Berlin Vorgängerin Christine Lambrecht (SPD) und Generalinspekteur Eberhard Zorn stehen bereit, die militärische Ehrenformation ist aufmarschiert, als am Donnerstagmorgen der neue Verteidigungsminister aus der Dienstlimousine steigt. Gemeinsam mit Zorn schreitet er die Formation ab, bleibt in der Mitte stehen, verneigt sich kurz und setzt dann seinen Weg fort. Als er am Ende der Reihe angelangt ist, ist er endgültig im neuen Amt angekommen, das ihm nach eigenen Worten erst am Montag angetragen worden war.
Ganz früh hatte der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier dem neuen Verteidigungsminister bereits seine Ernennungsurkunde überreicht. Boris Pistorius (SPD) übernehme das Ministeramt „in einer Bedrohungs- und Gefährdungslage, die Deutschland lange nicht mehr kannte“, sagte Steinmeier. Um kurz nach neun Uhr legte Pistorius dann seinen Eid im Bundestag ab.
Auf dem bisherigen niedersächsischen Innenminister lastet nach dem unrühmlichen Abgang seiner Vorgängerin Lambrecht, die am Morgen noch mit freundlichem Applaus verabschiedet wurde, ein enormer Erwartungsdruck. Im aktuellen „Umfeld neuer Bedrohungen und geopolitischer Veränderungen kommt es jetzt entscheidend darauf an, die Bundeswehr abschreckungsfähig und verteidigungsbereit zu machen“, gibt Steinmeier dem Neuen mit auf den Weg.
Am ersten Tag im Amt muss Pistorius die Erwartungen zunächst noch ein wenig herunterschrauben. Nach dem Empfang mit militärischen Ehren gibt es ein kurzes Statement. Fragen sind nicht erlaubt. Zu groß ist die Gefahr, dass Pistorius einen Fehlstart hinlegt, wenn er gleich zu Beginn auf heikle Fragen nach Panzerlieferungen an die Ukraine die falschen Antworten gibt.
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Zu ausführlicheren Stellungnahmen werde es in nächster Zeit noch ausreichend Gelegenheit geben angesichts der aktuellen Fragestellungen und Herausforderungen, vor denen wir stehen, sagt der neue Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt über die Streitkräfte. Vor ihm liege eine Aufgabe mit „herausragend großer Verantwortung“, der er mit „Demut und allem Respekt“ entgegensehe. „Es sind keine normalen Zeiten, es ist Krieg in Europa.“
Treffen mit US-Amtskollegen Lloyd
Deutschland sei nicht Kriegspartei, aber doch vom Krieg betroffen, Sicherheitspolitik habe eine andere Bedeutung als noch vor einem Jahr. „Deswegen geht es jetzt darum, die Bundeswehr jetzt und schnell stark zu machen, es geht um Abschreckung, Wirksamkeit und Einsatzfähigkeit.“ Seine Vorgängerin Lambrecht habe viele Dinge angeschoben. „Aber der größte Teil der Zeitenwende liegt noch vor uns.“
Die Ukraine werde man weiter unterstützen, verspricht der neue Verteidigungsminister, ohne die Panzerfrage konkret anzusprechen. Nur eines sagt er: Die Unterstützung müsse „eben auch mit Material aus der Bundeswehr“ erfolgen.
Wie diese Unterstützung aussehen soll, kann Pistorius – kaum, dass die Ehrenformation wieder abmarschiert ist – mit seinem US-Amtskollegen Lloyd Austin besprechen. Der Amerikaner freut sich, dass er der erste Besucher des neuen Ministers ist. Was wiederum aber auch keine Kunst ist, da Pistorius ja erst seit einer Stunde im Amt sei, wie Austin selbst sagt. Telefoniert hatte der neue Chef im Bendlerblock unmittelbar nach seiner Vereidigung aber bereits mit seinem französischen Amtskollegen Sébastien Lecornu.
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Ob Deutschland und Amerika mit einer Panzerzusage zum nächsten Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe am Freitag in Ramstein fahren, verraten Pistorius und Austin nicht, auch wenn der Amerikaner Deutschland als „einen seiner wichtigsten Verbündeten“ lobt.
Abstimmungsbedarf notwendig
Verschiedene Medien hatten am Vorabend gemeldet, dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zur Lieferung von Leopard-Panzern bereit sei, wenn die USA ihrerseits Abrams-Kampfpanzer zur Verfügung stellten.
Offenbar gibt es bei diesem Thema am Donnerstag noch Abstimmungsbedarf – und Differenzen. Denn als die beiden vor die Journalisten treten, hatte die Regierung in Washington schon deutlich gemacht, dass sie zumindest momentan keine Abrams liefern wolle.
Das Pressegespräch mit Austin findet vor der eigentlichen Unterredung statt, Fragen sind auch hier nicht zugelassen. Ein für danach anberaumtes Pressegespräch hatte das Verteidigungsministerium kurzfristig wieder abgesagt – angeblich aus Termingründen auf amerikanischer Seite.
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Aber man habe ja schon am Freitag Gelegenheit für weitere Gespräche, wie Pistorius sagt. Dann allerdings mit Austin als Gastgeber auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein.
Mehr: Scholz kann die Lieferung von Leopard-2-Panzern nicht mehr verhindern – Ein Kommentar
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