Prüfer-Posse, Kommentar zu Adler von Helmut Kipp
Frankfurt (ots) – Monatelang sucht ein ins Schlingern geratenes Unternehmen
einen Abschlussprüfer. Erst lehnt die ausgewählte Adresse überraschend ab, dann
meldet sich niemand auf die Ausschreibung, und auch Direktansprachen sind
erfolglos. Die Zeit vergeht, zunehmend nimmt die Suche Züge von Verzweiflung an.
Schließlich bittet das Unternehmen ein Amtsgericht um Bestellung des
Abschlussprüfers. Das ist quasi der letzte Ausweg. Doch die benannte
Prüfungsgesellschaft sagt nein.
Was wie eine Absurdität daherkommt, ist tatsächlich passiert: Der
Immobilienkonzern Adler Group steht noch immer ohne Prüfer da. KPMG lehnt
nämlich die gerichtliche Bestellung zum Abschlussprüfer der deutschen Tochter
Adler Real Estate ab. Dieses Recht hat man – es gibt keinen Kontrahierungszwang.
Doch KPMG erweist sich selbst und der ganzen Prüferzunft einen Bärendienst.
Gleiches gilt für andere Gesellschaften, die Adler ebenfalls einen Korb gegeben
haben.
Der Immobilienkonzern steckt nun im Dilemma: Das Handelsgesetzbuch schreibt
zwingend einen geprüften Jahresabschluss vor. Aber niemand ist bereit, das
ungeliebte Mandat zu übernehmen. Der Fall ist beispiellos in der deutschen
Wirtschaftsgeschichte, zumindest für Unternehmen in der Größe von Adler.
Weiterhelfen würde eine Selbstverpflichtung der Prüferbranche, sich einer
gerichtlichen Bestellung nicht zu verweigern. In letzter Konsequenz wäre der
Gesetzgeber gefordert: Wer eine Abschlussprüfung vorschreibt, muss auch dafür
sorgen, dass es jemand macht. Solch ein Mechanismus fehlt bisher.
Vermutlich hat letztlich das zerrüttete Vertrauensverhältnis KPMG davon
abgehalten, über ihren Schatten zu springen. Dabei wäre die Gesellschaft
geradezu prädestiniert für das Mandat. KPMG kennt Adler bestens. Schließlich hat
die Gesellschaft schon bisher die Jahresabschlüsse geprüft und auch das
Sondergutachten zu den Betrugs- und Manipulationsvorwürfen des Shortsellers
Fraser Perring erstellt. Noch heute prüft eine KPMG-Einheit, nämlich die in Tel
Aviv, die zur Adler-Gruppe gehörende Brack Capital Properties. Es handelt sich
um ein ziemlich komplexes Mandat: Brack hat ihren Sitz in den Niederlanden, die
Börsennotierung ist in Israel, die Assets befinden sich in Deutschland.
Welche Optionen bleiben Adler? Das Management kann bereits kontaktierte Adressen
abermals ansprechen, oder es versucht, das aufwendige Mandat auf den Schultern
mehrerer kleinerer Prüfer zu verteilen. Eine weitere Möglichkeit ist, abermals
das Gericht um Bestellung zu bitten.
In der Prüferbranche sorgt der Fall für heiße Diskussionen. Denn es ist ein
Unding, dass der Fortbestand eines Unternehmens unter anderem an einer
verweigerten Abschlussprüfung hängt. Gerade erst hat der Berufsverband IDW einen
Wertekodex präsentiert, der verloren gegangenes Vertrauen in die Branche
wiederherstellen soll.
Da wird in hehren Worten beschrieben, welche Prinzipien die Wirtschaftsprüfer
bei ihrer Arbeit leiten. Dazu sollte auch die grundsätzliche Bereitschaft
gehören, der Bitte eines Unternehmens um Abschlussprüfung nachzukommen. Sonst
könnte der Staat die Prüferauswahl in die Hand nehmen – und die Arbeit nach
Gebührenordnung entlohnen.
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