– von Max Hunder und Olena Harmash
Kiew (Reuters) – Zum Jahrestag des russischen Angriffs auf die Ukraine hat deren Präsident Wolodymyr Selenskyj dem Volk für seinen Durchhaltewillen gedankt und einen Sieg versprochen.
Die Menschen hätten im vergangenen Jahr viel ausgehalten, sagte er am Freitag in einer Fernsehansprache. Sie hätten trotz Drohungen, Bombardierungen, Raketenbeschuss, Kamikazedrohnen, Stromausfällen und Kälte standgehalten. “Wir wurden nicht besiegt. Und wir werden alles für einen Sieg in diesem Jahr tun.” Anschließend sprach er mit Soldaten am zentralen Sophienplatz in Kiew und ehrte sie mit Medaillen. Auch der Mutter eines gefallenen Soldaten übergab er eine.
Etliche Länder zeigten ihre Solidarität mit der Ukraine. In Paris wurde der Eiffelturm in den Nationalfarben der Ukraine, blau und gelb, angestrahlt. Am Brandenburger Tor in Berlin war dies ebenfalls geplant. In London versammelten sich Menschen zu einer Mahnwache. Bundeskanzler Olaf Scholz würdigte die Entschlossenheit der Ukrainer und kündigte weitere Unterstützung an – so stark und solange wie nötig.
In Russland waren keine Veranstaltungen zum Jahrestag geplant. Dort wurde am Donnerstag der jährliche “Tag des Verteidigers des Vaterlands” begangen. Es gab am Abend ein Feuerwerk und Tags zuvor ein Popkonzert, zu dem auch Präsident Wladimir Putin kam. Putin hatte am 24. Februar 2022 den Einmarsch in die Ukraine befohlen. Er spricht von einer “militärischen Spezialoperation” zur Demilitarisierung der Ukraine. Der Westen und die Ukraine bezeichnen die Invasion hingegen als völkerrechtswidrigen Angriffskrieg. Zehntausende kamen geschätzt auf beiden Seiten ums Leben, darunter auch viele Zivilisten in der Ukraine.
Der Vormarsch der russischen Truppen wurde frühzeitig gestoppt, es gelang ihnen zu Beginn des Krieges nicht, die Hauptstadt Kiew einzunehmen. Im Verlauf eroberte die Ukraine Teile ihres Landes zurück. Die Ukraine wird von seinen internationalen Partner nicht nur finanziell, sondern auch militärisch mit Waffen unterstützt. Mehrere Länder kündigten die Lieferung von Kampfpanzern an. Derzeit konzentriert sich der Krieg auf den Osten und Süden der Ukraine. Dennoch steht etwa ein Fünftel der Landes unter russischer Kontrolle. Das ukrainische Militär berichtete am Freitag von verstärkten Kampfhandlungen. Mindestens 25 Orte stünden unter heftigem Beschuss. Die Söldner-Truppe Wagner meldete die Einnahme des Dorfs Berchiwka nordwestlich der als strategisch wichtig angesehenen Stadt Bachmut. Angaben zum Kampfgeschehen können nicht unabhängig überprüft werden.
CHINA STELLT ZWÖLF-PUNKTE-PLAN VOR
Frieden scheint nicht in Sicht. Russlands Partner China präsentierte zum Jahrestag einen Zwölf-Punkte-Plan und forderte darin eine Waffenruhe und Friedensverhandlungen. Dialog sei der einzige Weg zur Lösung der Krise, hieß es in dem Papier des chinesischen Außenministeriums. Es müsse verhindert werden, dass der Konflikt außer Kontrolle gerate. Zu einem Einsatz von Atomwaffen dürfe es nicht kommen. Die Ukraine sprach von einem guten Zeichen. “Wir hoffen, dass sie Russland dazu drängen, den Krieg zu beenden und seine Truppen abzuziehen”, sagte die diplomatische Geschäftsführerin der Ukraine in China, Tschanna Leschtschynska, vor der Presse in Peking.
Nato und Europäische Union reagierten zurückhaltend auf die chinesischen Vorschläge. China habe als Vermittler wenig Glaubwürdigkeit, da die Volksrepublik es bislang nicht vermocht habe, die Invasion der Ukraine zu verurteilen, sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Es handele sich nicht um einen Friedensplan, sondern vielmehr um Richtlinien, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. “Wir werden sie uns natürlich anschauen, aber vor dem Hintergrund, dass China längst Partei ergriffen hat.”
Kurz vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine hatten Putin und Präsident Xi Jingping eine umfassende Partnerschaft verabredet. Bei dem Besuch des chinesischen Top-Diplomaten Wang Yi am Mittwoch in Moskau wurde vereinbart, sie zu vertiefen. Die USA vermuten, dass China auch erwägt, Russland Waffen zu liefern. Die Regierung in Peking dementiert dies. Bei der Abstimmung über eine UN-Resolution, in der ein Ende des Krieges gefordert wird, enthielt sich China. Die UN-Vollversammlung verurteilte das Vorgehen Russland am Vorabend des Jahrestages erneut mit deutlicher Mehrheit. 141 der 193 Mitgliedsstaaten stimmten am Donnerstag für die Resolution. Sechs Staaten votierten an der Seite Russlands mit Nein: Belarus, Nordkorea, Eritrea, Mali, Nicaragua und Syrien.
(Mitarbeit: Dan Peleschuk in Kiew und Martin Qin Pollard in Peking sowie weitere Reuters-Reporter, geschrieben von Kerstin Dörr, redigiert von Jörn Poltz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte)
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