Feb 8, 2023
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Fachkräftemangel: Experten sehen Nachbesserungsbedarf bei geplanter Einwanderungsreform

Written by Dietmar Neuerer


Auszubildende aus Vietnam

Die Bundesregierung hofft auf den verstärkten Zuzug von Fachkräften aus Ländern außerhalb der EU.



(Foto: dpa)

Berlin Arbeitsmarktforscher und Migrationsexperten sehen noch Nachsteuerungsbedarf und offene Fragen bei der von der Bundesregierung geplanten Einwanderungsreform. Die Vorschläge gingen zwar in die richtige Richtung, reichten aber nicht aus, um die Fachkräftelücke zu decken, schreibt der Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), Bernd Fitzenberger, in einem aktuellen Beitrag. Unter anderem schlägt er vor, auch den Zugang zu reglementierten Berufen zu erleichtern, beispielsweise im medizinischen Bereich.

Die Pläne der Ampelkoalition sehen unter anderem vor, dass bei der Frage, ob jemand zum Arbeiten nach Deutschland kommen darf, künftig stärker auf die Berufserfahrung abgehoben wird als auf die formale Qualifikation. Fachkräfte mit anerkanntem Abschluss sollen zudem auch jenseits ihres erlernten Berufs arbeiten dürfen.

Außerdem will die Regierung ein Punktesystem einführen, dass Ausländern, die noch kein konkretes Jobangebot haben, die Einreise zur Arbeitssuche ermöglichen soll. Das Bundeskabinett soll im März den vom Arbeits- und Innenministerium erarbeiteten Gesetzentwurf verabschieden.

Laut Fitzenberger haben die Nettozuwanderung und der Anstieg der inländischen Erwerbsbeteiligung die alterungsbedingten Rückgänge des Erwerbspersonenpotenzials bisher mehr als ausgeglichen. Auch im laufenden Jahr dürfte es noch um 175.000 Personen zunehmen. Doch um das Erwerbspersonenpotenzial auch längerfristig stabil zu halten, müssten jährlich netto 400.000 Menschen zuwandern.

Dabei dürfe man nicht zu sehr darauf bauen, dass ausreichend EU-Bürger kommen, weil viele europäische Länder inzwischen ähnliche demografische Probleme hätten wie Deutschland oder eine bessere wirtschaftliche Entwicklung den Abwanderungsdruck lindere. Umso mehr komme es auf die Einwanderung aus Drittstaaten an.

Forderung nach Erleichterungen für Ärzte, Ingenieure und Anwälte

Bei der Zuwanderung zu Erwerbszwecken gibt es laut Fitzenberger aber noch viel Luft nach oben. Kamen in der ersten Hälfte der 2010er-Jahre weniger als 40.000 Personen jährlich, so stieg die Zahl bis 2019 auf gut 60.000 an. 2020 trat zwar das Fachkräfteeinwanderungsgesetz in Kraft, doch coronabedingt sank die Zahl der Erwerbsmigranten auf nur rund 30.000 Personen.

Da es auch in vielen reglementierten Berufen, zu denen beispielsweise Ärzte, Ingenieure oder Anwälte zählen, Fachkräfteengpässe gebe, sollte die Einwanderungsreform auch hier Erleichterungen vorsehen, schlägt Fitzenberger vor. Beispielsweise ließe sich auch hier Berufserfahrung stärker gewichten, denkbar wäre auch eine Probebeschäftigung.

Beim geplanten Punktesystem sollte die Bundesregierung zudem auch gute Englischkenntnisse berücksichtigen, schreibt der IAB-Direktor. Denn die deutsche Sprache sei für viele Einwanderer eine hohe Hürde, und bei vielen Tätigkeiten komme man auch mit Englisch gut klar.

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Laut Referentenentwurf sollen Punkte für Deutschkenntnisse, Berufserfahrung, Alter und Deutschlandbezug vergeben werden. Wer genug Punkte sammelt, erhält eine sogenannte „Chancenkarte“ und kann auch ohne konkretes Jobangebot zur Arbeitssuche einreisen.

Der Politikwissenschaftler Holger Kolb, Stellvertreter der Geschäftsführung des Sachverständigenrats für Integration und Migration, sieht die Chancenkarte insgesamt aber skeptisch. Qualifizierte Jobinteressenten machten heute schon von der Möglichkeit Gebrauch, mit einem Schengen-Visum nach Deutschland einzureisen, sagte Kolb bei einer Veranstaltung des Personaldienstleisters Peag in Berlin.

Sie dürften dann hier zwar nicht arbeiten, aber durchaus Vorstellungsgespräche führen. Erhielten sie dann ein Jobangebot, müssten sie zwar zunächst wieder ausreisen. Verfügten sie über einen Berufsabschluss und ausreichend Erfahrung, dürften sie nach der geplanten Gesetzesnovelle aber anschließend zum Arbeiten wiederkommen. Insofern stelle sich die Frage, welchen Zusatznutzen die Chancenkarte bringen solle.

Mehr: Die Einwanderungsillusion – warum uns mehr Zuwanderung nicht vor dem Arbeitskräftemangel bewahren wird



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Politik

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