Ministerpräsident Wüst lobte das Tempo der Koalition im vergangenen Jahr.
Berlin Die Bundesländer drängen die Ampelkoalition im Bund, sich auf schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren bei Infrastrukturprojekten zu verständigen. So fordert der Verhandlungsführer der unionsregierten Bundesländer, Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst, das Thema bei der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz „ganz oben“ auf die Tagesordnung zu setzen.
„Das Fingerhakeln in der Ampel kostet wertvolle Zeit und bremst wichtige Zukunftsprojekte aus“, sagte Wüst dem Handelsblatt. Der CDU-Politiker koordiniert die Position der unionsregierten Bundesländer. Er forderte „eine fachlich überzeugende und vor allem geeinte Positionierung der Bundesregierung“.
Nur so könne der Pakt für Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung „als Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern gelingen. Er gehört bei der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) mit dem Bundeskanzler ganz oben auf die Agenda.“
Der Kanzler dürfe das Projekt „nicht noch einmal auf die lange Bank schieben“. Dem Vernehmen nach könnte es in Kürze eine Sonder-MPK mit dem Kanzler geben, um über die Flüchtlingssituation in den Kommunen zu reden.
Ursprünglich sollten Bund und Länder bereits bei der vergangenen Konferenz Anfang Dezember einen „Pakt“ beschließen. Ein Entwurf aus dem Kanzleramt sieht unter anderem vor, dass der Bund die Kommunen direkt mit Personal unterstützt und ebenso mit Geld, um vor Ort die Prozesse zu digitalisieren.
Verfahrensdauer von Projekten halbieren
Die Beratungen dazu wurden abgesagt, da sich die Ampelkoalition selbst nicht einig ist, wie sie Genehmigungsverfahren beschleunigen will. So hatte sich in der vergangenen Woche der Koalitionsausschuss mit den Partei- und Fraktionsvorsitzenden erneut nicht verständigt. Am Wochenende hatte Kanzler Olaf Scholz (SPD) sich auf seiner Südamerikareise hartnäckig gezeigt.
Während es im vergangenen Jahr angesichts der Energiekrise ein Regelwerk gab, um Flüssiggasterminals (LNG) schnell zu bauen, hängt es aber bei den Verkehrsprojekten.
(Foto: IMAGO/Christian Spicker)
Seine Koalition sei „entschlossen, die Verkrustungen aufzubrechen, die über Jahrzehnte die Entscheidungsstrukturen unseres Landes blockiert haben“. So steht das Ziel, die Verfahrensdauer von Projekten zu halbieren.
Während es im vergangenen Jahr angesichts der Energiekrise ein Regelwerk gab, um Flüssiggasterminals (LNG) schnell zu bauen, hängt es aber bei den Verkehrsprojekten. Die Grünen wollen keine neuen Straßen bauen. Planer und Bauunternehmen sollen Schienenwege sanieren und ausbauen und ebenso Wasserstraßen wieder in Schuss bringen.
Die FDP mit Bundesverkehrsminister Volker Wissing hingegen will auch für Autobahnneubauten per Gesetz ein „überragendes öffentliches Interesse“ feststellen und diese Projekte so über umwelt- und naturschutzrechtliche Belange stellen. Am 1. März wollen SPD, Grüne und FDP weiter beraten.
Ministerpräsident Wüst lobte das Tempo der Koalition im vergangenen Jahr: „Das Wind-an-Land-Gesetz des Bundes und der schnelle Start der LNG-Terminals sind gute Vorbilder und haben gezeigt, wie kluge Planungsbeschleunigung aussieht.“ Dieses Tempo sei auch bei vielen anderen wichtigen Projekten nötig.
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Allerdings halten Juristen das LNG-Gesetz nicht für eine Blaupause. Die Maßnahmen seien nur „in engen Grenzen übertragbar“, warnte die Juristin Christiane Kappes, Partnerin bei CMS Hasche Sigle und verwies auf europarechtliche Vorgaben wie die Umweltverträglichkeitsrichtlinie.
Juristen empfehlen Standardisierung von Verfahren
„Die Halbierung der Genehmigungszeiten wird nur gelingen, wenn man über die Verfahrensregeln hinaus geht und sich an die inhaltlichen Standards macht“, empfahl die Juristin. Es gehe um die Standardisierung von Anforderungen je nach Projektart, ob nun Windanlage, Stromkabel oder Straßen. „Sie sind permanent damit beschäftigt, was für ein neuer Leitfaden herauskommt oder welcher Orientierungsrahmen für eine neue Konvention gilt.“
Der Entwurf aus dem Kanzleramt sieht unter anderem vor, dass der Bund die Kommunen direkt mit Personal unterstützt und ebenso mit Geld, um vor Ort die Prozesse zu digitalisieren.
Da die Standardisierung Zeit braucht, plädiert sie so lange für eine Stichtagsregelung, wie sie im Koalitionsvertrag steht. „Heute müssen Anträge allen Anforderungen genügen, bis die Behörde am Schluss ihren Stempel setzt und genehmigt. Werden Projekte aber über mehrere Jahre geplant, dann müssen etwa Umweltdaten, die man ganz am Anfang erhoben hat, ständig aktualisiert werden. Sie fangen dann immer wieder von vorn an.“ Ein Stichtag für die Aktualität von Daten und Methoden sei als Zwischenlösung hilfreich, bis es standardisierte Prozesse gibt.
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Dies unterstützt NRW-Ministerpräsident Wüst. „Das taktische Verlängern von Gerichtsverfahren darf es nicht mehr geben, zudem brauchen wir Stichtagsregelungen, damit zum Beispiel Rechtsänderungen nicht zu Verzögerungen führen“, sagte Wüst. Auch plädierte er für einen vorzeitigen Baubeginn bei allen Projekten, wenn nur noch Detailfragen zu klären sind, etwa die Höhe einer Lärmschutzwand.
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