Dec 8, 2022
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Flüssiggas-Terminal: Warum eine kleine griechische Insel zur Energiehoffnung Südosteuropas wird

Written by pinmin

Athen Langsam bugsieren Schlepper die „Cheikh El Mokrani“ ans Pier. Die Männer in der Kommandozentrale verfolgen auf ihren Bildschirmen das Anlegemanöver des 220 Meter langen Tankers mit Hochspannung. Das Schiff hat 74.000 Kubikmeter verflüssigtes Erdgas geladen – genug, um 25.000 Haushalte ein Jahr lang mit Energie zu versorgen. Das Andocken ist Maßarbeit. Als der Tanker fest vertäut und die Verbindung zum Land hergestellt ist, beginnt das Gas aus den Tanks des Schiffes durch vier große Rohre in die Speicher zu fließen.

Bis in die 1980er-Jahre war Revithoussa, ein 18 Hektar großes Felseneiland westlich von Athen, unbewohnt. Jetzt aber verdanken es die Menschen in Griechenland Revithoussa, wenn bei ihnen in diesem Winter die Lichter nicht ausgehen.

Die Insel beherbergt mittlerweile das bisher einzige LNG-Terminal des Landes. Doch die Anlage ist noch viel mehr: Sie ist zur großen Hoffnung für viele europäische Länder in der durch den Ukrainekrieg ausgelösten Energiekrise geworden – ob für die Nachbarländer Bulgarien und Rumänien oder auch die Ukraine.

Private Investoren forcieren den Ausbau

Der griechische Netzbetreiber Desfa baut bereits die Kapazitäten in Revithoussa aus. Private Investoren planen überdies weitere Flüssiggasterminals. Damit will Griechenland zur Drehscheibe für die Gasversorgung Südosteuropas werden.

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LNG, Liquified Natural Gas, entsteht, wenn man Erdgas auf eine Temperatur von minus 162 Grad Celsius herunterkühlt. Es wird dabei verflüssigt und auf ein Sechshundertstel seines Volumens komprimiert. So lässt es sich transportieren, in speziellen LNG-Tankern ebenso wie mit Tanklastern.

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Gasproduzenten und -abnehmer werden dadurch unabhängig von Pipelines. LNG hat den Gashandel flexibler und zu einem weltumspannenden Geschäft gemacht. Die erste kommerzielle Anlage zur Verflüssigung von Erdgas wurde 1940 in den USA gebaut, der erste LNG-Tanker 1964 in Dienst gestellt.

LNG-Terminal auf Revithoussa

Private Investoren, aber auch die Regierung haben Großes vor mit dem Flüssiggas-Terminal.

Die Pläne für das Terminal in Revithoussa gehen 35 Jahre zurück. 1987 beschloss die damalige Regierung das Projekt. Zwölf Jahre später dockte im Februar 2000 der erste Tanker an. Er brachte verflüssigtes Erdgas aus Algerien. Seither wurden die Anlagen auf Revithoussa immer weiter ausgebaut.

Heute stehen auf der Felseninsel drei große Betontanks, in denen das Flüssigerdgas gespeichert wird. Ein dichtes Gewirr aus Rohren verläuft über die Insel. Bevor das LNG ins Netz eingespeist werden kann, muss es in gasförmigen Zustand zurückgeführt werden. Der Prozess ist relativ simpel: Das LNG fließt durch einen Wärmetauscher, der mit Meerwasser geheizt wird.

In den ersten Jahren war nicht viel los auf Revithoussa. 2015 dockten hier gerade mal zwölf Tanker an, einer pro Monat. Aber die russische Invasion in der Ukraine hat auch hier alles verändert. Seit Russland die Lieferungen in viele Länder verknappt und Europa sich vom Lieferanten Gazprom zu lösen versucht, herrscht in Revithoussa Hochbetrieb.

In den ersten neun Monaten 2022 legten bereits 60 Gastanker in Revithoussa an, gegenüber 25 im gleichen Vorjahreszeitraum. „Dieses Jahr werden wir mit mehr als 80 ankommenden LNG-Transporten einen neuen Rekord aufstellen“, sagt Fernando Calligas, Sprecher des griechischen Gasunternehmens Desfa, das die Anlage betreibt.

Größter Lieferant sind die USA

66 Prozent an Desfa hält das italienisch-spanisch-belgisch-griechische Konsortium Senfluga, 34 Prozent liegen beim griechischen Staat. „Zwischen Anfang Januar und Ende September haben wir in Revithoussa 60 LNG-Tanker entladen, gegenüber 25 im Vorjahreszeitraum“, sagt Calligas.

Revithoussa hilft Griechenland, sich vom russischen Gas zu lösen. 2021 bezog das Land 40 Prozent seiner Gasimporte über Pipelines von Gazprom. In diesem Jahr werden es voraussichtlich weniger als 20 Prozent sein, sagt Maria Rita Galli, die CEO von Desfa. Umso wichtiger wird das LNG-Terminal. In den ersten neun Monaten dieses Jahres entfielen bereits 43 Prozent der griechischen Gas-Importe auf Revithoussa.

Neue Gaspipeline

Der „Interconnector“ zwischen Griechenland und Bulgarien hat seinen Betrieb aufgenommen – andere Pipelineprojekte sind noch in der Planungsphase.


(Foto: Bloomberg/Getty Images)

Größter Lieferant sind die USA, gefolgt von Algerien, Nigeria, Ägypten, Oman und Indonesien. „Das Terminal spielt eine Schlüsselrolle bei der Energieversorgung Griechenlands“, sagt Desfa-Sprecher Calligas. „Es ermöglicht eine Diversifizierung der Gasversorgung, sorgt für betriebliche Flexibilität in unserem Fernleitungsnetz und hilft uns, den Spitzenbedarf beim Gasverbrauch abzudecken.“

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Aber auch Nachbarländer blicken auf Revithoussa. Dank des Terminals ist Griechenland inzwischen zu einem wichtigen Gas-Umschlagplatz geworden. Die Ausfuhren haben sich zwischen Januar und September gegenüber dem Vorjahreszeitraum von 5,4 Terawattstunden (TWh) auf 20,4 TWh fast vervierfacht.

„Für Südosteuropa hat Revithoussa vor allem seit dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine eine noch wichtigere Rolle bekommen“, sagt die Desfa-Sprecherin Natasha Chatziantoniou. „Griechenland deckt über Revithoussa in erheblichem Maß den Energiebedarf Südost- und Mitteleuropas“, so Chatziantoniou.

Vor allem für Bulgarien ist Revithoussa so etwas wie eine Rettungsinsel. Im April drehte Gazprom dem Land den Gashahn zu, weil die Regierung in Sofia sich weigerte, die Lieferungen in Rubel zu bezahlen. Seitdem vorsorgt sich Bulgarien über Pipelines aus dem griechischen Netz. Ein Großteil des Gases kommt aus Revithoussa. „Die Gasexporte nach Bulgarien haben sich dieses Jahr im Vergleich zu 2021 mehr als verdreifacht“, sagt Desfa-Sprecherin Chatziantoniou.

Ein neuer Pier ist im Bau, schwimmende Terminals entstehen

Bulgarien ist seit Oktober über eine neue Pipeline, den Interconnector Greece-Bulgaria (IGB), noch effizienter mit dem griechischen Netz verbunden. Die neue Leitung ist so ausgelegt, dass sie über Bulgarien auch weitere früher von Russland abhängige Balkanländer wie Rumänien und Serbien mit Gas versorgen kann. Entsprechend groß ist die internationale Nachfrage nach Lieferslots in Revithoussa. Die Slots für 2023 sind bereits vergeben. Auch Moldawien und die Ukraine haben bereits Lieferpositionen angefragt.

Kyriakos Mitsotakis

Der griechische Ministerpräsident baut die Energieinfrastruktur seines Landes aus.



(Foto: dpa)

Um die steigende Nachfrage zu bewältigen, hat der Terminal-Betreiber Desfa jetzt in der Rekordzeit von wenigen Monaten die Speicherkapazitäten in Revithoussa vergrößert. 700 Meter vor der Insel liegt seit dem Sommer der LNG-Tanker „Gaslog Athens“ vor Anker. Er dienst als schwimmender Gasspeicher (Floating Storage Unit, FSU). Dadurch steigt die Speicherkapazität in Revithoussa von 225.000 auf 370.000 Kubikmeter LNG. Vor wenigen Wochen wurde auf der Insel auch ein Lkw-Terminal fertiggestellt. Damit kann Flüssigerdgas per Tankwagen auch zu industriellen Abnehmern transportiert werden, die keinen Anschluss ans griechische Erdgasnetz haben.

Auch für die Schifffahrt wird LNG als Treibstoff immer wichtiger. Desfa plant deshalb auf Revithoussa den Bau eines neuen Piers, an dem kleine Tanker mit einem Fassungsvermögen von 1000 bis 30.000 Kubikmeter beladen werden können. So können in Zukunft auch in griechischen Häfen Fähren und Frachter, aber auch Kreuzfahrtschiffe wie die „Aida Nova“ oder die „MSC World Europa“ mit dem weniger umweltschädlichen LNG betankt werden.

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Aber Revithoussa arbeitet schon jetzt an der Kapazitätsgrenze. Griechenland forciert deshalb den Bau weiterer schwimmender LNG-Terminals. Das griechisch-bulgarische Konsortium Gastrade plant zwei dieser Terminals beim nordgriechischen Alexandroupoli, die vor allem die Balkanländer, aber auch die Ukraine versorgen sollen. Die erste Einheit könnte Ende 2023 ans Netz gehen.

Der Raffineriekonzern Motor Oil, der von der griechischen Reederfamilie Vardinogiannis kontrolliert wird, will Ende dieses Jahres mit dem Bau eines weiteren Terminals bei Korinth beginnen. Er könnte Anfang 2024 in Betrieb gehen. Zwei weitere sind in den Hafenstädten Thessaloniki und Volos geplant.

Wenn die neuen Terminals in Betrieb sind, wird Griechenland über eine LNG-Umschlagkapazität von rechnerisch 25 Milliarden Kubikmetern verfügen. Das wäre das Vierfache des aktuellen Eigenbedarfs. Damit könnte das Land seine Erdgas-Exporte rechnerisch mehr als versechsfachen.

Voraussetzung dafür ist allerdings der zügige Ausbau des Pipeline-Netzes in Südosteuropa. Denn bisher sind nur wenige Linien, wie der neue Interconnector zwischen Griechenland und Bulgarien, für den Gas-Transport von Süden nach Norden ausgelegt.

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Politik

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