Köln Eine Seite. So lang ist das Wahlprogramm der republikanischen Fraktion im US-Abgeordnetenhaus. Allerdings ist das für die Republikaner schon großzügig, denn 2020 hatte die Partei zur Präsidentschaftswahl gar kein Programm veröffentlicht.
Orientierung bietet das den Wählern ohnehin kaum – weder bei den Republikanern noch bei den Demokraten. Teilweise unterscheiden sich die Forderungen auch innerhalb der beiden großen Parteien stark. Professor Christian Lammert vom Kennedy-Institute for North American Studies in Berlin sagt: „In den USA gibt es eigentlich 104 Parteien, eine Demokratische und Republikanische auf Bundesebene, jeweils 50 in den einzelnen Staaten und die beiden Parteien im Kongress, weil die sehr unabhängig sind.“
Trotz der Unterschiede finden sich in den Parteien auch wichtige Gemeinsamkeiten. Das Handelsblatt hat die einzelnen Wahlprogramme der Kongresskandidaten nach den Zielen der Parteien durchsucht. Lesen Sie hier die Ergebnisse:
Die Republikaner greifen in Wirtschaftsfragen auf bekannte Ansätze zurück. „Man könnte es vielleicht als ‚Entfesselung der Marktkräfte‘ beschreiben. Es geht um Steuersenkungen und die Lockerung der Umweltrichtlinien“, sagt Martin Thunert, Dozent für Politikwissenschaften am Heidelberg Center for American Studies.
Top-Jobs des Tages
Jetzt die besten Jobs finden und
per E-Mail benachrichtigt werden.
Sie geben den umfassenden Ausgabeprogrammen der Demokraten die Schuld an der hohen Inflation. Die republikanische Senatskandidatin aus Alabama, Katie Britt, nennt die „außer Kontrolle geratenen Ausgaben der Regierung“ als wichtigsten Grund für die hohe Inflation. Gleichzeitig fordert die Partei Steuersenkungen, die in ihren Augen dem Wachstum helfen würden.
Das Republican Study Committee (RSC) hat dafür im Sommer bereits einen Plan vorgelegt. Das RSC ist eine konservative Gruppe von Kongressabgeordneten und schreibt: „Der RSC-Haushaltsplan würde die Steuern in den nächsten zehn Jahren um 3,9 Billionen Dollar senken.“ Das wären knapp zehn Prozent der gesamten jährlichen Steuereinnahmen.
Midterms – US-Zwischenwahlen – Worum geht es?
Repräsentantenhaus
Bei den Zwischenwahlen am 8. November wählen die US-Amerikaner sämtliche 435 Abgeordnete im Repräsentantenhaus neu. Die Amtszeit der Abgeordneten ist grundsätzlich auf zwei Jahre beschränkt. Bisher haben die Demokraten dort 222 Sitze, die Republikaner 213. Zusammen mit dem Senat bildet das Repräsentantenhaus den Kongress.
Senat
Im Senat wählen die Amerikaner bei den Midterms nur ein Drittel der 100 Sitze neu – insgesamt 35. Von den nun zur Wahl stehenden Sitzen sind 14 bisher von Demokraten und 21 von Republikanern besetzt. Derzeit verfügen die Republikaner im Senat über 50 Stimmen, die Demokraten über 48 und die Unabhängigen über zwei. Zusammen mit den Unabhängigen und der Stimme der Vizepräsidentin haben die Demokraten dennoch die Mehrheit.
Gouverneursposten in den Bundesstaaten
In 36 der insgesamt 50 Bundesstaaten wird am 8. November auch der Gouverneursposten neu gewählt, also die Staats- und Regierungschefinnen und -chefs der einzelnen Bundesstaaten. Von den Staaten mit Gouverneurswahlen sind bisher 20 von Republikanern geführt und 16 von Demokraten.
Zu den am heißesten umkämpften Staaten, die die Machtverhältnisse in Washington verschieben könnten, gehören Arizona, Florida, Georgia, Kansas, Nevada, New Hampshire, North Carolina, Ohio, Pennsylvania und Wisconsin.
Wie die Republikaner aber ihre Steuersenkungen finanzieren wollen, wird im Vorschlag des RSC nicht klar. Das entspricht einem Trend in der Partei, sagt Thunert: „Die Partei der Haushaltsdisziplin zu sein ist in der Trump-Zeit immer unwichtiger geworden. Sie greifen die Demokraten wegen deren Ausgabeprogrammen an, aber auch die Vorschläge der Republikaner sind nicht solide gegenfinanziert.“
>> Lesen Sie hier: Betrug, Geheimdokumente, Wahlbeeinflussung: Das sind Trumps aktuelle Probleme mit der Justiz
Konkrete Vorschläge fehlen allerdings auch bei den Demokraten. „Auf der Agenda von Biden für die zweite Hälfte seiner Amtszeit sehe ich noch nicht viel“, sagt Christian Lammert. Grundsätzlich ist US-Präsident Joe Bidens Agenda für wirtschaftliche Programme bereits abgearbeitet – auch wenn der Präsident dem konservativen Flügel seiner Partei viele Zugeständnisse machen musste.
Die Demokraten verweisen auf den „Inflation Reduction Act“, in dem sie sich unter anderem dem Plan einer globalen Mindeststeuer angeschlossen haben und die Preise für verschreibungspflichtige Medikamente senken wollen.
Doch trotz seines Namens hat das Gesetz wohl keinen Einfluss auf die Inflation. Das berechnet zumindest das parteiunabhängige Haushaltsbüro des Kongresses. Deshalb fordern einige Kandidaten, deren Wiederwahl gefährdet ist, weitere Schritte. Die Senatoren Mark Kelly und Maggie Hassan haben kürzlich einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der die Mineralölsteuer für den Rest des Jahres aufheben würde. Hohe Benzinpreise hatten den Umfragewerten der Demokraten schon im Frühjahr geschadet.
Der hohen Inflation zum Trotz haben Unterstützer von Demokraten eine andere Perspektive auf die Wirtschaft. In einer Umfrage der „New York Times“ sagten 36 Prozent der Demokraten-Wähler, die Wirtschaft sei in schlechter Verfassung. Wenig, verglichen mit den 79 Prozent der republikanischen Anhänger, die dieser Meinung sind.
Die Außenpolitik
In der Außenpolitik sind die USA weniger polarisiert als bei anderen Themen. Ein umfassendes Unterstützungsprogramm für die Ukraine wurde vom Senat im Mai mit 86 zu 11 Stimmen verabschiedet – also in sehr seltener Eintracht. Viel wird sich daran durch die Wahlen nicht ändern, prognostiziert Politikwissenschaftler Thunert. „Grade bei den Republikanern gibt es Russland-apologetische Positionen, aber die sind im Kongress in einer kleinen Minderheit. Und das wird vorerst so bleiben.“
Auch in Hinsicht auf China ähneln sich die Parteien: „Die Einschätzung Chinas als strategischer Gegner ist in beiden Parteien vorherrschend geworden“, erklärt Thunert.
>> Lesen Sie hier: „Wer mit Feuer spielt, der wird daran vergehen“: Xi warnt Biden vor Einmischung in Taiwan-Konflikt
Der Besuch von Nancy Pelosi, der Fraktionsvorsitzenden der Demokraten im Repräsentantenhaus, in Taiwan fand parteiübergreifend Zustimmung. Egal, welche Partei die Wahlen im November gewinnt, an der China-Politik der USA wird sich wenig verändern.
Die Handelspolitik
Mit einer Demokratischen Regierung in Washington hat sich die Rhetorik in der Handelspolitik geändert. Statt „America first“ wirbt Biden etwas vorsichtiger für „made in America“. Die US-Regierung soll künftig mehr Produkte kaufen, die in den USA gefertigt werden.
Insgesamt ähneln sich die Positionen der beiden Parteien aber auch in diesem Bereich. „Das ist nicht ‚America first‘, aber die globalen Produktionsketten werden infrage gestellt“, sagt US-Experte Lammert zu den Plänen der Demokraten. In ihrem Parteiprogramm zur Präsidentschaftswahl forderten die Demokraten 2020 „eine Handelspolitik, die die Arbeitnehmer in den Mittelpunkt stellt“.
Das klingt bei den Republikanern sehr ähnlich. Insbesondere der Trump-Flügel der Partei setzt auf das „America first“-Motto des ehemaligen Präsidenten. Der Senatskandidat Blake Masters, der von Trump und Paypal-Gründer Peter Thiel unterstützt wird, schreibt auf seiner Wahlkampfwebsite: „Unsere Handelspolitik muss den amerikanischen Arbeitnehmern höchste Priorität geben.“ Beide Parteien gehen damit auf Distanz zu großen Handelsabkommen. Viele Wähler geben diesen die Schuld dafür, dass Stellen in der Industrie und Produktion ins Ausland abgewandert sind.
Die Einwanderungspolitik
Über Donald Trumps größtes Wahlkampfversprechen streiten die Parteien auch. Die Mauer an der Grenze zu Mexiko ist für viele Kandidaten der Republikaner weiterhin ein wichtiger Punkt. Der von Trump geförderte Senatskandidat JD Vance fordert, dass der Bau vollendet wird. Im Grenzstaat Arizona will Blake Masters das Gleiche.
Andere Republikaner gehen in ihren Forderungen weiter. Nichts wäre dabei folgenreicher als das mögliche Ende der „Birthright Citizenship“, also des Rechts auf die US-Staatsbürgerschaft für alle, die in den USA geboren sind. Das RSC will dieses abschaffen.
>> Lesen Sie hier: „Stehen am Rand des Abgrunds“: Täglich neue Busse mit Migranten bringen New York ans Limit
Die Demokraten haben bei diesem Thema diverse Ansichten. Sie haben die Migrationspolitik Trumps scharf kritisiert, aber Kandidaten in Grenzstaaten wie Mark Kelly in Arizona fordern trotzdem mehr Ausstattung für die Grenzsicherung. Andere Kandidaten betonen die Bedeutung von Einwanderung für die Wirtschaft. Bei den Demokraten steht das Thema allerdings auch nicht so weit oben auf der Agenda, insbesondere bei jenen, die weit weg von der Grenze zu Mexiko zur Wahl stehen.
Die Abtreibungspolitik
Eines der wichtigsten Wahlkampfthemen der Demokraten ist Abtreibung. Seitdem der Supreme Court das Recht auf Abtreibung gekippt hat, haben die Demokraten in Umfragen aufgeholt. Tim Ryan, der Kandidat der Demokraten für den umkämpften Senatssitz aus Ohio, wirbt auf seiner Website damit, dass er das Recht auf Abtreibung mit einem landesweiten Gesetz garantieren möchte.
Viele Republikaner halten sich bei diesem Thema stärker zurück. Die Entscheidung des Supreme Court war zwar das Ergebnis jahrzehntelanger Arbeit, konservative Richter an den Supreme Court zu bringen, ist aber mehrheitlich unpopulär.
Fraktionschef McConnell sagte zu einem Vorschlag seines Parteifreunds Lindsay Graham, Abtreibungen landesweit nach der 15. Schwangerschaftswoche zu verbieten, dass seine Fraktion es vorziehe, wenn die Bundesstaaten die Abtreibungsgesetze machten.
Kriminalität
Seit 2014 steigt die Kriminalitätsrate in den USA wieder. 2020 war das erste Jahr seit 1995 mit mehr als 20.000 gemeldeten Tötungsdelikten. In den letzten Jahren haben die Republikaner auch deshalb ihr „Law and Order“-Profil betont.
Die Kandidaten der Partei werfen den Demokraten einen zu lockeren Umgang mit Kriminalität vor. Herschel Walker, republikanischer Senatskandidat in Georgia, schreibt auf seiner Website, die Demokraten hätten „die guten Leute in Uniform demoralisiert, ihre Mittel gekürzt und sie untergraben“. Er hingegen werde sich dafür einsetzen, dass die Polizei stärker unterstützt werde.
Die Demokraten versuchen, sich von diesem Eindruck zu distanzieren, ohne die Wortwahl der Republikaner zu übernehmen. Senatorin Maggie Hassan kämpft in New Hampshire gegen die Abwahl. Sie schreibt auf ihrer Website, sie sei stolz darauf, die Polizei zu unterstützen, und habe „dafür gestimmt, landesweit 100.000 neue Polizeibeamte einzustellen“.
Präsident Biden selbst hat sich bereits auf die Seite der Polizei gestellt. „Die Antwort lautet nicht, die Mittel für die Polizei zu kürzen, sondern sie zu erhöhen“, sagte der Präsident in Frühjahr, was zeigt, dass der Ruf „Defund The Police“ vom Motto der Protestbewegung gegen Polizeigewalt zu einem Slogan geworden ist, mit dem viele Demokraten nicht in Verbindung gebracht werden möchten.
Unter Trumps Anhängern in der Republikanischen Partei hat die Unterstützung für die Sicherheitsbehörden allerdings auch Grenzen. Nach der FBI-Durchsuchung von Trumps Anwesen in Florida forderte die Abgeordnete Marjorie Taylor Greene, die dem rechten Flügel der Republikaner angehört, die Mittel des FBI zu kürzen. Ihr Fraktionskollege Paul Gosar ging noch weiter: „Wir müssen das FBI zerstören“, schrieb der Abgeordnete aus dem Bundestaat Arizona auf Twitter. Trump hatte die Durchsuchung als politisch motiviert bezeichnet.
Mehr: Ron DeSantis – der große Hoffnungsträger der Republikaner
<< Den vollständigen Artikel: Zwischenwahlen: Vor den Midterms: Das sagen die beiden US-Parteien zu den wichtigsten Themen >> hier vollständig lesen auf www.handelsblatt.com.