Lieferengpässe
Vor allem Fiebersäfte, Schmerzmittel und Antibiotika fehlen derzeit. Auf der Lieferengpass-Liste des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gibt es derzeit 340 Einträge, wobei es sich nur um rezeptpflichtige Medikamente handelt – die Zahl der fehlenden Medikamente ist demnach weitaus höher einzuschätzen. Durch Krankheitswellen kam es auch in der Vergangenheit schon häufiger zu Lieferengpässen wegen hoher Nachfrage, aber die außergewöhnlich hohe Ansteckungswelle mit Atemwegsinfektionen bei Kindern setzt mittlerweile auch die Politik unter Druck. Der Hintergrund ist, dass gesetzliche Krankenkassen nur einen festgelegten Beitrag für Medikamente bezahlen, bei einem höheren Verkaufspreis zahlen meist die Kunden die Differenz oder greifen zu günstigeren Varianten mit der gleichen Wirkung – die in China oder Indien produziert werden. Die meisten der derzeit fehlenden Präparate werden demnach in China oder Indien hergestellt, wo es aktuell Probleme in der Lieferkette gibt. Der Apotheker und Vorsitzende des Apothekerverbandes Westfalen-Lippe Thomas Rochell nennt im Interview mit der ZEIT als Beispiele für Probleme in der Lieferkette gestrandete Tanker im Ärmelkanal oder Corona-Ausbrüche in Fabriken. Er sieht als Grundproblem den Kostendruck im Gesundheitswesen in Deutschland, auf Grund dessen die Medikamente nicht mehr in der EU produziert werden können.
Nachfragesteigerung und Produktionsausstieg
Der Deutschlandchef des Generikaherstellers Teva mit der bekannten Marke Ratiopharm Andreas Burkhardt begründet die Mangellage im Gespräch mit der F.A.Z. damit, dass die Nachfrage im Jahr 2021 wegen der Pandemie-Maßnahmen sehr gering war, woraufhin sich dieses Jahr besonders viele Kinder angesteckt haben. Da sich die Bestellungen immer am Vorjahr orientieren, ist das Angebot nicht ausreichend für die starke Nachfrage. Burkhardt betont, dass bereits mehr als die doppelte Menge verkauft wurde, die letztes Jahr nachgefragt wurde. Weil die Produktion nicht mehr kostendeckend war, ist außerdem ein großer Hersteller paracetamolhaltiger Fiebersäfte ausgestiegen. Der Hersteller 1A Pharma, Tochtergesellschaft des Schweizer Pharmaunternehmens Novartis, hatte einen Marktanteil von etwa 30 Prozent, so Burkhardt.
Reaktion der Politik
Fachleute fordern sofortige Maßnahmen der Bundesregierung mit schnellen Beschaffungsaktionen. Zudem sollen geltende Sonderregelungen aus der Pandemie beibehalten werden, die Apothekern ermöglichen im Falle von Lieferschwierigkeiten auf wirkstoffgleiche Präparate auszuweichen, so der Deutsche Apothekerverband. Das Bundesgesundheitsministerium plant bereits seit einiger Zeit Neuregelungen, die durch die aktuelle Situation nun beschleunigt werden sollen.
Redaktion finanzen.net
Bildquellen: Fernando Madeira / Shutterstock.com
<< Den vollständigen Artikel: Warum in Deutschland derzeit viele Arzneimittel fehlen >> hier vollständig lesen auf www.finanzen.net.