Wer seine Arbeiter nach Deutschland schicken will, muss sich dafür mit bürokratischen Fallstricken auseinandersetzen.
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Berlin Ob in der Bauwirtschaft oder Industrie: Das Entsenden von Arbeitskräften in andere EU-Länder gehört für viele Unternehmen zum Alltag. Doch oft ist damit riesiger Aufwand verbunden.
Das stellt zumindest eine Studie im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen fest, die dem Handelsblatt exklusiv vorliegt. Demnach ist es komplizierter als nötig, Arbeitskräfte im Gastland anzumelden. Die Wirtschaft leide unter einem „Regelungswirrwarr“, schreiben die Studienautoren.
Befragte Unternehmen sprechen angesichts der komplexen Vorgaben und Ausnahmen sogar von einer „Art von Protektionismus“. Aufwand und Kosten seien enorme Hürden für einen Marktzugang.
Der Vorstand der Stiftung Familienunternehmen, Rainer Kirchdörfer, hält den flexiblen Einsatz von Arbeitskräften für unabdingbar. „Die Gesetzgeber in den Mitgliedstaaten träufeln lähmenden Bürokratismus in diesen dynamischen Prozess“, meint er. „Wir brauchen jetzt schlanke und einheitliche Regelungen.“
Natürlich hat die Stiftung Familienunternehmen ein Eigeninteresse an weniger Regulierung. Aber die Kritik gibt es schon länger – auch durch andere Stellen.
Wirtschaftsministerium räumt Probleme ein
Tatsächlich ist die Entsendung eine Art Bürokratie-Klassiker. So warnt die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), die Wirtschaft bei der Entsendung nicht mit Bürokratie zu überlasten. Die Industrie- und Handelskammern verweisen ebenfalls auf hohe bürokratische Hürden. Hier belegten zuletzt Umfragen mit Blick auf Frankreich große Herausforderungen bei den Entsendeformalitäten.
Auch das Bundeswirtschaftsministerium räumt Probleme ein. Die Entsenderegeln seien „zunehmend eingeschränkt“, schreibt das Ministerium auf seiner Seite. Viele Unternehmen klagten, es sei „einfacher, Mitarbeiter nach China zu entsenden als in manche europäischen Nachbarländer“.
Grundlage der Probleme ist die EU-Entsenderichtlinie – zumindest die verschärfte Form, die bis Mitte 2020 in nationales Recht umgesetzt werden musste. Der Grundgedanke: Für die entsandten Arbeitskräfte sollen bei Lohn, Arbeitszeiten und Sicherheit am Arbeitsplatz die gleichen Bedingungen gelten wie für die Mitarbeiter im Gastland. Das soll Lohn- und Sozialdumping verhindern.
Für die Entsendung nach Frankreich brauchen die Unternehmen der Studie zufolge besonders viel Zeit.
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Zudem soll zwischen den Unternehmen in den Mitgliedstaaten ein fairer Wettbewerb herrschen. Wie viele Entsendungen es derzeit gibt, wird EU-weit nicht erfasst.
Die Entsendung darf nur zwölf Monate dauern, mit besonderer Begründung bis zu 18 Monate. Kürzere Dienstreisen müssen ebenfalls angemeldet werden, mit der A1-Bescheinigung, die wiederum ein anderer Vorgang ist.
Wer Mitarbeiter entsenden will, muss vorher eine elektronische Meldung im betreffenden EU-Mitgliedsland einreichen. Damit haben die Unternehmen schwer zu kämpfen, zeigt die Studie, für die das Centres for European Policy Network (CEP) und die Prognos AG die Meldepflichten in Deutschland, Österreich, Frankreich und Italien verglichen und Unternehmen und Experten dazu befragt haben.
Frankreich macht es Unternehmen besonders schwer
Besonders mühsam ist laut Analyse das Entsenden von Arbeitnehmern nach Frankreich. Dafür muss ein Unternehmen im Schnitt 80 Minuten Bearbeitungszeit einkalkulieren. Die Bearbeitungszeiten für Entsendungen nach Deutschland und Österreich liegen bei 66 Minuten, nach Italien bei 71 Minuten.
Der Grund: Die Staaten fordern von den Firmen vielfältige Angaben, aber jeweils unterschiedliche. So wollen etwa Österreich und Frankreich die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer wissen, Italien das Geburtsdatum des Arbeitnehmers, Österreich die Sozialversicherungsnummer.
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Ebenfalls ein Hemmnis sind die Sprachvorgaben. So akzeptiert Italien ausschließlich Mitteilungen auf Italienisch.
Gerade Familienunternehmen ärgern sich über unnötige und kostspielige Regularien. Jörg Pohlman, geschäftsführender Gesellschafter der Klebetechnik-Firma Lohmann, kritisiert: „Das kostet viel Zeit, Geld und Nerven.“ Die Unternehmen seien durch den Ukrainekrieg und die Energiekrise ohnehin schon belastet. „Von den Regierungen erwarte ich einen deutlichen Abbau von Bürokratie.“
Kaum Aussicht auf Besserung
Doch schnelle Änderungen sind nicht in Sicht: Die Ampelkoalition hat im Koalitionsvertrag eine „bürokratiearme Umsetzung“ des deutschen Arbeitnehmer-Entsendegesetzes versprochen.
Konkret passiert ist bislang noch nichts. Auf Anfrage teilte das Bundesarbeitsministerium mit, es engagiere sich auf europäischer Ebene „für die Einführung eines europaweit einheitlichen elektronischen Zugangsportals für arbeitsrechtliche Entsendemeldungen und die Vereinfachung ihrer inhaltlichen Anforderungen“.
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