Feb 9, 2023
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Migration: Die EU setzt auf Abschottung

Written by Carsten Volkery


Polnische Grenze

Mehrere Staaten bauen mittlerweile Zäune an den EU-Außengrenzen.


(Foto: imago images/NurPhoto)

Brüssel Die EU-Länder wollen stärker gegen illegale Einwanderer vorgehen. Auf ihrem Sondergipfel plädierten mehrere Regierungschefs für einen härteren Kurs. „Wir müssen in der ganzen Europäischen Union die Asylbremse anziehen“, sagte der österreichische Kanzler Karl Nehammer am Donnerstag in Brüssel. Das Problem der irregulären Migration sei „in vollem Umfang zurück“.

Nehammer forderte mehr Geld für die Länder mit EU-Außengrenzen. Diesen Staaten müsse signalisiert werden, dass sie nicht alleingelassen werden, sagte der Österreicher. „Bulgarien zum Beispiel braucht konkrete Hilfe.“ Auch müsse man die Rückführungen von abgelehnten Asylbewerbern beschleunigen. 

Der niederländische Regierungschef Mark Rutte forderte ebenfalls schnelles Handeln, weil die Asylbewerberzahlen in vielen Ländern stiegen. Es reiche nicht, wie 2016 einen großen Deal mit der Türkei zu machen, sagte Rutte. Damals hatte die EU mit Ankara vereinbart, Millionen Kriegsflüchtlinge aus Syrien in türkischen Flüchtlingslagern unterzubringen. Dieses Mal brauche es viele kleine Maßnahmen, um die Migration „unter Kontrolle zu bringen“, sagte Rutte.

Es ist das erste Mal seit 2018, dass das Thema Migration wieder größer auf einem EU-Gipfel diskutiert wird. Österreich und die Niederlande hatten das Krisentreffen gefordert. Schweden, das im ersten Halbjahr 2023 die EU-Ratspräsidentschaft innehat, und Italien wollen das Thema ebenfalls zur Priorität der EU machen. Die neue schwedische Mitte-rechts-Koalition von Ulf Kristersson regiert mit der Unterstützung der rechten Schwedendemokraten, in Italien ist seit einigen Monaten die Postfaschistin Giorgia Meloni an der Macht.

Auch in Deutschland drängt das Thema nach oben. Die Kommunen klagen, dass die Belastung schon wieder so hoch sei wie während der Flüchtlingskrise 2015/2016. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat daher für kommende Woche zum Flüchtlingsgipfel mit Ländern und Kommunen eingeladen.

Flüchtlingszahlen teils höher als 2016

Tatsächlich ist die Zahl der Flüchtlinge in der EU aufgrund des Ukrainekriegs vielerorts höher als 2016. Allein in Deutschland leben mehr als eine Million Ukraine-Flüchtlinge. Die Ukrainerinnen und Ukrainer müssen kein Asyl beantragen, sie erhalten in der gesamten EU vorläufigen Schutz.

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Hinzu kommen steigende Zahlen an Asylbewerbern aus anderen Ländern. Im vergangenen Jahr beantragten knapp eine Million Menschen Asyl in der EU. Laut EU-Kommission haben 60 Prozent der Antragsteller kein Recht auf internationalen Schutz, müssten also wieder abgeschoben werden. Doch bei den Abschiebungen tun sich die EU-Regierungen seit Jahren schwer, weil Ausweisdokumente fehlen oder einzelne Herkunftsländer ihre Staatsbürger nicht zurücknehmen wollen.

>> Lesen Sie hier: „Belastungsgrenze vielfach überschritten“ – Kommunen sorgen sich um gesellschaftlichen Zusammenhalt

Im Entwurf der Gipfelerklärung fordern die Regierungschefs nun, auch die Visapolitik als Druckmittel einzusetzen, um die Herkunftsländer zur Kooperation zu bewegen. Zum Beispiel könnten die Staaten die Erteilung von Visa für die Bürger eines Landes erschweren, wenn dessen Regierung abgelehnte Asylbewerber nicht zurücknimmt. Die EU müsse alle relevanten Instrumente, darunter Diplomatie, Entwicklungshilfe, Handel und Visa, als Hebel einsetzen, um die Rückführungen sicherzustellen, heißt es im Entwurf.

Neue EU-Mittel für Grenzinfrastruktur

Außerdem versprechen sie „effektivere Kontrollen der Außengrenzen“. Dazu beitragen können Grenzzäune. Mehrere Länder haben bereits mit dem Bau begonnen, nun sollen zusätzliche europäische Finanzhilfen fließen. Das Wort Zaun findet sich im Erklärungsentwurf nicht, weil einige Staaten, darunter Deutschland, dagegen sind. Stattdessen sollen Gelder für „Infrastruktur, Überwachung und Ausrüstung“ bereitgestellt werden.

>> Lesen Sie hier: So will die EU die Zahl der Abschiebungen steigern

Österreichs Kanzler Nehammer zeigte sich zufrieden mit dem Entwurf. „Entscheidend ist, dass Geldmittel zur Verfügung gestellt werden“, sagte er. „Ob die einen dazu Zaun sagen und die anderen technische Infrastruktur – entscheidend ist, dass Bulgarien geholfen wird.“ Er mahnte, dass auch in zusätzliche Grenzschützer investiert werden müsse, denn: „Jeder Zaun ist nur so gut, wie er auch überwacht wird.“

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte, zur Zaunfrage habe man „gute gemeinsame Formulierungen“ gefunden. Um die Zahl der Rückführungen zu erhöhen, müsse man zu einer Verständigung mit den Herkunftsstaaten kommen. Er hoffe, dass bis Ende des Jahres eine gemeinsame Linie stehe. Es sei nicht sinnvoll, sich jetzt mit Beschlüssen von Gipfel zu Gipfel zu hangeln.

Karl Nehammer

Der österreichische Bundeskanzler fordert Hilfe für die Länder an den EU-Außengrenzen.



(Foto: dpa)

Die neue Abschiebediskussion kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Grundkonflikt zwischen den Transitländern und den Zielländern in der EU bestehen bleibt. Länder wie die Niederlande pochen auf die Einhaltung des Dubliner Abkommens, demzufolge Flüchtlinge ihren Asylantrag in dem Land stellen müssen, in dem sie erstmals europäischen Boden betreten.

Der Druck auf Italien, Griechenland und Co. wächst, jeden Flüchtling zu registrieren. Dafür fordern die Mittelmeerländer mehr Unterstützung bei der Registrierung und Unterbringung sowie eine europäische Verteilung von Flüchtlingen. Letzteres scheitert jedoch regelmäßig im EU-Rat. Eine nachhaltige Lösung für die Migration ist weiterhin nicht in Sicht.

Mehr: Woher Flüchtlinge nach Deutschland kommen – die wichtigsten Fakten in zwölf Grafiken



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