Oct 9, 2022
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Arne Schönbohm: Nach ZDF-Bericht – Wird der BSI-Chef jetzt abberufen?

Written by Dietmar Neuerer


Es herrsche „große Verärgerung“ über Schönbohm, erfuhr das Handelsblatt aus dem Bundesinnenministerium. Grund seien Verbindungen Schönbohms zu einem umstrittenen Verein, der mutmaßlich auch Kontakte zu russischen Geheimdiensten hat. Mitgründer und Präsident des Vereins war bis 2016 Schönbohm.

Man nehme die Vorwürfe gegen den BSI-Chef „sehr ernst“. Zudem würden „alle Optionen geprüft“, wie man ihn von seinem Posten abberufen könne. Angesichts des Vorgangs wurde die für Donnerstag geplante gemeinsame Pressekonferenz von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) und Schönbohm zur Vorstellung des „BSI-Lageberichts Deutschland 2022“ abgesagt.

Der Fall ist brisant. Denn die Vorwürfe treffen den BSI-Chef in einer Zeit, in der wegen des Angriffs Russlands auf die Ukraine das Risiko von Cyberattacken gegen westliche Staaten deutlich zugenommen hat und die Behörde Schönbohms mit rund 1.300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gefragter denn je ist.

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Nicht von ungefähr sagte Faeser nach der mutmaßlichen Sabotage an den Gas-Pipelines Nord Stream 1 und Nord Stream 2: „Wir müssen uns auf Szenarien einstellen, die bis vor Kurzem kaum denkbar waren. Das erfordert starke Sicherheitsbehörden mit den notwendigen Mitteln und Befugnissen.“

Die Ministerin spielte damit auch auf das BSI an. Die Cybersicherheitsbehörde des Bundes soll, so die Pläne der Ampelkoalition, zur Zentralstelle für Cybersicherheit ausgebaut werden.

Cyber-Sicherheitsrat Deutschland: Eon und Huawei sind Mitglieder

Doch nun wird das Vorhaben durch die möglichen Kontakte Schönbohms zu russischen Geheimdienstkreisen über den umstrittenen Verein „Cyber-Sicherheitsrat Deutschland e.V.“ torpediert. Die Verbindung von Schönbohm war zuvor von Jan Böhmermann in der Sendung „ZDF Magazin Royale“ thematisiert worden.

Schönbohm ist einer der Mitgründer des „Cyber-Sicherheitsrats Deutschland e.V.“. Der Name des Vereins ist fast identisch mit dem staatlichen Nationalen Cyber-Sicherheitsrat – und war deshalb dem Innenministerium seit der Gründung im Jahr 2012 ein Dorn im Auge. Auch die Webadresse cybersicherheitsrat.de sicherte sich der Verein.

Der Verein gibt sich damit bewusst einen pseudo-regierungsoffiziellen Anstrich. Das Innenministerium ordnete daher an, dass die Sicherheitsbehörden Distanz zu dem Verein wahren sollten. Dem aktuellen Vereinspräsidenten Hans-Wilhelm Dünn wird eine intensive Russlandnähe nachgesagt. Im April 2019 hatte der ehemalige Potsdamer CDU-Lokalpolitiker gemeinsam mit einem vormaligen ranghohen russischen Geheimdienstoffizier ein Memorandum zur IT-Sicherheit unterschrieben.

Den Vorwurf, er habe fragwürdige Russlandkontakte, wies Dünn seinerzeit zurück: „Wir sind darauf angewiesen, internationale Dialogstränge zu allen relevanten Akteuren zu halten. Relevante Akteure sind auch Geheimdienste oder Organisationen mit ehemaligen Geheimdienstangehörigen.“ Dünn hatte damals gegenüber dem ARD-Magazin „Kontraste“ und der Wochenzeitschrift „Die Zeit“ Kontakte zu russischen Geheimdienststellen eingeräumt.

Angesichts der ZDF-Berichterstattung versucht der Vereinspräsident, sich nun damit zu rechtfertigen, dass er in den Medien „verkürzt wiedergegeben“ worden sei. „Herr Dünn hat keine Kontakte zu aktiven Vertretern staatlicher russischer Stellen gepflegt“, erklärte der Verein am Montag in einer Pressemitteilung. „Vielmehr beziehen sich seine Aussagen generell auf die Aufrechterhaltung von Kommunikationskanälen zu allen relevanten Akteuren im internationalen Sicherheitsbereich.“

Der Verein zählt nach eigenen Angaben zu seinen Mitgliedern große und mittelständische Unternehmen, Betreiber kritischer Infrastrukturen sowie zahlreiche Bundesländer und Bundesinstitutionen, Experten und politische Entscheider mit Bezug zum Thema Cybersicherheit. Auf der Mitgliederliste stehen etwa die Energieriesen EnBW, Eon und Vattenfall, der chinesische Technologiekonzern Huawei, aber auch die Deutsche Polizeigewerkschaft, die Gewerkschaft der Polizei und das Bundesgesundheitsministerium.

Schönbohm war nach Informationen des Handelsblatts mehrfach nahegelegt worden, sich von dem „Cyber-Sicherheitsrat Deutschland e.V.“ zu distanzieren. Den Mitarbeitern seiner Behörde erteilte der oberste IT-Sicherheitshüter des Landes schließlich die Weisung, nicht mehr gemeinsam mit Vertretern des Vereins aufzutreten.

Genau das tat Schönbohm jedoch Anfang September. Anlässlich des zehnjährigen Bestehens des Vereins hielt der BSI-Chef bei einem Festakt mit 200 geladenen Gästen aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft eine Rede.

Grüne: Vorwürfen gegen BSI-Chef Schönbohm „entschlossen nachgehen“

Der Verein steht unter anderem wegen der Mitgliedschaft der Berliner Cybersecurity-Firma Protelion in der Kritik. Das Unternehmen firmierte bis Ende März unter dem Namen Infotecs GmbH. Dabei handelt es sich um ein Tochterunternehmen der russischen Cybersecurityfirma O.A.O.Infotecs, die nach Informationen des Recherchenetzwerks Policy Network Analytics von einem ehemaligen Mitarbeiter des russischen Nachrichtendienstes KGB gegründet wurde.

Dem Verein waren die Verbindungen der Protelion GmbH zu russischen Diensten nach eigenen Angaben nicht bekannt – ebenso wenig dem BSI. Die Vorwürfe, von russischen Stellen beeinflusst zu sein, seien daher „absurd“, sagte Vereinspräsident Dünn. Die Protelion GmbH beziehungsweise ihre Vorgängerfirma Infotecs GmbH seien im Juni 2020 in den Verein eingetreten. „Seitdem gab es weder Gespräche noch gemeinsame Projekte mit Vertretern des Unternehmens“, betonte Dünn.

Dementsprechend habe auf der Vereinsplattform und im Umfeld des Vereins „keine Einflussnahme“ stattfinden können. Protelion wurde inzwischen aus dem Verein ausgeschlossen.

Der Vorsitzende des Geheimdienst-Kontrollgremiums im Bundestag, Konstantin von Notz (Grüne), forderte Aufklärung über die Vorgänge um den BSI-Chef. „Den im Raum stehenden Vorwürfen muss, unabhängig von der Personalie Schönbohm, weiter sehr entschlossen nachgegangen werden“, sagte von Notz dem Handelsblatt.

Der SPD-Innenpolitiker Sebastian Fiedler zeigte sich entsetzt über die Vorwürfe gegen Schönbohm und die Berichte über das Treiben der IT-Firma Protelion. „Es ist bereits jetzt ein großer Vertrauensschaden für das BSI entstanden“, sagte Fiedler dem Handelsblatt. „Es gibt aktuell bei Unternehmensverantwortlichen für Cybersicherheit wohl kaum ein anderes Thema.“ Von Schönbohm verlangte Fiedler eine Erklärung, warum dieser nach seiner ursprünglichen Distanzierung von dem Verein nun sogar „öffentlich Werbung für den dubiosen Vereinspräsidenten macht“.

Bereits seit Längerem soll es im Innenministerium Unmut über Schönbohms Rolle im und seinen Umgang mit dem Cyber-Sicherheitsrat geben. Die neuerlichen Vorwürfe und Schönbohms Besuch beim Jubiläum des Vereins haben das Fass nun offenbar zum Überlaufen gebracht. Das Bundesinnenministerium war allerdings nach einem Bericht des Portals „Business Insider“ über die Festrede Schönbohms bei dem Verein informiert worden. Demnach genehmigte Faesers Staatssekretär Markus Richter den Vortrag auf Bitten von Schönbohm am 24. August.

Faeser prüft Abberufung von BSI-Chef Schönbohm

Kritiker hielten Schönbohm immer schon für eine Fehlbesetzung. Für sie galt er als ausgewiesener Lobbyist der IT-Wirtschaft, weshalb sie ihm die nötige Neutralität absprachen.

Auch seine fachliche Kompetenz in Sicherheitsfragen wurde infrage gestellt. So bezeichnete Constanze Kurz vom Chaos Computer Club den 53-Jährigen als „Cyberclown“, der in erster Linie Ökonom, aber kein Sicherheitsexperte sei.

Entlassung von Arne Schönbohm nicht einfach möglich

Schönbohm ist Sohn des ehemaligen Brandenburger Innenministers Jörg Schönbohm (CDU). Der diplomierte Betriebswirt studierte internationale Betriebswirtschaft in Dortmund sowie in London und Taipeh.

Berufliche Stationen waren unter anderem Daimler-Chrysler Aerospace und der Luftfahrt- und Rüstungskonzern EADS. Vor seiner Berufung zum BSI-Chef durch den damaligen Innenminister Thomas de Maizière (CDU) leitete Schönbohm die BSS BuCET Shared Services AG, eine Beratungsfirma für IT-Sicherheit.

Nun steht Schönbohm vor dem Aus als BSI-Chef. Wegen der Bestimmungen des Beamtenrechts kann er aber nicht einfach entlassen werden. Die „Bild“-Zeitung berichtete, nach der Abberufung werde für Schönbohm so schnell wie möglich eine neue Verwendung und für das BSI ein Nachfolger gesucht.

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Eine schnelle Regelung wollen auch Sicherheitspolitiker. Der Grünen-Abgeordnete von Notz sagte, das BSI sei eine „extrem relevante Sicherheitsbehörde“. Daher müsse nun auch die im Koalitionsvertrag mit SPD und FDP angelegte Kehrtwende im Bereich IT-Sicherheit, gerade mit Blick auf den effektiven Schutz kritischer Infrastrukturen, „politisch sehr entschlossen umgesetzt und über Jahre Versäumtes im Lichte der aktuellen Bedrohungslage schnellstmöglich nachgeholt werden“. Hier sei vor allem das Innenministerium gefordert, „das verstehen muss, welche Relevanz diese Themen für eine moderne Sicherheitspolitik haben“.

Mehr: Warnstufe Rot: Sicherheitslücke gefährdet die IT zahlreicher Unternehmen

Erstpublikation: 09.10.2022, 18:00 Uhr (zuletzt aktualisiert am 11.10.2022, 12:48 Uhr).



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Politik

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