische Gemeinschaftsschulden, um grüne Investitionen zu finanzieren. Wenn von der Leyen hingegen nur bestehende Mittel umwidmen wolle, sei er dafür offen. Beim Umgang mit Staatshilfen könne Europa „agiler“ werden.

Die niederländische Finanzministerin Sigrid Kaag bekräftigte ebenfalls, in der EU stünden bereits bedeutende Summen für die Energiewende bereit. Die Kommission solle daher erst einmal eine Bilanz der bisherigen Programme ziehen und das Geld aus verschiedenen Töpfen umschichten, bevor man über einen neuen Fonds rede.

Von der Leyen hatte am Sonntag in einer Rede in Brügge dafür geworben, das europäische Beihilferecht zu lockern, um mehr staatliche Investitionen in die Energiewende zu ermöglichen. Außerdem plädierte sie für einen gemeinschaftlich finanzierten „Souveränitätsfonds“, damit auch die weniger wirtschaftsstarken EU-Länder die nötigen Investitionen erhielten.

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„Die neue selbstbewusste Industriepolitik unserer Konkurrenten erfordert eine strukturelle Antwort“, erklärte von der Leyen. „Für eine gemeinsame europäische Industriepolitik braucht es gemeinsame europäische Ausgaben.“ Mit ihrem Vorschlag reagierte die Kommissionspräsidentin auf den „Inflation Reduction Act“ (IRA) von US-Präsident Joe Biden, der Anfang 2023 in Kraft tritt. Der 370 Milliarden Dollar schwere Investitionsplan für saubere Energie bevorzugt amerikanische Firmen und droht die europäische Konkurrenz vom US-Markt auszuschließen.

>> Lesen Sie hier: USA fördern eigene Wirtschaft mit Milliarden, zum Ärger Europas – jetzt reagiert Ursula von der Leyen

Die Europäer suchen seit Wochen nach einer angemessenen Antwort. Das Gesetz stellt aus ihrer Sicht einen klaren Bruch der Freihandelsregeln dar. Die Optionen reichen von einer Klage vor der Welthandelsorganisation WTO über Strafzölle auf US-Produkte bis hin zu eigenen Subventionen. Zu Letzterem hatte die US-Regierung den Europäern in internen Gesprächen geraten.

Auch von der Leyen favorisiert die Subventionen – zum großen Unmut in Deutschland. Die Idee einer gemeinsamen Industriepolitik, finanziert durch einen „Souveränitätsfonds“, wird vor allem von Paris vorangetrieben. Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire bekräftigte am Montag, man brauche einen „europäischen IRA“.

Fonds entzweit Paris und Berlin

Deutsche Konservative und Liberale hingegen sind in ihrer Ablehnung geeint. In Berlin warnte der FDP-Fraktionsvize im Bundestag, Christoph Meyer, vor einem „schuldenfinanzierten Subventionswettlauf“. Die EU müsse stattdessen attraktiver für private Investitionen werden, sagte er.

Der wirtschaftspolitische Sprecher der konservativen EVP-Fraktion im Europaparlament, Markus Ferber (CSU), warf von der Leyen vor, die Position von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zu übernehmen, damit dieser sie für eine zweite Amtszeit an der Kommissionsspitze unterstütze. Es sei „abenteuerlich“, schon wieder über neue Gemeinschaftsschulden zu reden, sagte Ferber. Die Antwort auf das „inakzeptable“ US-Gesetz könne nicht sein: „Jetzt subventionieren wir auch gegen die WTO-Regeln.“

Der Vorsitzende des Handelsausschusses im Europaparlament, Bernd Lange (SPD), warnte ebenfalls vor einem Subventionswettlauf mit den USA. Erstens sei unklar, ob man ihn überhaupt gewinnen könne. Und zweitens löse ein „Souveränitätsfonds“ das Problem des Marktzugangs in den USA auch nicht. Deshalb fordert er, Washington vor der WTO zu verklagen und notfalls Strafzölle zu verhängen.

Aus der SPD gibt es in Berlin hingegen Unterstützung. Europa brauche „ein zukunftsgerichtetes Update seiner eigenen industriepolitischen Strategie“, sagte SPD-Fraktionsvize Achim Post. „Die Vorschläge der EU-Kommission sind dafür ein Aufschlag, den es jetzt aufzugreifen und weiterzuentwickeln gilt.“

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Doch Ökonomen sind skeptisch. Ifo-Präsident Clemens Fuest verweist darauf, dass Europa mit dem Corona-Wiederaufbaufonds schon ein Subventionsprogramm für die grüne Transformation habe. „Ein weiteres hinzuzufügen ist nicht der richtige Weg, zumal die Gelder des ersten noch nicht abgeflossen sind“, sagte Fuest. Holger Görg, Präsident des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IfW), warnt vor überhastetem Handeln. „Eigene Subventionen wären klar die falsche Reaktion“, sagte er. Sie bedeuteten eine massive Geldverschwendung und könnten am Ende auf einen Handelskrieg hinauslaufen.

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Der Ökonom sagte, der IRA sei weit weniger gefährlich, als von der Leyen annehme. Die 370 Milliarden Euro Subventionen erstreckten sich auf zehn Jahre, damit entsprächen die Mittel weniger als 0,2 Prozent der US-Wirtschaftsleistung. „Außerdem haben die USA in den letzten Jahren stark an Attraktivität für ausländische Investitionen eingebüßt“, erklärte Görg. Das deute auf tiefer gehende Probleme hin, die auch durch finanzielle Anreize nicht gelöst werden könnten.

EU erwartet nicht, dass USA ihre Gesetze ändern

Die richtige Reaktion sei es, mit den USA darüber zu verhandeln, die protektionistischen Regelungen im IRA herauszunehmen, ergänzte Ifo-Ökonom Fuest. Das sieht bemerkenswerterweise auch der Direktor des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) Köln so. Michael Hüther gilt als einer der wichtigsten Befürworter einer subventionsbasierten Industriepolitik.

„Bei der Antwort auf den IRA ist es aber viel klüger, dass auch unsere Unternehmen an dem vielen Geld partizipieren“, sagte er. Hüther sieht „gute Chancen“, dass es gelingt, dass die USA die Bindung der steuerlichen Vorteile an die Herstellung im Inland auch für Europa aufweichen, wie sie es schon für Mexiko und Kanada planen.

Die EU-Kommission allerdings erwartet nicht, dass die USA ihr Gesetz umschreiben. Möglicherweise ließen sich die Ausführungsbestimmungen im Sinne der Europäer verändern, heißt es in der Brüsseler Behörde. Dass aber europäischen Unternehmen am Ende die gleichen Vorteile gewährt werden wie kanadischen und mexikanischen Unternehmen, gilt als unwahrscheinlich. Denn die Beihilfepassagen im Gesetz sind recht eindeutig formuliert, jede Änderung müsste noch einmal durch den Kongress – und das schließt die US-Regierung aus.

Unabhängig vom IRA sieht IW-Chef Hüther allerdings die Notwendigkeit, von der Leyens Idee für einen gemeinsamen europäischen Transformationsfonds kreditfinanziert umzusetzen. In ganz Europa gebe es einen enormen Ausgabenbedarf für die Energiewende und neue Infrastruktur. „Ausgaben für mehrere Generationen können nicht aus Steuermitteln von einer Generation finanziert werden“, findet Hüther. Seine Botschaft an Finanzminister Lindner: „Wir können nicht so tun, als könne Deutschland isoliert Politik machen, die in Europa sonst niemanden beträfe.“

Mehr: Der fremde Freund: Droht ein Handelskrieg zwischen den USA und der EU?



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Politik

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