Berlin, Washington Die deutsche Bundesregierung hatte auf der Weltbühne um jeden Unterstützer geworben, am Donnerstag kam der Durchbruch: Die Generalversammlung der Vereinten Nationen hat eine Resolution zur Ukraine verabschiedet, die unter anderem auf deutsche Initiative eingebracht wurde.
Kurz vor dem Jahrestag des Kriegsbeginns debattierten Vertreter der Mitgliedstaaten über die Folgen der russischen Invasion. Die Resolution wurde mit 141 Stimmen beschlossen. Es gab sieben Nein-Stimmen und 32 Enthaltungen. Die letzte Ukraine-Resolution vom Oktober vergangenen Jahres hatte 143 Ja-Stimmen, dieses Mal war der Rückhalt also etwas schwächer.
Im Gegensatz zu Beschlüssen des UN-Sicherheitsrats sind Resolutionen der Generalversammlung nicht bindend und haben vor allem symbolischen Charakter. Sie sind aber ein Gradmesser dafür, wie stark die internationale Gemeinschaft im Ukrainekrieg zusammenhält.
Die Resolution, die von insgesamt 50 Ländern angestoßen worden war, fordert „einen umfassenden, gerechten und dauerhaften Frieden in der Ukraine im Einklang mit den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen“. Russland müsse sich vom Territorium der Ukraine zurückziehen. Das Dokument fordert auch die strafrechtliche Verfolgung der Kriegsverbrechen. Die Resolution geht nicht ins Detail, wie Frieden oder Friedensverhandlungen erreicht werden könnten.
Baerbock stellt Forderung an China
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) war am Donnerstag auf eigenen Wunsch die letzte reguläre Rednerin in der Generalversammlung, um den Schlusspunkt der Debatte setzen zu können. In den vergangenen Wochen hatte die Ministerin intensiv um die Stimmen anderer Länder geworben, etwa auf der Münchner Sicherheitskonferenz.
„Wir haben einen Friedensplan direkt hier vor uns“, sagte Baerbock vor der UN, „es ist die Charta der Vereinten Nationen“. China und andere hatten den USA und Europa mehrfach vorgeworfen, mit ihren Waffenlieferungen an die Ukraine „Öl ins Feuer“ zu gießen. Baerbock wies diese Vorwürfe in ihrer Rede zurück. „Warum sollten wir das tun?“, sagte sie.
„Wir wollten diesen Krieg nicht.“ Viel lieber würden die Verbündeten ihre Zeit und ihr Geld in Schulen, für soziale Gerechtigkeit und den Kampf gegen die Klimakrise stecken, so Baerbock. „Wenn Russland aufhört zu kämpfen, endet der Krieg. Wenn die Ukraine aufhört zu kämpfen, endet die Ukraine.“
Vor ihrer Abreise nach New York hatte sie Russland zu einem sofortigen Abzug aus der Ukraine aufgerufen. „Was die Weltgemeinschaft verlangt, könnte einfacher nicht sein. Stopp der russischen Angriffe, Schutz der Zivilbevölkerung, Achtung der territorialen Unversehrtheit der Ukraine durch russischen Truppenabzug, Rechenschaft für die begangenen Verbrechen.“ Das sei der Weg zum Frieden und das erwarte die Welt seit einem Jahr von Russland.
Am Rande der Generalversammlung forderte die Außenministerin China auf, seinen Ankündigungen Taten folgen zu lassen. Chinas oberster Außenpolitiker Wang Yi hatte bei der Münchner Sicherheitskonferenz eine Art Friedensplan für die Ukraine angekündigt, dessen Vorstellung für Freitag erwartet wird. Beobachter gehen davon aus, dass dieser Friedensplan nicht die Interessen Kiews berücksichtigen wird.
China müsse seinen Friedensplan unter dem Dach der UN-Charta vorlegen, verlangte die Außenministerin von Peking. Dies sei notwendig, weil China als UN-Sicherheitsratsmitglied nicht nur Vetorechte, „sondern eben als Mitglied eine besondere Verantwortung hat, den Weltfrieden wiederherzustellen“.
Laut Baerbock wäre „der einfachste Weg auch für China, die Charta der Vereinten Nationen zu unterstützen, das Recht auf Selbstverteidigung anzuerkennen und vor allen Dingen Russland gegenüber deutlich zu machen, dass das Gewaltverbot für alle Staaten auf dieser Welt gilt“.
Am Donnerstag hatte Wang Yi Russlands Präsident Wladimir Putin besucht und versichert, dass die Beziehungen zwischen China und Russland „stabil wie ein Berg“ seien. In Europa und den USA gibt es die Sorge, dass China erwägt, Russland neben verbaler und wirtschaftlicher Unterstützung auch Waffen zu liefern.
Russland erhebt Vorwürfe gegen Deutschland
Die Gräben der internationalen Gemeinschaft wurden während der Sondersitzung deutlich. So appellierte der ungarische Außenminister Peter Szijjarto an die westlichen Länder, sich stärker um Friedensverhandlungen zu bemühen, anstatt entweder die Ukraine zu bewaffnen oder Russland zu sanktionieren. Belarus versuchte bis zuletzt, den Wortlaut der Resolution abzuschwächen.
Chinas stellvertretender Botschafter bei den Vereinten Nationen, Dai Bing, sagte, dass Friedensgespräche die Priorität der internationalen Gemeinschaft sein sollten. Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski warnte aus Kiew davor, seine Regierung zu Friedensverhandlungen zu drängen. Das würde Russland nur anspornen, seine Aggressionen fortzusetzen und auch andere Länder zu attackieren, sagte er. Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba sagte in New York, Russlands Umsiedlung ukrainischer Kinder käme einem „Völkermord“ gleich.
Russlands UN-Botschafter Wassili Nebensja beschuldigte die Nato, den Konflikt zu verschärfen, und zog Parallelen zum Zweiten Weltkrieg. „Dies ist ein Krieg, an dem, wie schon vor 80 Jahren, verräterische und mächtige Feinde beteiligt sind, die unser Land übernehmen und uns unterwerfen wollen“, sagte er vor der Generalversammlung und adressierte Deutschland: „Deutsche Panzer töten wieder Russen“, sagte er in Anspielung auf deutsche Leopard-Kampfpanzer.
Baerbock verteidigte die Panzerlieferungen. Keiner der weltweiten Appelle habe den russischen Präsidenten Wladimir Putin zum Umdenken bewogen. „Deswegen ist das, was wir tun können, um Menschen in der Ukraine vor weiteren Morden, Vergewaltigung und Folter zu schützen, eben auch Waffenlieferungen.“
Am Freitag wird der UN-Sicherheitsrat zusammenkommen, in dem neben Russland auch China als ständiges Mitglied vertreten ist. Das Gremium hat seit Ausbruch des Kriegs Dutzende Treffen zur Ukraine abgehalten, ohne Ergebnis, weil Russland und China Beschlüsse blockieren.
Die internationale Reaktion auf den Ukrainekrieg hat sich weitgehend in die größere Generalversammlung verlagert, weil einzelne Staaten dort kein Veto einlegen können.
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