Feb 2, 2023
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Norderweiterung: Schweden und Finnland wollen nur gemeinsam in die Nato

Written by Ozan Demircan


Ulf Kristersson und Sanna Marin

Der schwedische Ministerpräsident empfängt seine finnische Amtskollegin in Stockholm.


(Foto: via REUTERS)

Stockholm, Ankara Finnland und Schweden wollen der Nato gemeinsam beitreten. Das machten die finnische Regierungschefin Sanna Marin und Schwedens Ministerpräsident Ulf Kristersson nach einem Treffen in Stockholm am Donnerstag deutlich. „Der Weg in die Nato muss Hand in Hand geschehen“, bestätigte Marin und erteilte damit Mutmaßungen eine Absage, Finnland könne allein der Nato beitreten.

Der schwedische Regierungschef räumte ein, dass die Koranverbrennung in Stockholm und andere Proteste gegen die Türkei in den letzten Wochen dem Beitrittsprozess geschadet hätten. „Der Protest kleiner Gruppen und einzelner Personen schadet uns sehr“, sagte er.

Abseits der Mikrofone sind andere Zwischentöne zu vernehmen. Deutlich wird, dass Finnland weiter ist als Schweden – und die Regierung in Stockholm weitere Schritte unternimmt, um bald der Nato beizutreten.

Die Türkei sperrt sich bislang, dem Beitritt beider Länder zuzustimmen. Vor allem Schweden erfülle nicht die türkischen Forderungen. Die wichtigsten Fragen zu den Problemen des Nato-Beitritts von Finnland und Schweden: 

Wie steht Finnland zu einem eventuellen alleinigen Beitritt?

Während die Regierung in Helsinki betont, dass man gemeinsam mit Schweden der Nato beitreten wolle, ist die Stimmung in der Bevölkerung eine andere: Eine gerade veröffentlichte Umfrage der Tageszeitung „Ilta-Sanomat“ ergab, dass 53 Prozent der Befragten den Nato-Beitritt nicht vom schwedischen Zeitplan abhängig machen wollen. 

Finnlands Regierungschefin Sanna Marin

Die Regierung in Helsinki will nur gemeinsam mit Schweden der Nato beitreten.


(Foto: via REUTERS)

Für Verwirrung sorgte vergangene Woche eine Aussage von Außenminister Pekka Haavisto. Finnland könnte gezwungen sein, den Beitritt ohne Schweden zu erwägen, sollten sich die Verhandlungen als äußerst zäh erweisen. Wenig später ruderte er zurück und sagte, dass ein gemeinsamer Beitritt weiterhin das Ziel sei.

Wo ist Schweden der Türkei entgegengekommen?

Am Donnerstag gab der schwedische Justizminister Gunnar Strömmer bekannt, dass die Antiterrorgesetze von Juni dieses Jahres an verschärft werden. Künftig können die Sicherheitsbehörden gegen Personen vorgehen, die terroristische Organisationen unterstützen. Das neue Gesetz ist ein Zugeständnis an die Türkei.

Die türkische Regierung hat die Auslieferung von 73 Mitgliedern der in der EU verbotenen PKK verlangt. Später verlängerte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan die Liste um weitere 57 Namen. Auch soll die Unterstützung der Organisation YPG/PYD- und Gülen-Bewegung beendet werden, fordert die Türkei.

>> Lesen Sie hier: Erdogan nutzt Streit über Nato-Norderweiterung für seinen Wahlkampf

Im Dezember stoppte der Oberste Gerichtshof in Stockholm die von der schwedischen Regierung beschlossene Auslieferung des türkischen Exiljournalisten Bülent Kenes. Er soll, so der Vorwurf Ankaras, Mitorganisator des Putschversuchs 2016 gewesen sein. Die vom Gericht gestoppte Auslieferung bezeichnete der türkische Außenminister als „sehr negativ“. Entgegengekommen ist Schweden der Türkei dagegen bei Waffenlieferungen. Erstmals seit 2019 genehmigte die für Militärexporte zuständige Behörde die Ausfuhr von militärischer Ausrüstung.

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Wie sieht die Unterstützung des Nato-Beitritts bei den Wählerinnen und Wählern in beiden Ländern aus?

In Finnland sprechen sich fast 80 Prozent der Befragten für einen Nato-Beitritt aus. Auch in den Parteien gibt es große Einigkeit. In Schweden waren im Dezember vergangenen Jahres 68 Prozent der Wählerinnen und Wähler für einen Beitritt. Knapp über 20 Prozent lehnen eine Nato-Mitgliedschaft weiterhin ab. Im Parlament ist nur die Linkspartei gegen den Schritt.

Gibt es Akteure, die den Nato-Beitritt mit unterschiedlichen Aktionen verhindern wollen?

Ja, die Koranverbrennung vor der türkischen Botschaft durch einen rechtsextremen Politiker war auch als Protest gegen den Nato-Beitritt Schwedens geplant. Der schwedische Aktivist und Journalist Chang Frick hatte die Versammlungsgebühr für den Auftritt des Rechtsextremen bezahlt. Frick distanzierte sich später von der Koranverbrennung, räumte aber ein, dass er öfter für den Kreml-nahen TV-Kanal Ruptly arbeitet.

Wird sich am Widerstand der Türkei nach den Wahlen im Land etwas ändern?

In der Türkei werden voraussichtlich am 14. Mai das Parlament und der Präsident des Landes neu gewählt. Staatschef Erdogan bemüht sich um eine Wiederwahl, liegt jedoch teils hinter seinen Gegenkandidaten. Überdies musste Erdogan feststellen, dass seine Beliebtheitswerte mit der Nato-Blockade nicht gestiegen sind. 

Recep Tayyip Erdogan

Der türkische Präsident bangt um seine Wiederwahl.


(Foto: via REUTERS)

Der türkische Ex-Diplomat und Politikwissenschaftler Oğuz Çelikkol argumentiert, Ankara sei nicht grundsätzlich gegen die Nato-Erweiterung oder die Mitgliedschaft Schwedens oder Finnlands. „Sondern die Regierung plädiert vor allem für die Unterstützung seines jahrzehntelangen Kampfes gegen Terroristen im In- und Ausland.“

>> Lesen Sie hier: Urnengang am 14. Mai – Wie Erdogan seine Abwahl jetzt noch verhindern will

Erdogan hatte allerdings Ende Januar angesichts der Koranverbrennung durch einen islamfeindlichen Provokateur in Stockholm gesagt, Schweden könne nicht mit der Unterstützung der Türkei für einen Nato-Beitritt rechnen. Insofern ist damit zu rechnen, dass sich Erdogans Haltung auch im Falle eines Wahlsieges nicht ändern wird. Auch ein Großteil der türkischen Opposition liegt bei dem Thema auf Regierungslinie. Sollte Erdogan abgewählt werden, ist ein Nato-Beitritt Schwedens und Finnlands ebenfalls ungewiss.

Haben die engen Beziehungen Ankaras zu Moskau einen Einfluss auf die Entscheidung der Türkei?

Einen konkreten Einfluss sehen Beobachter nicht. Doch Kremlchef Wladimir Putin hat ein Interesse am türkischen Veto – und einen Hebel gegenüber Erdogan in der Hand. Die beiden Staaten sind über ein umfassendes Netz an Handelsbeziehungen verbunden. Außerdem hat Russland der Türkei einen Nachlass auf Erdgasimporte in Höhe von 25 Prozent gegeben; darüber hinaus eine Milliarden-Vorauszahlung für den Bau eines Kernkraftwerkes in der Türkei. Geld, das Staatschef Erdogan vor den Wahlen gut gebrauchen kann.

Welche Vorteile hat die Nato von einem Beitritt der beiden Staaten?

Für die Nato wäre der Beitritt der beiden Länder eine willkommene Verstärkung. Besonders Finnland würde die Nato mit 23.000 Berufssoldaten und 280.000 Wehrpflichtigen deutlich verstärken. Außerdem verfügt das Land über 870.000 Reservisten. Schweden hat bedeutend weniger aktive Soldaten, kann dafür aber mit einem „unsinkbaren Flugzeugträger“ aufwarten. So wird humorvoll die größte Insel in der Ostsee, Gotland, genannt. Nur rund 300 Kilometer sind es von der Insel bis zur lettischen Hauptstadt Riga. Die Insel hat deshalb eine große strategische Bedeutung für die Kontrolle der Ostsee und eine eventuelle Verteidigung der baltischen Länder.

Mehr: Der neue Rüstungsgigant – Türkei wird für die Nato zum Problem



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Politik

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