Berlin Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) will ein eigenes Reformkonzept vorlegen, damit große Infrastrukturprojekte schneller vorankommen. Wissing wolle ein „Herbstpaket“ vorlegen, hieß es in Regierungskreisen. Dazu gehört neben seiner Forderung, eine gute Infrastruktur als Staatsziel ins Grundgesetz aufzunehmen, etwa die Idee, das bereits für den Bau von Flüssiggasterminals beschlossene Gesetz (LNG-Beschleunigungsgesetz) auf Verkehrsprojekte zu übertragen und so etwa Naturschutzbelange zurückzustellen. Auch die Möglichkeit, per Klage gegen ein Vorhaben vorzugehen, soll künftig im Planungsverfahren befristet werden.
„Wir werden im November ein Gesetzespaket vorstellen, in dem eine ganze Reihe an Maßnahmen steht“, sagte der parlamentarische Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Oliver Luksic (FDP). Er zeigte sich zuversichtlich, dass das Bundeskabinett zustimmen wird.
Hintergrund der Initiative ist der fortwährende Streit innerhalb der Ampelkoalition. So hatte Justizminister Marco Buschmann (FDP) einen Gesetzentwurf vorgelegt, um Verfahren bei den Verwaltungsgerichten, die sich um bedeutsame Infrastrukturprojekte drehen, zu beschleunigen. In der Ressortabstimmung zeigte sich jedoch, dass vor allem das Umweltressort dabei nur mitmachen will, wenn die Verfahren der Energie- und Mobilitätswende dienen oder die Energieversorgung sichern sollen. Straßenprojekte, Flughäfen, Häfen oder Wasserstraßen sollen demnach nicht dazugehören.
Grünen wollen ihre Klientel nicht weiter strapazieren
Dies lehnt das Verkehrsministerium wiederum ab und betont die herausragende Bedeutung der Infrastruktur, während das Wirtschaftsministerium das Umweltressort nicht stoppen will. Seither steht eine Einigung aus, obwohl der Entwurf eigentlich schon Mitte Oktober vom Kabinett beschlossen werden sollte.
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Vor allem Naturschutzverbände hatten heftige Kritik an Buschmanns Vorhaben geübt – und konnten damit die Unterstützung der Grünen gewinnen. Nachdem der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck die eigene Klientel bereits mit dem LNG-Gesetz wie auch mit den verlängerten Laufzeiten der Atomkraftwerke mehr als beansprucht hat, wollen die Grünen ihre Unterstützer offenkundig schonen.
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Dabei will die Ampelkoalition „für Tempo beim Infrastrukturausbau“ sorgen, wie es im Koalitionsvertrag steht. Alle notwendigen Maßnahmen sollten eigentlich „im ersten Jahr“ der neuen Regierung „getroffen und durchgesetzt werden“. Doch hat sich die Koalition im Lichte einer Gaskrise bisher nur zu einem Gesetz durchringen können, um den Bau von LNG-Terminals zu beschleunigen. Seinerzeit hatte es die FDP versäumt, die Regelung auch für andere wichtige Infrastrukturprojekte einzufordern.
Schützenhilfe erhält die FDP hingegen von der CDU. „Wir müssen bei wichtigen Infrastrukturvorhaben in Deutschland einfach schneller werden“, sagte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (FDP) dem Handelsblatt. „Es braucht eine Beschleunigung der Verfahren. Und wir sehen ja, dass es geht“, sagte Wüst.
So habe sich der Bund beim LNG-Gesetz flexibel gezeigt. „Diese Flexibilität sollte uns als Blaupause in anderen Bereichen dienen, gerade für die dringend notwendige Erneuerung unserer Verkehrsinfrastruktur.“
NRW-Ministerpräsident Wüst fordert Verzicht auf Prüfung der Umweltverträglichkeit
Wie Wissing fordert auch Wüst „eine schnelle Realisierbarkeit der notwendigen Ersatzneubauten vor allem von Brücken“. Ziele seien, „reine Ersatzneubauten ohne komplette Planfeststellungsverfahren und aufwendige Umweltverträglichkeitsprüfungen durchzuführen, kürzere Fristen in Gesetzgebungsverfahren oder die Verkürzung des Instanzenzuges“ vor den Gerichten. Dies soll künftig auch gelten, wenn ein Ersatzneubau angesichts des stark gewachsenen Verkehrs größer als zuvor gebaut werde.
Wissing hatte bereits im Handelsblatt angekündigt, Infrastruktur als Staatsziel im Grundgesetz festzuschreiben. Dies soll sicherstellen, Klagewege auf das Bundesverwaltungsgericht zu beschränken. „Infrastruktur ist von so entscheidender Bedeutung, dass sie eine hervorgehobene Stellung in unserem Rechtssystem braucht“, hatte der Minister erklärt.
Wie es in Regierungskreisen hieß, sollen wie nach der Wiedervereinigung Projekte von hervorgehobener Bedeutung mit verkürzten Klagewegen versehen werden. Dazu sollen europäische Infrastrukturprojekte wie auch Schienenprojekte gehören. Raumordnungsverfahren sollen auf eine Zeit von allenfalls sieben Monate begrenzt werden.
Als Digitalminister setzt Wissing auf die „konsequente Digitalisierung von Planungs- und Genehmigungsverfahren“, dies soll auch für die Bürgerbeteiligung gelten. „Digital only“ soll gelten und helfen, ähnliche Eingaben mithilfe von Künstlicher Intelligenz zu erkennen und pauschal gleich zu beantworten, wie es im Ministerium heißt. Wissing selbst betont, er wolle weder Umwelt- und Naturschutz noch Bürgerbeteiligung zurückdrängen.
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Allerdings gebe es „Doppelarbeiten“ während der Planung. Die Planung selbst soll nur noch digital (Building Information Modeling) stattfinden und so helfen, Personal und Zeit zu sparen.
Die FDP-Fraktion unterstützt ihren Minister. Sie hat bereits ein Papier beschlossen und Maßnahmen aufgelistet, mit denen sie Verfahren beschleunigen will. Diese decken sich mit Wissings Plänen. So fordert die Bundestagsfraktion eine Stichtagsregelung für Einsprüche, eine Mitwirkungspflicht für Umweltverbände wie auch aktualisierte und standardisierte Artenschutzlisten.
„Wir wollen schneller planen, wir wollen schneller bauen“, sagt FDP-Fraktionsvize Carina Konrad. „Wir geben uns nicht damit zufrieden, dass die Krise das Ende von Wohlstand, Frieden und Freiheit sein soll.“
FDP-Verkehrsstaatssekretär Luksic verweist auf die lange Planungsdauer bei Schienenprojekten: 20 Jahre dauere es in der Regel, sagt er mit Blick auf den Widerstand der Grünen, die Verfahren zu vereinfachen und unter Umständen durch weniger Einspruchsrechte zu beschleunigen. Dies gelte übrigens „nicht nur bei Straßen – auch bei Radwegen ist es ein Problem“.
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