Dec 13, 2022
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Wido-Studie: Tausende Herzinfarkt- und Krebspatienten in Kliniken ohne adäquate Ausstattung

Written by Jürgen Klöckner

Berlin Die prekäre Lage der Kliniken fasste Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) kürzlich mit dramatischen Worten zusammen. Das System tendiere zu „billiger Medizin“.

Fälle würden honoriert, egal, wo der Patient behandelt wird, „ob er gut behandelt wird oder nicht so gut behandelt wird“. Kleine Kliniken bieten deswegen Operationen an, um Einnahmen zu erzielen, ohne auf die relevanten Fallzahlen und die Qualität zu kommen.

Das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) hat in seinem aktuellen „Qualitätsreport“ erhoben, wie groß der Missstand tatsächlich ist – wie oft also Patienten in Kliniken behandelt werden, die vergleichsweise selten mit Fällen konfrontiert sind und teils sogar nicht über die nötige Ausstattung verfügen.

Das ist ein Problem, da in Kliniken mit hohen Fallzahlen Patienten insbesondere bei komplizierten Eingriffen seltener sterben. Der Report hat die Krankheitsbilder Herzinfarkt, Brust- und Lungenkrebs im Jahr 2020 deutschlandweit beleuchtet. Die Ergebnisse sind ab Dienstag auf einem Onlineportal abrufbar und liegen dem Handelsblatt exklusiv vorab vor. Dort findet sich eine Übersicht über alle behandelnden Kliniken in Deutschland.

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Die Ergebnisse sind teils erschütternd. Mehr als 14.000 der insgesamt 203.000 Patientinnen und Patienten mit einem Herzinfarkt landeten dem Report zufolge in einem Krankenhaus, das nicht über ein Katheterlabor verfügte.

In einem Katheterlabor können Gefäßverschlüsse, die bei einem Herzinfarkt auftreten, optimal behandelt werden. Die Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie empfiehlt, Krankenhäuser ohne eine solche rund um die Uhr verfügbare Einrichtung zu umgehen.

Besonders viele Kliniken mit wenig Fallzahlen haben jedoch kein Katheterlabor. In den 362 Krankenhäusern, die 2020 weniger als 25 Fälle behandelten, hatte nur jedes fünfte ein solches Labor. Allein diese Kliniken behandelten aber mehr als 4000 Infarktpatienten. In den Kliniken mit 240 Fällen pro Jahr hatte hingegen jede Klinik ein Katheterlabor.

„Der Qualitätsmonitor zeigt, dass es ein Problem bei der Steuerung und Information der Patientinnen und Patienten gibt, denn eigentlich haben wir in Deutschland keinen Mangel an Herzkatheterlaboren“, sagte WIdO-Geschäftsführer Jürgen Klauber.

So gab es 2020 allein in Berlin insgesamt 24 Kliniken mit durchgängig verfügbarem Herzkatheterlabor. Dennoch nahmen dort 18 weitere Kliniken ohne Katheterlabor an der Herzinfarkt-Versorgung teil.

Große regionale Unterschiede – viele Kliniken ohne Qualitätszertifikate

Am besten schneidet hier im Ländervergleich Hamburg ab, wo nur zwei der an der Herzinfarkt-Versorgung beteiligten Häuser kein Katheterlabor vorhielten. Das entspricht zehn Prozent aller Einrichtungen.

Neben der Herzinfarkt-Versorgung analysiert der Qualitätsmonitor auch die Versorgung von Brustkrebs- und Lungenkrebsfällen. „Bei der Brustkrebs-Versorgung ist in den letzten Jahren erfreulicherweise eine gewisse Konzentration erkennbar“, sagte Klauber.

Die vielfach kritisierte „Gelegenheitschirurgie“ werde weniger, habe aber immer noch ein relevantes Ausmaß. So wurde jeder fünfte Brustkrebspatient im Jahr 2020 in einer Klinik mit weniger als 25 Fällen pro Jahr behandelt. Im Jahr 2016 war es noch knapp jeder vierte.

„Man muss sich vor Augen halten, dass 25 OPs pro Jahr etwa einem Eingriff alle zwei Wochen entsprechen“, sagte Klauber. „Unter diesen Umständen kann man nicht davon ausgehen, dass es ein eingespieltes Team mit ausreichend Routine und eine eingespielte Prozesskette gibt.“

Zudem verfügte nicht einmal jede zweite Klinik, die Brustkrebs-Fälle behandelt, über ein Zertifikat der Deutschen Krebsgesellschaft oder etwas Vergleichbares. Sie müssen eine Mindestzahl von 100 Fällen pro Jahr vorhalten und Qualitätskriterien erfüllen. Krankenhäuser, die das nicht erfüllen, behandeln fast 15 Prozent der Fälle.

Und auch hier gibt es gewaltige regionale Unterschiede. Während in Brandenburg 64,7 Prozent der an der Versorgung beteiligten Kliniken im Jahr 2020 keine Zertifizierung als Brustkrebs-Zentrum hatten, konnten in Berlin alle operierenden Kliniken ein solches Zertifikat vorweisen.

Ende der Fallpauschale: Gesundheitsminister will Kliniken Leistungsgruppen zuordnen

Die von Gesundheitsminister Lauterbach angestoßene Klinikreform zielt darauf, dass aufwendige Behandlungen künftig nur noch in darauf spezialisierten Kliniken mit einer entsprechend hohen Fallzahl vorgenommen werden.

Die sogenannte Fallpauschale soll zurückgefahren werden. Dabei geht es um pauschale Sätze für vergleichbare Behandlungen, jedoch ohne dass Fallzahlen oder die Qualität der Behandlungen berücksichtigt werden. Nach den Vorschlägen einer Regierungskommission sollen die Kliniken stattdessen in Zukunft nach drei neuen Kriterien honoriert werden: Vorhalteleistungen, Versorgungsstufen und Leistungsgruppen.

Unter anderem sollen für das Vorhalten von Personal, einer Notaufnahme oder notwendiger Medizintechnik feste Beträge fließen. Anders als heute sollen Krankenhäuser zudem in drei konkrete Level eingeordnet und entsprechend gefördert werden. Die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands, Carola Reimann, sagte, die Reformvorschläge würden die Qualitätsprobleme „endlich adressieren“.

Mehr: Reformvorschläge liegen vor – Lauterbach kündigt „eine Revolution“ in der Finanzierung der Krankenhäuser an



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Politik

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