Der Kandidat der Labour Party.
(Foto: AP)
Kapstadt Auf keinem anderen Kontinent sind die Staatschefs im Schnitt so alt wie in Afrika – und die Wählerschaft so jung. Nigeria ist nur ein weiteres Beispiel dafür. Doch in dem Land mit 220 Millionen Einwohnern könnte sich diese Kluft bald verkleinern, wenn auch vielleicht noch nicht bei den gerade abgehaltenen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen.
Den Prognosen zufolge hat Peter Obi, ein vergleichsweise junger, 61 Jahre alter Ex-Banker und Kandidat der kleinen Labour Party, zumindest eine echte Außenseiterchance.
Sicher ist schon jetzt, dass Obi das alte, etablierte Zweiparteiensystem, das Nigeria seit dem Ende der Militärherrschaft im Jahre 1999 dominiert und lähmt, kräftig aufgemischt hat, auch wenn es am Ende nicht für den von einer Reihe von Umfragen prognostizierten Sieg reichen dürfte. Ein Sieger wird frühestens in einigen Tagen feststehen, aktuell verzögert sich die Wahl wegen einiger Pannen.
Der Katholik aus dem Südosten hat sich bewusst als Gegenentwurf zur als korrupt geltenden „Elite“ des Landes präsentiert. Gerade die jungen Menschen, die 2020 massiv gegen Polizeigewalt und Korruption in Nigeria auf die Straße gegangen waren, unterstützen seine Offenheit und Reformbereitschaft.
Zwei Drittel der Wähler sind jünger als 30 Jahre, das Durchschnittsalter in dem westafrikanischen Land liegt bei knapp 19 Jahren. Fraglich bleibt jedoch, wie viele Wähler Obi an den Wahlurnen mobilisiert hat, insbesondere im bevölkerungsreichen, ländlichen und muslimisch geprägten Norden des Landes.
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Einig sind sich Beobachter darin, dass Obis Wahlkampf das Land aufgerüttelt hat. Bei seinen Reisen hat der frühere Gouverneur des Bundesstaates Anambra die größten Marktplätze und Universitätshallen gefüllt. Verantwortlich dafür ist vor allem seine volksnahe Art und die Bereitschaft, auch auf Kritik einzugehen.
In einem Land, in dem Politiker für gewöhnlich mit einer großen Entourage ihre eigene Bedeutung zeigen wollen, stellt sich Obi an Flughäfen mit seinem Gepäck in die Warteschlange. Als er herausfand, dass 13 Fahrzeuge seiner Autoeskorte leer waren, wurde diese auf ein Minimum reduziert.
Hauptgegner mit Korruptionsvorwürfen konfrontiert
Seine zur Schau gestellte Bescheidenheit steht in starkem Gegensatz zu seinen beiden Hauptgegnern Bola Tinubu (70) vom regierenden All Progressives Congress (APC) und dem führenden Oppositionskandidaten Atiku Abubakar (76) von der People´s Democratic Party (PDP). Beide sind vermögend und in den jeweiligen Parteistrukturen tief verwurzelt.
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Und beide werden, wie in Nigeria nicht selten, seit Jahren mit Korruptionsvorwürfen konfrontiert. Abubakar, der bereits mehrmals ohne Erfolg für das Präsidentenamt kandidierte, war einst Zollbeamter und ist später als Geschäftsmann reich geworden – ohne dass jemand richtig wüsste, wie es dazu kommen konnte. Seine Kampagne gründete deshalb vor allem auf seinem hohen Bekanntheitsgrad aus seiner Zeit als Vizepräsident. Wie damals will er auch diesmal den Privatsektor in der Wirtschaft stärken.
Wahlfavorit Tinubu war zwischen 1999 und 2007 Gouverneur des Bundesstaates Lagos, zu dem auch die gleichnamige Wirtschaftsmetropole gehört. Genau dort hofft der 70-Jährige, besonders klar zu gewinnen. Auch steht er einer Partei vor, die 21 der 36 Bundesstaaten kontrolliert.
Angesichts der hohen Gewalt im Land, des Benzin- und Bargeldmangels und der wirtschaftlichen Stagnation herrscht unter der Bevölkerung jedoch eine enorme Unzufriedenheit mit dem politischen und wirtschaftlichen Status quo. Auch gilt Tinubu als gesundheitlich angeschlagen.
Zwei Wahlhelfer sammeln Wahlunterlagen in Yola.
Während der Amtszeit des amtierenden Präsidenten Muhammadu Buhari hat sich der Anteil der Menschen, die in großer Armut leben, nach Angaben des panafrikanischen Meinungsforschungsinstituts Afrobarometer fast verdoppelt. Vor einem Jahr erklärten demnach deshalb auch neun von zehn Nigerianern, ihr Land bewege sich in die falsche Richtung.
So stieg die Zahl der Menschen, die unter der internationalen Armutsgrenze von zwei Dollar am Tag leben, nach Angaben der Weltbank während der Coronaphase bis Ende 2022 um weitere 20 Millionen auf fast 100 Millionen – beinahe die Hälfte seiner Bevölkerung.
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Trotz der Unzufriedenheit der Nigerianer steht Obi auf dem Weg zu einer Wahlüberraschung vor einer Vielzahl von Hindernissen, schon weil Religion und Herkunft noch immer eine bedeutende Rolle spielen. Zwar dürfte er in seiner Heimatregion mit einem Anteil von 80 bis 90 Prozent klar siegen. Doch vor allem im muslimischen Norden könnte er hinter den hochgesteckten Erwartungen zurückbleiben.
Viele Umfragen, die Obi vorn sehen, haben sich an ein onlineaffines, urbanes Publikum gerichtet, bei dem der Politiker besonders populär ist. Auf dem Land, wo die beiden großen Parteien einen mächtigen Wahlapparat aufgebaut haben, dürfte die Lage hingegen eine grundsätzlich andere sein. Hier kann Obi mit seinen begrenzten Ressourcen oft nicht konkurrieren.
Für Unruhe könnte zudem ein weiteres, von den Hauptkandidaten diesmal bewusst ignoriertes Arrangement sorgen. Lange Zeit gab es in Nigeria informell eine Übereinkunft, dass sich Präsidenten zwischen dem christlichen Süden und muslimischen Norden abwechseln sollten. Mit Abubakar würde nun womöglich ein zweites Mal hintereinander ein Mann aus dem Norden Präsident werden, mit Tinubu ein Muslim aus dem Süden. Beides könnte in einem Land mit einer tiefen Kluft zwischen den Religionen noch für erhebliche Spannungen sorgen.
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