Berlin Der verstärkte Einsatz von Kohlekraftwerken als Gas-Ersatz hat die deutschen Klimaziele einer Studie zufolge 2022 durchkreuzt. Obwohl der Energieverbrauch insgesamt vor allem wegen der hohen Preise um fast fünf Prozent zurückgegangen sei, machte der Kohle- und Öl-Einsatz die Treibhausgas-Einsparung wieder zunichte, heißt es in einer am Mittwoch veröffentlichten Auswertung des Thinktanks Agora Energiewende.
Auch der Verkehrs- und Gebäudesektor konnte seine Vorgaben im vergangenen Jahr wieder nicht erfüllen. Deutschland produzierte so aufgrund vorläufiger Zahlen mit 761 Millionen Tonnen Treibhausgas fast genau soviel wie 2021. Die selbstgesetzte Obergrenze für 2022 wurde um rund fünf Millionen Tonnen verfehlt.
Der Verkehr bleibe das große Problemfeld unter den Sektoren: Dort lag laut Agora der CO2-Ausstoß mit 150 Millionen Tonnen deutlich über dem laut Klimaschutzgesetz erlaubten 139 Millionen Tonnen. Gründe für die Zielverfehlung seien das nach dem Corona-Rückgang wieder gestiegene Verkehrsaufkommen und fehlende politische Instrumente zur Reduktion der Emissionen. Der Industriesektor habe dagegen seine Ziele eingehalten. Dies sei eine Folge von Energie-Sparen und mehr Effizienz. Dennoch brauche es noch mehr, um auch die Vorgaben für 2030 zu erreichen.
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Der Thinktank schreibt zudem in seiner Untersuchung, die Geschwindigkeit beim Zubau von Solaranlagen müsse sich mehr als verdoppeln, bei Windkraftanlagen an Land müsste sie sich mehr als verdreifachen und bei Windparks auf See sogar mehr als verachtfachen. Nur so ließen sich die selbstgesteckten Klimaziele der Bundesregierung erreichen. Die Untersuchung mit dem Titel „Die Energiewende in Deutschland: Stand der Dinge 2022“ wird an diesem Mittwoch in Berlin veröffentlicht und liegt der Deutschen Presse-Agentur vor.
Bilanz beim Ausbau erneuerbaren Energien durchwachsen
„Der Erneuerbare-Energien-Ausbau ist das Fundament für alles andere“, sagte der Deutschland-Direktor von Agora, Simon Müller. Das Tempo müsse steigen, um dort Treibhausgasemissionen zu senken, aber auch um den zunehmenden Bedarf nach Strom etwa für industrielle Prozesse zu decken. Durch eine stärkere Nutzung von Strom sollen klimaschädliche Energieträger zurückgedrängt werden – sei es bei Elektroautos, Wärmepumpen zum Heizen oder in der Industrie.
Insgesamt wurden demnach die erneuerbaren Energien im vergangenen Jahr deutlich schneller ausgebaut als 2021, und zwar um 9,6 Gigawatt, 61 Prozent mehr als im Vorjahr. Die installierte Gesamtleistung Erneuerbarer betrug Ende 2022 demnach 148,2 Gigawatt. Die Bilanz fällt aber je nach Bereich ganz unterschiedlich aus.
Den größten Zuwachs bei den erneuerbaren Energien gab es im vergangenen Jahr demnach bei Solaranlagen. Insgesamt wurden nach vorläufigen Daten Anlagen mit einer Leistung von 7,2 Gigawatt neu in Betrieb genommen, ein Plus von 44 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Um das im Erneuerbare-Energien-Gesetz festgeschriebene Kapazitäts-Ziel von 215 Gigawatt bis 2030 zu erreichen, wäre ab 2023 ein Zubau von durchschnittlich 18,6 Gigawatt jährlich nötig, rechnet Agora vor.
Bei Windrädern an Land kam im vergangenen Jahr eine Kapazität von 2 Gigawatt hinzu, rund 21 Prozent mehr als im Jahr davor. Das war die dritte Steigerung in Folge, allerdings von einem niedrigen Niveau. Um das 2030-Ziel von 115 Gigawatt zu schaffen, müssten pro Jahr Anlagen mit einer Kapazität von rund 7,1 Gigawatt entstehen.
Kaum Fortschritte bei Offshore-Windparks
Schleppend ging es bei Windenergie auf See voran, mit nach vorläufigen Daten nur 0,3 Gigawatt neuer Kapazität 2022. Bis 2030 sollen es laut Windenergie-auf-See-Gesetz mindestens 30 Gigawatt werden, was einen jährlichen Zubau von durchschnittlich 2,7 Gigawatt entspräche.
Bereits der Expertenrat der Bundesregierung hatte im Herbst gewarnt, dass Deutschland seine Klimaziele für das Jahr 2030 zu verfehlen drohe. Bis dahin soll der Ausstoß an Treibhausgasen um 65 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990 sinken. Zudem sollen bis dahin 80 Prozent des Bruttostromverbrauchs aus erneuerbaren Quellen wie Wind und Sonne gedeckt werden.
Mehr: Minister Wissing verstößt laut Gutachten gegen das Klimaschutzgesetz
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