Berlin Christine Lambrecht macht Druck: Sie gebe der Industrie nur wenige Wochen Zeit, um die ausgefallenen Puma-Schützenpanzer instand zu setzen, sagte die Verteidigungsministerin dem Deutschlandfunk. „Denn ich brauche verlässliche Systeme und nicht welche, die ich irgendwann 2025 vielleicht einsetzen kann.“
Der Totalausfall mehrerer hochmoderner Pumas bei Schießübungen hat der SPD-Politikerin gerade noch gefehlt – auch wenn sie nur ausbaden muss, was Vorgängerregierungen in der Beschaffungspolitik falsch gemacht haben.
Aber Lambrecht muss nun den Bündnispartnern in der Nato erklären, dass die Bundeswehr für ihre Führungsrolle in der schnellen Eingreiftruppe im kommenden Jahr jetzt nur 50 Jahre alte Marder-Schützenpanzer aufbieten kann. Dabei hatte sie erst im Spätsommer in einer Grundsatzrede betont, dass Deutschland angesichts seiner Größe und wirtschaftlichen Macht künftig auch militärisch eine stärkere Führungsrolle übernehmen müsse.
Die Bilanz ihrer eigenen Führungsrolle ist nach gut einem Jahr im Amt nach Meinung von Beobachtern durchwachsen, auch wenn Kanzler Olaf Scholz (SPD) die 57-Jährige im Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ vor Kurzem noch als „erstklassig“ adelte.
Top-Jobs des Tages
Jetzt die besten Jobs finden und
per E-Mail benachrichtigt werden.
Oft fiel die Hessin mit dem Traumberuf Innenministerin vor allem als Selbstverteidigungsministerin auf: Sei es beim Helmangebot für die Ukraine, beim Hubschraubermitflug ihres Sohnes oder beim Versuch, Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) in die hessische Landespolitik wegzuloben.
Ausgebremst durch Ministeriumsbürokratie
Lambrechts Kommunikation über die geplante Stationierung eines Patriot-Raketenabwehrsystems in Polen gab der deutschlandskeptischen Regierung in Warschau Gelegenheit, eine Debatte anzuzetteln, ob die Patriots nicht besser in der Ukraine aufgehoben wären.
Und bei der Frage, wie die Bundeswehr schnell an dringend benötigte Munition kommt, musste sich die Ministerin vom Bundesfinanzministerium öffentlich belehren lassen. Als sie Ende November ihren Kabinettskollegen Christian Lindner (FDP) um mehr Geld bat, erhielt sie einen ungewöhnlichen Antwortbrief. Die schleppende Munitionsbeschaffung sei nach Einschätzung der Industrie weniger durch fehlende Haushaltsmittel als vielmehr durch die „teils intransparente und inkonsequente Bedarfsplanung sowie bürokratische Bestellprozesse Ihres Hauses bedingt“, schrieb ein Staatssekretär Lindners an die Ministerin.
Der Vorwurf, dass Lambrecht auch zwölf Monate nach Amtsantritt das eigene Haus nicht im Griff habe und es an Führung fehlen lasse, ist hinter vorgehaltener Hand häufiger zu hören. Doch die Ressortchefin hat mehrfach betont, dass sie anderes für dringlicher hält, als das eigene Ministerium umzukrempeln. Dabei sehen Experten den Ministeriumsapparat an der Berliner Stauffenbergstraße als hauptverantwortlich dafür, dass beispielsweise bei der Beschaffung vieles nur langsam vorangeht.
Ein Reformkonzept ihrer Vorgängerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) ließ Lambrecht in der Schublade verschwinden und gab eine neue Bestandsaufnahme in Auftrag, die noch nicht abgeschlossen ist.
Auf ihrer Habenseite hat die Verteidigungsministerin das Beschaffungsbeschleunigungsgesetz und die ersten Vorlagen für Rüstungsprojekte aus dem 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr, das sie sinnvoll und möglichst rasch ausgeben soll.
Scholz macht Verteidigungspolitik zur Chefsache
Den ungeliebten Mali-Einsatz hätte sie lieber heute als morgen beendet, doch musste sie sich im Streit mit Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) auf den Kompromiss eines zeitlich gestreckten Abzugs einlassen.
Zu beneiden ist Lambrecht um ihr Amt wahrlich nicht – nicht nur wegen der Pazifisten in ihrer eigenen Fraktion, die mit der Aufrüstung Deutschlands hadern. Ihr Einfluss endet an den roten Linien, die der Kanzler etwa bei der Lieferung von Kampfpanzern an die Ukraine zieht.
Zugleich ist sie es aber, die dafür haftbar gemacht wird, Scholz’ Versprechen auch fristgerecht umzusetzen. Das gilt etwa für die Zusage an die Nato, bis 2025 eine voll einsatzbereite Heeresdivision aufzustellen. Aus der Industrie ist zu hören, dass Waffensysteme und Munition, die dafür gebraucht werden, allmählich mal bestellt werden müssten, wenn das Zieldatum nicht gerissen werden soll.
Vor dem Jahreswechsel ist die Verteidigungsministerin noch einmal viel gereist, sie hat deutsche Soldaten unter anderem in Litauen und der Slowakei besucht. Deutschlands Sicherheit wird heute nicht mehr am Hindukusch verteidigt, sondern an der Nato-Außengrenze.
Lambrecht muss sich darum kümmern, dass dafür ausreichend Soldatinnen und Soldaten und einsatzbereites Material zur Verfügung stehen – da steht sie im Wort bei den Bündnispartnern. Auch deshalb schaltet die Ministerin bei den Pumas jetzt in den Angriffsmodus und stellt der Industrie ein Ultimatum.
Viel gewinnen kann sie dabei nicht. Lassen sich die Störungen mit wenig Aufwand beheben, wird man ihr am Ende Alarmismus vorwerfen. Erweist sich der Schützenpanzer dagegen wirklich als nicht einsatztauglich, will Lambrecht geplante Nachbestellungen und Nachrüstungen stoppen. Dann aber steht die Truppe ohne modernes Gerät da. Für die Ministerin eine klassische Lose-lose-Situation.
Mehr: Kommentar zu Pannen beim Puma: Der Kanzler ist ein Stück näher am Wortbruch
<< Den vollständigen Artikel: Bundeswehr: Christine Lambrecht – Die Selbstverteidigungsministerin schaltet in den Angriffsmodus >> hier vollständig lesen auf www.handelsblatt.com.