Dec 29, 2022
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Föderalismus: Bundesrat: Die Länder wollen im Bund wieder lautstark mitreden

Written by Daniel Delhaes

Berlin Nach gut einem Regierungsjahr der Ampelkoalition im Bund hat sich das politische Klima im föderalen System verändert. „Wir werden wie beim Bürgergeld den Bundesrat nutzen, um Einfluss zu nehmen“, kündigte der hessische Ministerpräsident, Boris Rhein, an. „Mit großer Sorge“ betrachte er etwa Vorhaben der Bundesregierung wie das geplante Energieeffizienzgesetz. Die Pläne gefährdeten „massiv Rechenzentren, die in Hessen eine große Rolle spielen“, sagte der CDU-Politiker dem Handelsblatt. „Da besteht erheblicher Diskussionsbedarf.“

Unter Angela Merkel kooperierten die Regierungschefs der Länder noch eng mit dem Bund. Unions- wie SPD-Ministerpräsidenten arbeiteten sogar den Koalitionsvertrag mit aus und waren so Teil einer besonders großen Koalition. Bundeskanzler Olaf Scholz und seiner Koalition aus SPD, Grünen und FDP indes wollen die Länder gar nicht erst auf ihre Linie einschwören: Die Oppositionsparteien CDU und CSU sind an ausreichend vielen Landesregierungen beteiligt, um im Bundesrat zumindest jene Vorhaben der Regierung zu stoppen, denen die Länderkammer zustimmen muss.

Kein Wunder, dass die Union den Bundesrat entdeckt hat, „um für ihre Positionen zu streiten“, wie es Rhein formuliert. Der öffentliche Streit um das Bürgergeld etwa hatte die gegensätzlichen Interessen von Regierung und Opposition gut verdeutlicht. Wie stark soll der Staat Arbeitssuchende fordern und fördern, wenn diese Hilfen in Anspruch nehmen? Der Bundestag stimmte für das Gesetz, der Bundesrat mehrheitlich dagegen. Der Vermittlungsausschuss musste nach langer Zeit wieder tagen. Ihn können Bund und Länder anrufen, um doch noch einen Kompromiss zu finden.

In den beiden Wahlperioden zuvor trat der Ausschuss nur zehn Mal zusammen. Kanzlerin Merkel hatte das informelle Gremium der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) genutzt, um einen Schlagabtausch via Bundesrat zu vermeiden. So rangen die Regierungschefs etwa in der Coronakrise darum, mit der Pandemie möglichst im Gleichschritt fertigzuwerden.

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In diesem Jahr aber stritt die informelle Runde von Kanzler und Ministerpräsidenten in der Energiekrise monatelang. Sogar Parteifreundinnen von Kanzler Scholz, etwa die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD), beklagten öffentlich einen „strukturellen Mangel“. Im Klartext: Die Länder fühlten sich schlecht informiert, ob nun bei den Plänen für eine Gas- und Strompreisbremse oder dem verbilligten Nahverkehrsticket. Das Kanzleramt behandle die Länder herablassend, bei gleichzeitig “unfassbar schlechtem” politischen Handwerk, heißt es in den Ländern. Wohl aber sollten die Länder die milliardenhohen Kosten zur Hälfte mit neuen Schulden übernehmen.

Der Vermittlungsausschuss gewinnt an Bedeutung

Kein Wunder, dass der Bundesrat auch für Stephan Weil, den niedersächsischen Ministerpräsidenten und derzeitigen MPK-Vorsitzenden, längst neues Gewicht gewinnt: „Die Rollenverteilung zwischen Vermittlungsausschuss und MPK ist sehr klar: Der Vermittlungsausschuss kann am Ende eines konkreten Gesetzgebungsverfahrens angerufen werden. Die MPK dient der Abstimmung zwischen den Ländern und der kontinuierlichen Diskussion mit dem Bundeskanzler. Beide Formate sind notwendig.“ Die Klarstellung verknüpft Weil mit einem Wink an seinen Parteifreund Scholz: „Gerade unter den aktuellen Bedingungen müssen Bund und Länder eng zusammenarbeiten“, sagte er dem Handelsblatt.

Anstatt die Länder frühzeitig einzubinden, hat die neue Regierung allein in diesem Jahr rund 20 Eilverfahren in Gesetzgebungsprozessen beantragt. Dabei hatten Bund und Länder verabredet, nicht mehr wie zu Coronazeiten im Eiltempo zu regieren. Gründlichkeit vor Schnelligkeit sollte künftig gelten.

Die Regierung versuchte sich an einer Gasumlage oder vergaß, Rentner zu entlasten. Diese Fehler musste sie korrigieren. Unter dem Eindruck dieser Erfahrungen heißt es auch in der Staatskanzlei von NRW-Regierungschef Hendrik Wüst (CDU), bis vor Kurzem MPK-Vorsitzender: „Der Vermittlungsausschuss ist kein Blockadeinstrument, sondern ein Gestaltungsinstrument. Er trägt dazu bei, die Gesetzgebung des Bundes zu verbessern.“

Auch Wüsts Parteifreund Rhein sagt: „Ich halte den Vermittlungsausschuss weder für ein Drohinstrument, noch muss man ihn scheuen wie der Teufel das Weihwasser.“ Die Debatte um das Bürgergeld habe gezeigt, dass sich Bund und Länder schnell einigen können, „ohne so zu streiten, dass es ein Konjunkturprogramm für die politischen Ränder links und rechts ist“. Föderalismus fördere die Prozesse und bremse sie nicht aus.

Dass der Bundesrat nicht allein der Parteitaktik dient, zeigte sich kurz vor Weihnachten: Das CSU-regierte Bayern fand keine Mehrheit, um das Jahressteuergesetz zu stoppen und über höhere Freibeträge beim Vererben von Immobilien in einem Vermittlungsverfahren zu verhandeln. Den anderen CDU-regierten Länder war das Gesetzespaket mit vielen Steuerentlastungen insgesamt zu wichtig, um es erst im neuen Jahr zu beraten.

Mehr: Regierung kann sich nicht auf Beschleunigungspakt einigen



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Politik

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