Jetzt will die US-Regierung ein Signal der Stärke sowohl an Wladimir Putin als auch an die eigenen Verbündeten senden und den Führungswillen der USA innerhalb der westlichen Allianz demonstrieren. Biden, das erklärte das Weiße Haus am Freitag, werde unmittelbar vor dem Jahrestag nach Polen fliegen und die „brutale Invasion“ in den Fokus der Weltöffentlichkeit rücken.
Vom 20. bis 22. Februar, so der Zeitplan, trifft sich Biden mit dem polnischen Präsidenten Andrzej Duda und den Staats- und Regierungschefs der „Bukarest Neun“, der Nato-Verbündeten in Osteuropa. Dazu gehören unter anderem Bulgarien, die Tschechische Republik und Estland, die Gruppe gründete sich 2014 nach der russischen Annexion der Krim.
Biden werde in Warschau seine „unerschütterliche Unterstützung“ für die Ukraine zusichern, hieß es weiter.
Offen blieb zunächst, ob Biden erstmals seit Kriegsbeginn die Ukraine besuchen werde wie schon mehrere europäische Staats- und Regierungschefs. Im Mai vergangenen Jahres hatte die First Lady Jill Biden die Ukraine betreten, nahe der slowakischen Grenze, auch fliegen Delegationen aus dem US-Kongress regelmäßig nach Kiew.
Direkten Konflikt mit Putin unbedingt vermeiden
Ein Auftritt Bidens auf der Münchner Sicherheitskonferenz steht bislang nicht auf dem Programm, dort soll Vizepräsidentin Kamala Harris die USA vertreten. An diesem Dienstag treffen sich zudem die Ukraine-Kontaktgruppe und die Nato-Verteidigungsminister in Brüssel. In den kommenden Wochen dürften sich die Verbündeten der Ukraine verstärkt um gemeinsame Strategien bemühen, denn die Anzeichen für eine russische Großoffensive rund um den Jahrestag verdichten sich.
Polen ist ein wichtiger Nato-Verbündeter für die USA, das Land beherbergt Tausende amerikanische Soldaten und dient als Drehscheibe für westliche Waffentransfers in die Ukraine. Strategisch sei der Polenbesuch von Biden klug, sagte Peter Rough, Direktor des Europazentrums an der konservativen Washingtoner Denkfabrik Hudson Institute.
„Wann immer dieser Krieg endet, werden Polen und die Ukraine vermutlich mit die mächtigsten Streitkräfte Europas haben. Sie bilden den Kern eines neuen Blocks osteuropäischer Staaten, der mit amerikanischer Unterstützung stark ist“, so der frühere Berater von Ex-Präsident George W. Bush.
Biden hatte im März 2022, kurz nach Ausbruch des Kriegs, Polen besucht und gefordert, dass Putin „nicht an der Macht bleiben kann“. Das Weiße Haus erklärte damals, der US-Präsident habe nicht zu einem Regimewechsel aufrufen wollen. Die schnelle Klarstellung verdeutlichte, wie sehr Washington daran gelegen ist, einen direkten Konflikt zwischen Russland und den USA zu vermeiden.
In diesem Jahr möchte der Präsident „über die Entschlossenheit und Einheit der internationalen Gemeinschaft für die Unterstützung der Ukraine sprechen“, erklärte John Kirby, Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats im Weißen Haus. Eine ähnliche Botschaft setzte Biden gerade in seiner Rede zur Lage der Nation. „Wir werden so lange zur Seite stehen, wie es dauert“, sagte der US-Präsident vergangene Woche vor dem US-Kongress. Amerika habe „die Nato vereint und eine globale Koalition aufgebaut“.
Selenski fordert Kampfjets, der Westen zögert
Der Besuch in Polen findet zu einem sensiblen Zeitpunkt statt. In den USA und Europa stellt man sich auf einen langen, harten Winter für die Ukraine ein. „Bis Verhandlungen auch nur ansatzweise realistisch sind, gibt es kein schnelles Szenario für ein Ende des Kriegs“, erläutert Experte Rough. „Ziel der US-Regierung ist es, die Ukraine in eine starke Verhandlungsposition zu bringen, wann auch immer diese Gespräche kommen mögen und unter welchen Umständen sie erfolgen.“
Doch die Vorstellungen über das westliche Engagement für die Ukraine gehen auseinander. Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski fordert mehr militärische Hilfe und moderne Waffen, einschließlich Kampfjets, um russische Vorstöße abwehren zu können. Vergangene Woche besuchte Selenski London, Paris und Brüssel, um seine Anliegen persönlich vorbringen zu können.
Kurz vor Weihnachten war er nach Washington geflogen und trat vor dem US-Kongress auf. Während die britische und die französische Führung offen für die Entsendung von Kampfflugzeugen sind, lehnen die USA und Deutschland Kampfjets ab. Im Januar hatten sich Großbritannien, Deutschland, die USA und andere Länder zur Lieferung von Kampfpanzern bereit erklärt.
Seit Ausbruch des Kriegs haben die USA rund 27 Milliarden US-Dollar an Militärhilfen für die Ukraine genehmigt, darunter für Kampffahrzeuge, Militärtrucks, minenresistente Fahrzeuge sowie das Raketenabwehrsystem Patriot. Teile der Republikaner, die seit Januar das Repräsentantenhaus im US-Kongress dominieren, wollen die Ukrainehilfen allerdings blockieren. Im Streit über die Anhebung der Schuldengrenze könnte der Verteidigungshaushalt zur Verhandlungsmasse werden.
Allerdings gibt es auch genügend Republikaner, denen das Engagement nicht weit genug geht und die Kampfjets für zwingend notwendig halten. Je länger der Krieg andauert, desto mehr muss Biden auch in der Bevölkerung für Rückhalt werben: Bislang unterstützt eine Mehrheit der US-Bürger die Gelder für die Ukraine, doch laut Umfragen sinkt der Rückhalt.
Für die Biden-Regierung ist jede Entscheidung zur Ukraine ein Balanceakt. So wollen die USA etwa keine Waffen mit größerer Reichweite, die tief in Russland eindringen können, in das Kriegsland schicken. Denn das könnte die USA und ihre Verbündeten in einen direkten Konflikt mit Putin reißen. „Das würde die Nato zersprengen“, so drückte es Biden einmal aus.
Dennoch hält sich das Weiße Haus alle Optionen offen. Der Präsident werde in Polen „deutlich machen, dass zusätzliche Hilfe für die Ukraine aus den Vereinigten Staaten kommen werden“, betonte Sprecher Kirby.
Mehr: Ex-CIA-Chef – „Der Krieg wird mit einer Verhandlungslösung enden“
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