Berlin Wie viel Einfluss hat die chinesische Staatsführung auf Unternehmen in Hongkong? Für die Beamten im Bundeswirtschaftsministerium ist das eine entscheidende Frage. Die Antwort entscheidet darüber, ob sich der Getränkekonzern Red Bull an einem Unternehmen in Deutschland beteiligen darf.
In den vergangenen Monaten hat das Ministerium von Robert Habeck (Grüne) einen Verkauf der Brandenburger Urstromquelle geprüft. Das kleine Unternehmen füllt in Baruth in der Brandenburger Mark Getränke ab und transportiert sie in die gesamte Bundesrepublik.
Aus Sicht der Bundesregierung gehört die Quelle zum sensiblen Bereich der kritischen Infrastruktur. Der geplante Eigentümerwechsel hatte deshalb das Wirtschaftsministerium auf den Plan gerufen.
Der Betrieb gehörte bisher zur Gruppe der Altmühltaler Mineralbrunnen. Die österreichischen Getränkehersteller Red Bull und Rauch wollten einsteigen, jetzt hat das Wirtschaftsministerium den Deal final freigegeben. Das geht aus vertraulichen internen Dokumenten aus dem Wirtschafts- und dem Innenministerium hervor, die dem Handelsblatt vorliegen. Alle Beteiligten lehnten eine Stellungnahme zum Deal und der Prüfung ab oder antworteten nicht auf entsprechende Anfragen.
Der Grund für die Prüfung: Hinter dem Käufer Red Bull stehen nicht nur die Nachkommen von Dietrich Mateschitz, der im Oktober 2022 verstorben ist und die Marke groß machte. Vielmehr gehört der thailändischen Geschäftsfamilie Yoovidhya die Mehrheit an dem Getränkeimperium. Den Großteil der Anteile hält die Familie über eine Holding namens T. C. Agrotrading mit Sitz in der chinesischen Sonderverwaltungszone Hongkong.
Einziger Fall im Bereich kritische Infrastruktur
Die theoretische Möglichkeit, dass diese Konstruktion Einfluss Chinas ermöglichen könnte, lässt die Bundesregierung genauer hinschauen. Die Sorge vor chinesischem Einfluss in Deutschland wächst. Berlin schaut inzwischen argwöhnisch auf die Volksrepublik und hat sich einen deutlich restriktiveren Kurs bei den Kontrollen chinesischer Investitionen hierzulande auferlegt.
>> Lesen Sie hier: Habeck stoppt Übernahme von Dortmunder Chipfabrik
Die Brandenburger Urstromquelle fällt laut den internen Dokumenten aus den Ministerien in den Bereich der kritischen Infrastruktur. Die Investitionskontrolle ist dadurch besonders streng. Seit dem Regierungswechsel im Dezember 2021, das belegen die Dokumente, hat das Bundeswirtschaftsministerium keinen anderen Fall prüfen müssen, bei dem ein chinesischer Käufer in deutsche kritische Infrastruktur einsteigen will.
Weder bei der Teiluntersagung des Einstiegs der chinesischen Staatsreederei Cosco bei einem Containerterminal am Hamburger Hafen noch bei den untersagten Übernahmen der Mikrochip-Werke von Elmos in Dortmund und ERS Electronics in Oberbayern handelte es sich um kritische Infrastruktur. Sie wurden deshalb nach lockereren Kriterien geprüft.
Die Familie des thailändischen Milliardärs hält über die Holding in Hongkong 49 Prozent an Red Bull, ihm selbst gehören außerdem weitere zwei Prozent.
(Foto: Imago Images)
Derzeit allerdings definiert die Bundesregierung den Begriff kritische Infrastruktur neu. Im Anschluss sollen auch die Regeln für Investitionskontrollen angepasst werden. In der zweiten Jahreshälfte soll die Reform konkret werden, heißt es aus Regierungskreisen.
Dass Habecks Beamte dem Urstromquelle-Deal die Freigabe, die noch nicht rechtswirksam ist, erteilt haben, soll damit zusammenhängen, dass die thailändische Yoovidhya-Familie Hongkong nur als Sitz für ihre Holding nutzt. Mateschitz und Yoovidhya hatten schon bei der Gründung von Red Bull zusammengearbeitet. Verstrickungen mit dem chinesischen Staat sind nicht bekannt.
„Hongkonger Unternehmen nicht pauschal von China unabhängig“
Hinzu kommt: Ohne das Engagement von Red Bull und Rauch wäre die Brandenburger Urstromquelle nach früheren Aussagen des Unternehmens wohl nicht weitergeführt worden. Nach dem Verlust eines Großauftrags von Edeka hatte das Unternehmen ursprünglich die Schließung des Abfüllbetriebs angekündigt, in dem rund 300 Menschen arbeiten.
>> Lesen Sie hier: Bundesregierung will Investitionen deutscher Unternehmen in China deutlich beschränken
Allerdings baut Peking seine Kontrolle über Hongkong seit Jahren immer weiter aus. „Hongkonger Unternehmen sollten daher nicht pauschal als vom chinesischen Parteistaat unabhängig angesehen werden“, erklärt Tim Rühlig, China-Forscher von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Von dort ausgehende Investitionen in kritische Infrastruktur müssten äußert sorgfältig geprüft werden.
Auf der anderen Seite gilt eine Reihe kritischer chinesischer Gesetze, die der Staatsführung starken Einfluss auf die Wirtschaft bescheren, nicht in Hongkong. Der Standort Hongkong dürfe nicht automatisch Ausschlusskriterium sein, sagt Rühlig. Wie Deutschland mit Investitionen aus Hongkong in Zukunft umgehen wird, dürfte auch in der Reform der Investitionskontrolle eine wichtige Frage sein.
Mehr: Habeck lässt Staatshilfe für chinesischen Chiphersteller noch einmal überprüfen.
<< Den vollständigen Artikel: Kritische Infrastruktur: Habeck erlaubt Verkauf von deutscher Wasserquelle an Red Bull – trotz Verbindung nach Hongkong >> hier vollständig lesen auf www.handelsblatt.com.