Feb 23, 2023
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Ukraine-Krieg: Wie EU und UN-Ermittler Kriegsverbrecher jagen – Anklage gegen Putin?

Written by Jan Dirk Herbermann

Genf Wird Kremlchef Wladimir Putin als Kriegsverbrecher angeklagt? Ein Jahr nach Beginn des Ukrainekriegs hat die europäische Justizbehörde Eurojust in Den Haag ein Zentrum für strafrechtliche Ermittlungen zur russischen Aggression angekündigt. Dort sollen entscheidende Beweise gesammelt werden, teilte Eurojust am Donnerstag in Den Haag mit.

Das neue Zentrum werde im Sommer startklar sein. Auch die russische Staatsführung müsse verfolgt werden, sagte die ukrainische Staatsanwältin und Eurojust-Mitglied, Myroslava Krasnoborova. „Straflosigkeit darf nicht akzeptiert werden.“ In der Ermittler-Einheit sollen sieben Staaten zusammenarbeiten sowie auch der Internationale Strafgerichtshof.

Unterdessen arbeiten auch die Ermittler der Vereinten Nationen in der Ukraine am Limit. „Das Ausmaß der Kriegsverbrechen ist unüberschaubar“, sagt Erik Møse, der Vorsitzende der Unabhängigen Internationalen Untersuchungskommission zur Ukraine in einem Gespräch mit dem Handelsblatt. „Wir können nicht alle Verbrechen dokumentieren.“

Im Auftrag des UN-Menschenrechtsrats sammelt er zusammen mit gut zwei Dutzend Mitarbeitern gerichtsfeste Beweise, die bei möglichen Strafverfahren Verwendung finden können. Im März 2023 will er einen umfangreichen Bericht vorlegen.

Auch die Ukrainer selbst ermitteln: Staatsanwältin Krasnoborova stellte mehr als 71.000 mutmaßliche Kriegsverbrechen fest. Nur gegen 276 Personen sei Anklage erhoben worden, 99 Prozesse seien eröffnet und 26 Urteile gefällt worden. Zu den Kriegsverbrechen gehören Folter, Mord, Vergewaltigung, Vertreibung sowie Angriffe auf zivile Ziele.

Viele Kriegsverbrechen bleiben ohne Strafe

Das schiere Ausmaß der Verbrechen ist das eine. Die Bestrafung der Verantwortlichen aus Russland aber ist ein ganz anderes Problem: Von Söldnern der privaten Wagner-Miliz über Soldaten der Armee bis hin zum obersten Kriegsherrn, Präsident Wladimir Putin, haben Tausende Personen direkt oder indirekt an Kriegsverbrechen mitgewirkt.

Frau in einem zerstörten Krankenhaus in Krasnohorivka

Russland hat nach aktuellem Ermittlungsstand auch zahlreiche zivile Gebäude angegriffen.


(Foto: AP)

Bislang sind die meisten Verbrecher ungeschoren davongekommen – und die Straffreiheit könnte anhalten. Solange Putin regiert, wird sich Russland kaum um eine juristische Aufarbeitung der Gräueltaten scheren. An eine Überstellung der Täter an internationale oder nationale Gerichte im Ausland ist nicht zu denken.

Wird sich Putin jemals selbst vor Gericht für seine kriminellen Befehle verantworten müssen? „Das ist politisch wie rechtlich äußerst kompliziert. Ich will nicht spekulieren, aber so etwas erscheint mir zurzeit nicht realistisch“, sagt der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk.

Die Entfesselung der Aggression durch Putin sei gewissermaßen die „Ursünde“ gewesen, die andere Verbrechen nach sich zieht, betont Claus Kreß, Professor für Straf- und Völkerrecht an der Universität zu Köln. Die Aggression, also die Anwendung militärischer Gewalt eines Staates gegen einen anderen, ist im Völkerrecht neben Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen eines der „schwersten Verbrechen“. Zuständig ist der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag, dessen Chefankläger selbst auch in der Ukraine ermittelt.

Russland blockiert Den Haag

Doch aktuell darf der Gerichtshof nicht gegen Putin und seine Helfer ermitteln oder sogar Haftbefehl erlassen. Der Grund: Russland ist dem Rom-Statut des Internationalen Strafgerichtshofs nicht beigetreten. Nur der UN-Sicherheitsrat könnte den Fall nach Den Haag überweisen. Doch in diesem Gremium hat Russland ein Veto-Recht.

Verfahren des Strafgerichtshofs wegen der drei anderen schwersten Verbrechen gemäß des Rom-Statuts kann Putin jedoch nicht vereiteln.

„Speziell beim Verbrechen der Aggression besteht gegenwärtig eine Rechenschaftslücke, und diese ist gravierend“, erklärte Völkerrechtler Kreß bei einer Anhörung im Bundestag. Die Ukraine und mehrere weitere Staaten bemühen sich aktuell um einen Sonderstrafgerichtshof für Russlands Aggression.

Die UN-Vollversammlung könnte durch eine Resolution ein Sondertribunal einsetzen. Ob sich die erforderliche Mehrheit in der Vollversammlung finden lasse, sei „derzeit gewiss eine offene Frage“, gibt Kreß zu bedenken. Auch Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hatte im Januar einen Vorschlag umrissen, wie ein Sondergericht für die Aggression eingerichtet werden könnte.

Erdrückende Beweise für russische Kriegsverbrechen

Jenseits möglicher Strafprozesse macht die Kommission des UN-Menschenrechtsrates unter Møse weiter ihren Job. „Schockierend waren die Vergewaltigungen, die von einigen Soldaten der russischen Streitkräfte verübt wurden. Die Opfer waren zwischen vier und über 80 Jahre alt“, berichtet er.

Erik Møse

Der norwegische Jurist leitet die UN-Ermittlungen zu russischen Verbrechen in der Ukraine.


(Foto: IMAGO/Ukrinform)

Bislang sammelte das UN-Team in den Regionen Kiew, Tschernihiw, Charkiw und Sumy erdrückende Beweise für Kriegsverbrechen: Willkürliche Hinrichtungen, unrechtmäßige Inhaftierungen, Folter, Misshandlungen, verschiedene Formen sexueller Gewalt, Verschleppungen, Beschuss von Schulen, Krankenhäusern und weiteren zivilen Zielen.

Bei den Opfern der Exekutionen fanden sich die üblichen Spuren für dieses Verbrechen: Kopfschüsse, stumpfe Traumata oder aufgeschlitzte Kehlen. Es gab Anzeichen von Folter wie Blutergüsse, Wunden und Brüche, berichtet Møse.

Jetzt untersuchen er und sein Team die russischen Attacken auf die Energieversorgung der ukrainischen Bevölkerung. Und sie versuchen, eine Antwort auf den Vorwurf ukrainischer Offizieller zu geben, laut dem Russlands Präsident Putin und seine Kriegsmaschine für Völkermord verantwortlich seien.

Russland stellt sich erwartungsgemäß quer. „Wir haben mehrmals versucht, mit russischen Behörden in Kontakt zu treten“, sagt Møse. „Sie haben unsere Initiative zur Zusammenarbeit und zum Informationsaustausch nicht angenommen.“

Mehr: Ein Jahr Krieg – Wie es für die Ukraine weitergeht



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