Pünktlich zur CSU-Klausurtagung in Seeon und im Jahr der Bayernwahl verbreitet Merz mit Söder Einigkeit – während es hingegen in der CDU heftig brodelt. Nach drei Jahren Dauerstreit um das Erbe Angela Merkels wollte und sollte Merz eigentlich mit seiner Wahl zum 10. Bundesvorsitzenden vor einem Jahr den „Modernisierungskurs“ von Merkel ändern und den Weg hin zu einem Konservatismus in der Moderne einschlagen. Doch die Schritte dahin sind noch immer umstritten.
Dieser Tage streiten die parteiinternen Flügel über Antworten auf die Migrationsfrage. Der Riss in der Union trat Anfang Dezember offen zutage, als der Bundestag das Aufenthaltsgesetz der Ampelkoalition beriet.
Die Fraktion beriet hitzig, ob gut integrierte Geduldete eine Bleibeperspektive erhalten sollen. 20 Unionsabgeordnete lehnten das Gesetz entgegen der internen Vorgabe nicht ab, sondern enthielten sich. Merkels Kanzleramtschef Helge Braun gehörte dazu, auch Ex-Bundesminister wie Hermann Gröhe sowie Ex-Kanzlerkandidat Armin Laschet – allesamt Verfechter eines liberalen Kurses.
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Vom „dreckigen Dutzend“ ist seither in der CDU die Rede. Dreckig, weil es heftig zuging, wurden doch Parteiaustritte nahegelegt und Interna aus Sitzungen durchgestochen. Und nach den Silvester-Ausschreitungen mit Gewaltausbrüchen gegen Polizei und Feuerwehr ging der Streit munter weiter.
Diskutiert werden Integration, Migration und Zuwanderung
Präsidiumsmitglied Jens Spahn sah in den Ausschreitungen den Beleg für eine gescheiterte Integration. Vorstandsmitglied Serap Güler, eine der selbst ernannten „Bekennenden“, weil sie das Aufenthaltsgesetz nicht abgelehnt hatte, widersprach öffentlich.
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Nun will die Fraktion Ende des Monats offen diskutieren und versuchen, eine gemeinsame Position zu Integration, Migration und Zuwanderung zu finden. „Wir werden nicht den kleinsten gemeinsamen Nenner wie unter Angela Merkel suchen, sondern den größten gemeinsamen Nenner“, hieß es in der Fraktion. Merz lasse die Mehrheit entscheiden, nicht die Minderheit.
Wer die Minderheit ist, hat Merz allerdings bereits festgelegt. Er erklärte dazu den Sozialflügel, organisiert in der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA) – und das öffentlich beim Arbeitgebertag. Dort erteilte er CDA-Forderungen nach mehr Tariftreue eine Absage und stellte klar: Der Vorschlag, in die Tarifautonomie einzugreifen, sei „von einem kleinen Teil der Partei“ geäußert worden.
Auch dieses Thema ist parteiintern heikel. Seit Monaten kalibriert die Grundsatzprogrammkommission der Volkspartei die Sozialpolitik neu, etwa wie sie die Sicherungssysteme finanzieren will.
Diesen Mittwoch werden 300 Betriebsräte aus ganz Deutschland und die DGB-Chefin Yasmin Fahimi auf der Betriebsrätekonferenz im Konrad-Adenauer-Haus erwartet. „Die Betriebsrätekonferenz ist für Friedrich Merz eine gute Gelegenheit zu zeigen, dass er zuhören kann und will“, sagte CDA-Vize Dennis Radtke. Gemeinsam mit „einem selbstbewussten Sozialflügel“ sei es möglich zu verdeutlichen, dass „die Interessen von Industriearbeitnehmern am besten bei der CDU aufgehoben sind“.
Generalsekretär Czaja steht in der Kritik
Der Chef der Kommission, Carsten Linnemann, gibt sich derweil selbstkritisch. Die Partei müsse „lauter“ werden, sagte er. Es sei die Schwäche im vergangenen Jahr gewesen, keine Antworten auf die Fragen der Zeit geben zu können. „Debatten wie die um die Zuwanderung müssen wir konstruktiv führen und die Antwort mit unserem Grundsatzprogramm geben.“ Es sei seine Aufgabe, die Enden zusammenzubringen. „Das Jahr 2023 wird das Jahr der inhaltlichen Erneuerung“, kündigte er an.
Aber nicht nur inhaltlich ist die Partei auf der Suche. Eng zusammen hängt damit die Frage, wer die Partei organisiert und das Konrad-Adenauer-Haus zur Kampagnenzentrale umbaut. Kritik richtet sich immer wieder gegen Mario Czaja: Dem Generalsekretär fehle Profil, Sichtbarkeit und Sympathie, es habe unglückliche Äußerungen gegeben, einige reden vom „kommunikativen Desaster“. Hinzu kommt, dass Merz sich bereits drei Mal von wichtigen Mitarbeitern getrennt hat.
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Nun soll mit Christoph Hoppe ein alter Weggefährte ohne Stallgeruch und Wahlkampferfahrung die Partei auf die richtige Spur bringen. Zeit bleibt kaum: Im Herbst muss die CDU die Macht in Hessen verteidigen – und die CSU in Bayern. Kein Wunder, dass Boris Rhein, Ministerpräsident und Spitzenkandidat in Hessen, die CSU-Klausur in Seeon besuchte.
„Die CDU hat mehr Baustellen als wir“, beschrieb ein CSU-Abgeordneter in Seeon die Lage. In der CDU hieß es diplomatisch: „Wir sind noch im Prozess der Konsolidierung und der Neuaufstellung.“
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