Berlin Klimaneutrale Lkw auf den Straßen, eine KI steuert effizient das Stromnetz, Unternehmen besorgen sich dringend benötigte Komponenten einfach per 3D-Druck – von dieser Vision ist Deutschland momentan noch ziemlich weit entfernt. Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) hat deshalb einen neuen Fördertopf aufgesetzt, der jetzt an den Start geht und dessen Ziel es ist, einen neuen „technologiebasierten Mittelstand“ hervorzubringen.
Die erste Investition aus dem „Deeptech and Climate Fonds“ (DTCF) steht nach Handelsblatt-Informationen kurz bevor. In diesem Jahr will der Fonds in vier Firmen investieren, bis zu 70 sollen es werden. Pro Unternehmen ist vonseiten des BMWK eine Summe von bis zu 30 Millionen Euro vorgesehen. Insgesamt will das Ministerium über die nächsten zehn Jahre eine Milliarde Euro zur Verfügung stellen, um disruptive grüne Technologien zu fördern.
Deeptech beschreibt Bereiche, in denen Technologie eingesetzt wird, um Herausforderungen in der Wissenschaft oder in der Industrie zu meistern. Von den Investitionen des Ministeriums sollen vor allem Unternehmen profitieren, die sich gerade in der Wachstumsphase befinden und langfristige Investments benötigen. Für den Fonds ist eine Laufzeit von mindestens 25 Jahren geplant.
Das Kalkül: Dadurch, dass der Staat mit an Bord ist, sollen auch sonst noch nicht so aktive Mittelständler und Industrievertreter als Geldgeber einsteigen, die dann wiederum selbst von den Technologien profitieren könnten. Der Deeptech and Climate Fonds will sich deshalb vor allem darauf konzentrieren, Mittelstand und Industrie, aber auch Stiftungen als Investoren zu gewinnen. Klassische Wagniskapitalgeber werden allerdings nicht angesprochen.
Thomas Oehl, Mitgründer des Deeptech-Investors Vsquared Ventures, sieht diesen Ansatz kritisch. „Der Fonds ist gut gedacht, aber er braucht in der Praxis noch Optimierung“, sagt Oehl. Die Annahme, dass Deeptech mehr „geduldiges Kapital“, also langfristige Investitionen benötige, treffe nicht immer zu. „Es wäre schade, wenn man verfügbares Kapital von Wagniskapitalgebern ausschließt“, so Oehl. Das habe einen negativen Effekt für Deeptech-Gründerinnen und -Gründer.
Ministerium will Unternehmen in Deutschland halten
Aufseiten der Gründer hingegen stoßen die Pläne des Wirtschaftsministeriums auf Zustimmung. Unter ihnen ist Matthias Breitwieser. Sein Start-up Ionysis ist genau in dem Bereich tätig, den das Wirtschaftsministerium voranbringen möchte. Breitwieser hat das Unternehmen im September mit vier Mitgründern ins Leben gerufen. Sie haben eine neue, schadstoffärmere Technologie etwa für wasserstoffbetriebene Lkw entwickelt. Zwei deutsche mittelständische Unternehmen unterstützen Ionysis als strategische Investoren mit einer Frühphasenfinanzierung – mit dem Ziel, selbst von den Ideen des Start-ups zu profitieren.
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„Die Idee, eine Art staatliches Gütesiegel für die Unternehmen zu schaffen, halte ich für ziemlich überzeugend“, sagt der Gründer. Mittelständler, die bisher noch nie in Start-ups investiert hätten, könnten so motiviert werden einzusteigen.
Die Start-up-Beauftragte im BMWK, Anna Christmann (Grüne), will mithilfe des Fonds Unternehmen wie Ionysis auch dazu bewegen, in Deutschland zu bleiben. „Unternehmen sollen so bei ihrem Wachstum unterstützt werden, dass sie sich hier etablieren können“, sagt Christmann. Anders als bei vielen Wagniskapitalgebern soll das Ziel der Fondsmanager im Ministerium kein schneller lukrativer Verkauf sein. Vielmehr sollen laut Christmann möglichst viele Unternehmen bis zur Kapitalmarktreife begleitet werden, „um so den Standort Deutschland und Europa zu stärken“.
Der globale Markt für Klimatechnologie bietet großes Wachstumspotenzial. Laut dem „Digitalreport“ des European Center for Digital Competitiveness wird der Gesamtmarkt für Greentech bis 2030 rund 1,2 Billionen US-Dollar umfassen. Die Forderung des Reports lautet deshalb: „Es braucht eine massive Förderung von Greentech-Start-ups in Deutschland.“
Klimaschutz ist wichtiger Aspekt bei den Investitionen
Ob das Geld des Wirtschaftsministeriums ausreicht, um Deutschland zu einem führenden Standort für grüne Technologien zu machen, wird wohl auch davon abhängen, ob genug privates Kapital zur Kofinanzierung mobilisiert werden kann. Um den Deeptech and Climate Fonds soll ein Team entstehen, das gezielt Unternehmen anspricht, um sie für gemeinsame Investitionen zu gewinnen.
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Doch das könnte noch etwas dauern, denn in der Technologiebranche herrscht ein großer Fachkräftemangel. Die Geschäftsführung des Fonds zu besetzen hatte bereits länger gedauert, als es einige in der Start-up-Szene erwartet hatten.
Während Tobias Faupel bereits an der Entwicklung des Deeptech and Climate Fonds beteiligt war, stößt Elisabeth Schrey ab Februar in die Geschäftsführung hinzu.
Faupel und Schrey sollen umsetzen, was die Start-up-Strategie der Ampelkoalition im Juli versprochen hat. Demnach sollen Deeptech-Unternehmen gefördert werden, die „das Ziel verfolgen, durch eine effiziente Ressourcenverwendung die Klimaschutzziele zu erreichen“. Der noch von der Vorgängerregierung ins Leben gerufene „Deeptech Future Fonds“ (DTFF), der allerdings nie eine Investition tätigte, sollte somit also um den Klimaschutzaspekt erweitert werden.
Um Technologie voranzubringen und gleichzeitig Klimaschutz zu ermöglichen wolle das Ministerium die Standortvorteile Deutschlands im Industriebereich nutzen und sich auf Hardwareanwendungen fokussieren, erklärt Christmann.
So könnten Industrie und Start-ups voneinander profitieren. Denn auch die Industrie hat einen Schatz, der oft noch ungehoben ist, aber viel Potenzial für Technologieanwendungen bietet. Fonds-Geschäftsführerin Schrey betont: „Deutschlands Mittelstand hat exzellente Industriedaten, die mithilfe von Künstlicher Intelligenz gut zur Prozessautomatisierung verwendet werden könnten.“
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