Oct 22, 2022
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Italien : Rechtes Bündnis am Ziel: Giorgia Meloni als Regierungschefin vereidigt

Written by Christian Wermke

Rom Die Beratungen mit dem Staatspräsidenten dauerten gerade mal elf Minuten: Dann kamen Giorgia Meloni und ihre rechten Mitstreiter schon wieder aus dem Quirinalspalast in Rom heraus. „Wir sind bereit, und wir wollen in der kürzestmöglichen Zeit voranschreiten“, erklärte die Parteichefin der postfaschistischen Fratelli d’Italia (FDI) am Freitagvormittag.

Meloni ist als erste Frau in der Geschichte Italiens im Amt der Regierungschefin vereidigt worden. Die Parteichefin der postfaschistischen Fratelli d’Italia legte dazu am Samstagvormittag vor Staatschef Sergio Mattarella den Eid ab. Auch die Frauen und Männer ihres Kabinetts wurden im Quirinalspalast in Rom eingeschworen.

Noch gibt es eine formale Hürde: Meloni muss in der kommenden Woche in beiden Parlamentskammern die Vertrauensfrage überstehen. Das gilt allerdings als Formsache: Das Dreierbündnis aus FDI, der rechten Lega unter Matteo Salvini und der konservativen Forza Italia von Silvio Berlusconi hat in beiden Kammern eine deutliche Mehrheit.

Nach der Entscheidung am Freitagabend trat Meloni kurz vor die Mikrofone, las ohne weiteren Kommentar ihre Kabinettsliste vor. Die wichtigsten Personalien: Salvini wird Infrastrukturminister und Vizepremier, obwohl er gern erneut Innenminister geworden wäre.

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Antonio Tajani, Vize-Chef von Forza Italia und erfahrener Europapolitiker, wird ebenfalls Vizepremier und zugleich wie erwartet Außenminister.

Das Finanzministerium übernimmt Lega-Vize Giancarlo Giorgetti, der in der Regierung von Mario Draghi bislang das Wirtschaftsressort führte. Dort beerbt ihn Adolfo Urso, langjähriger Parlamentarier von FDI.

Dass Staatspräsident Sergio Mattarella dem Bündnis den Regierungsauftrag erteilen würde, galt bis zuletzt als unsicher. In den vergangenen Tagen hatte vor allem einer aus dem Führungstrio dafür gesorgt, dass die Regierung ins Wanken geriet, bevor sie überhaupt an der Macht ist: Berlusconi. Es ist seine Russland-Connection, die bei den europäischen Partnern für Zweifel über den künftigen Kurs der drittgrößten Euro-Volkswirtschaft sorgte.

Berlusconi und Russlands Präsident Wladimir Putin sind schon seit Jahrzehnten befreundet. In dieser Woche zeigte sich Italiens Ex-Premier wie schon in einer TV-Show vor Monaten verständnisvoll für Putins Motive, in der Ukraine einzumarschieren. Putin sei eigentlich ein „Mann des Friedens“, sagte er in Tonaufnahmen, die in der italienischen Presse kursierten. Obendrein prahlte er mit seinem guten Verhältnis zu Putin: Dieser habe ihm 20 Wodkaflaschen zum Geburtstag geschenkt, mitsamt einem „süßen Brief“. Er habe ihm dafür Lambrusco-Wein in den Kreml geschickt. Selbst Parteifreunde Berlusconis zeigten sich fassungslos.

Melonis klares Bekenntnis zu Europa und Nato

Auch Lega-Chef Salvini, der als Russland-Freund gilt, hatte mehrmals gefordert, die Sanktionen gegen Moskau fallen zu lassen. Unterstützt wurde er zuletzt von seinem Parteifreund Lorenza Fontana, der jüngst zum Chef der Abgeordnetenkammer gewählt wurde. Meloni hingegen ist seit Beginn des Krieges bedingungslose Unterstützerin der Ukraine, hat auch aus der Opposition heraus immer den Kurs ihres Vorgängers Mario Draghi mitgetragen.

Giorgia Meloni, flankiert von Silvio Berlusconi (l.) und Lega-Chef Matteo Salvnin

Mitte der Woche sprach sie ein Machtwort in punkto Europa und Nato.


(Foto: ddp/abaca press)

Mitte der Woche sprach sie dann ein deutliches Machtwort: Italien sei voll und ganz „Teil Europas und der transatlantischen Allianz“. Jeder, der ihrer Regierung beitreten wolle, müsse diese Eckpfeiler akzeptieren. Sie spielte sogar mit dem Gedanken, das Bündnis im Zweifel gar nicht mehr zu bilden.

Für Berlusconi hätte sich der Kreis eigentlich schon vor Wochen schließen können: Kurz vor der Wahl Ende September, bei der Abschlusskundgebung der rechten Parteien auf Roms Piazza del Popolo, hatte der Medienmogul noch einmal seinen großen Aufritt. Er wurde als „Begründer von Mitte-rechts“ gefeiert, als der Mann, der den Rechtsruck im Land überhaupt erst möglich gemacht hätte. Meloni ist Berlusconis Vermächtnis – aber nun gibt eben die jüngere Generation den Ton an.

Der erste Teil der Erzählung schien Berlusconi sichtlich zu gefallen, der zweite nicht. Trotz seiner 86 Jahre will er weiter vorn im Rampenlicht stehen, sich nicht hinter Meloni einreihen. Auch wenn seine Forza Italia vom Stimmenanteil her das schwächste Glied im rechten Dreierbündnis ist, wollte er weiter Ministerposten bestimmen, selbst bei Staatspräsident Mattarella vorsprechen und Meloni in die ihm wohlgesinnte Richtung lenken. Doch Meloni lässt sich nicht lenken.

Giorgia Meloni als Regierungschefin vereidigt

Sammelbecken für Protestwähler

Ihren Aufstieg hat sie nicht Berlusconi zu verdanken, der sie damals mit 31 Jahren zur jüngsten Ministerin in seinem Kabinett machte. Der Wendepunkt war, als sie sich von Berlusconi emanzipierte – und vor zehn Jahren mit alten Mitkämpfern aus dem postfaschistischen Movimento Sociale die Fratelli d’Italia gründete. Jahrelang dümpelte die Partei bei einstelligen Umfragewerten herum.

Die Botschaften sind immer die gleichen geblieben: strenger Patriotismus, Förderung der klassischen Familie, Nein zur illegalen Einwanderung. Mit der Zeit verfingen die Forderungen bei immer mehr Italienern, die Umfragewerte stiegen langsam an. Melonis klügste Entscheidung war es, Anfang 2021 nicht in Draghis Kabinett der „nationalen Einheit“ einzutreten, wie es Lega und Forza Italia taten. Meloni ging in die Opposition – und wurde so auch zum Sammelbecken vieler Protestwähler.

Kritik fing sie sich zuletzt immer wieder ein, weil sie sich bislang nicht klar und deutlich vom Faschismus distanziert hat. Ihre Partei trägt weiterhin eine Flamme in Nationalfarben im Logo – eine Reminiszenz an den faschistischen Diktator Benito Mussolini. Dazu kam der Auftritt bei der rechten Vox-Partei in Spanien im Juni, wo sie populistische Parolen gegen Homosexuelle, Flüchtlinge und andere Minderheiten in die Menge schrie.

So radikal sie mitunter im Wahlkampf auftrat, so gemäßigt gab sie sich aber seit der Wahl: Meloni mied öffentliche Auftritte, postete kaum mehr in den sozialen Netzwerken, betonte immer wieder, eine „hochkarätige Regierung“ aufstellen zu wollen. Zum Erinnerungstag der Razzia im jüdischen Ghetto Roms erklärte sie jüngst, dass der Antisemitismus „in jeder Form“ bekämpft werden müsse.

Mehr: Mussolini-Verehrer und Russland-Freund – das sind Giorgia Melonis mächtigste Männer im Parlament.



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