Feb 16, 2023
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Immobilien: „Da brennt die Hütte“ – Bauministerin Geywitz bringt Bau- und Wohnungswirtschaft gegen sich auf

Written by Heike Anger

Berlin Noch Tage später ist Tim-Oliver Müller erbost. Der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Bauindustrie (HDB) kritisiert das Verhalten der Bundesbauministerin, sieht seine Branche als „Sündenbock“: Es möge zum politischen Spiel gehören, mit dem Finger auf andere zu zeigen, wenn es für ein Politikressort nicht so gut laufe. Aber während sich Bauherren, Bauwirtschaft, Planer, Immobilienbranche und selbst der Mieterbund einig seien, erkenne das Ministerium „die Lage nicht“.

Der Grund für die Aufregung: Mittwoch, der 8. Februar. Der Bundestag debattiert über die Krise am Wohnungsmarkt. Bundesbauministerin Klara Geywitz, eigentlich eine geschätzte Gesprächspartnerin der Branche, erklärt an diesem Nachmittag ihre Sicht der Dinge. „Das Büro für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag bescheinigt der Baubranche eine verhältnismäßig niedrige Produktivitätsentwicklung und eine geringe Innovationstätigkeit“, verkündete die SPD-Politikerin an die Abgeordneten gerichtet.

Und weiter: „Dort heißt es: Die Art und Weise, wie Bauwerke errichtet werden, ist in den letzten Jahrzehnten im Wesentlichen gleich geblieben. Mauerwerk und Beton bilden nach wie vor die hauptsächlichen Baustoffe. Und: Auch an der auf den Baustellen eingesetzten Maschinentechnik hat sich in den letzten zehn bis 15 Jahren kaum Grundlegendes geändert. Ich frage Sie: Fällt Ihnen noch eine andere Branche ein, wo es so ist, dass sich in den letzten 15 Jahren die Produktionstechnik nicht verändert hat? Nein!“

Es ist nur ein kurzer Moment, in dem die Ministerin viel Verständnis verspielt. Auch bei HDB-Hauptgeschäftsführer Müller: „Natürlich nehmen wir gern die Herausforderung an, besser, effizienter und klimagerechter zu bauen“, sagt er dem Handelsblatt. „Das ist unser Anspruch als Industrie.“ Keine andere Industrie in Deutschland werde jedoch so massiv in ihrem Planungs- und Produktionsprozess reguliert und eingeschränkt wie der Bau. Der Branche deshalb mangelnde Produktivität als alleinige Ursache vorzuwerfen sei „ein Treppenwitz“.

Geywitz“ Kritik löst nicht nur in der Bauindustrie Kopfschütteln aus. Auch in der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft macht sich Unbehagen über die Ministerin breit, auch wenn vordergründig freundliche Worte gewechselt werden. Vergangenen Dienstag überreicht ihr Andreas Mattner, Präsident des Spitzenverbands der Immobilienwirtschaft (ZIA), das Frühjahrsgutachten der Immobilienweisen, lobt die Ministerin dafür, „immer ein offenes Ohr“ zu haben, und fügt hinzu: „Aber zaubern kann sie auch nicht.“

Die Stimmung kippt

Dass sich Geywitz nicht wegduckt, sondern stets zum Gespräch bereitsteht, rechnen ihr viele in der Bau- und Immobilienwirtschaft hoch an. Doch die Stimmung kippt. Investitionen in der Wohnungswirtschaft seien so unattraktiv wie seit vielen Jahren nicht, so Mattner am Dienstag. Drastische Steigerungen bei den Baupreisen und den Zinsen hätten in den zurückliegenden Monaten Projektkalkulationen oft „regelrecht zerbröseln“ lassen. Der ZIA-Präsident warnt: „Da brennt die Hütte.“

Der Hinweis ist deutlich. Mattner erwartet unter anderem von der Ministerin, dass sie sich für Deregulierung einsetzt, zudem für einen schnellen Start der Neubauförderung mit einem Volumen von insgesamt zehn Milliarden Euro jährlich. Vorgesehen sind dagegen lediglich 1,1 Milliarden Euro. Davon sollen 350 Millionen für die Förderung klimafreundlicher Familien-Eigenheime zur Verfügung stehen. 750 Millionen Euro sind für alle anderen Antragsteller gedacht, etwa für Wohnungskonzerne oder Genossenschaften.

Stornierte Projekte

Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbands der Wohnungswirtschaft GdW, kritisiert ebenfalls Geywitz“ Absage, mehr Geld für Neubauten bereitzustellen: „Staatliche Förderung sollte immer die Ultima Ratio sein, aber in der aktuellen Krisenlage mit allseits explodierenden Kosten führt daran kein Weg vorbei.“ Die Aufgabe der Regierung sei es, „mit einem langfristigen Förderkonzept der Fehlentwicklung von immer weniger bezahlbarem und sozialem Wohnraum entgegenzuwirken“.

Die Vermutung in der Bau- und Wohnungsbaubranche: Geywitz wisse, dass sie nicht mehr Geld von Finanzminister Christian Lindner (FDP) erwarten könne. Deswegen erkläre sie seit Wochen: „Viel Geld hilft nicht viel.“ Ihre Argumentation: Auch 2021, als die Zinsen niedrig waren, es eine milliardenschwere Bundesförderung gab und keinen Krieg in der Ukraine, seien weniger als 300.000 Wohnungen fertiggestellt worden.

„Ich stimme der Bundesbauministerin Klara Geywitz zu, dass Förderung allein die Probleme nicht lösen wird“, sagt Bauindustrie-Lobbyist Müller. „Sie ist aber nötig, um bezahlbare Mieten zu erreichen.“

Angesichts hoher Zuwanderungszahlen und sinkender Bauinvestitionen wird Geywitz auf absehbare Zeit ihr Ziel verfehlen, dass jährlich 400.000 neue Wohnungen entstehen. Die Gründe reichen von Baukosten- und Zinssteigerungen über zusammengestrichene Fördermittel und lange Genehmigungszeiten bis hin zu ausufernden Bauvorschriften. „Die Lage ist bitter für die Bauunternehmen, die bauen wollen und können – aber keine Aufträge erhalten. Ein Schlag ins Gesicht für eine Industrie, die jahrelang aufgefordert wurde, neue Kapazitäten zu schaffen, um die Ziele der Politik zu realisieren“, sagt Müller.

Von einem „starken Dämpfer“ für die Baukonjunktur spricht der Berufsverband der Insolvenzverwalter (VID). „Nicht nur private Bauherren, sondern auch gewerbliche und öffentliche Auftraggeber stellen Bauprojekte zurück oder stornieren Projekte“, erklärt der VID-Vorsitzende Christoph Niering. „Das wird für viele Bauunternehmen und Handwerksbetriebe erhebliche Auswirkungen haben.“

Bundesweites Baukosten-Moratorium

Auch die Länder sind ungeduldig – auch wenn sie die Schuld nicht allein bei Ministerin Geywitz sehen. „Die Bundesregierung ist insgesamt gefragt: Der Wohnungsbau braucht Sicherheit und Verlässlichkeit“, sagte Ina Scharrenbach, CDU-Bauministerin in Nordrhein-Westfalen, dem Handelsblatt. „Nur das Wort, dass Wohnungsbau wichtig ist, reicht halt nicht.“ Wesentlich für Scharrenbach: eine verlässliche Neubauförderung.

Ab 1. März gelten neue Förderkonditionen für staatliche Mittel der KfW-Bank. Langfristig Klarheit für die Baubranche herrscht damit allerdings nicht. Die Ampelkoalition verhandelt derzeit über eine grundlegende Reform des Gebäudeenergiegesetzes und der daran geknüpften Fördersysteme.

Die bisher verankerten Effizienzhausstandards stellen lediglich auf die Energieeffizienz ab und gehen am eigentlichen Ziel vorbei: der Reduktion von CO2-Emissionen in Gebäuden“, heißt es in einem gerade veröffentlichten Positionspapier der FDP. Künftig soll der Fokus auf Emissions- statt auf Energieeffizienz liegen.

Scharrenbach fordert zudem, künftig alle neuen geplanten Vorschriften einem Kosten- und Realitätscheck zu unterziehen. „Die Anforderungen, die der Bund an Häuslebauer stellt, sind unfassbar hoch“, so Scharrenbach. Es brauche daher dringend ein bundesweites Baukostenmoratorium. Das heißt: Regelungen, die sich baukostentreibend auswirken, sollen ausbleiben.

Mehr: Immobilienweise rechnen mit bis zu 700.000 fehlenden Wohnungen



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