Mar 8, 2023
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Frankreich: Macron bleibt trotz der Streikwelle bei seiner Rentenreform auf Kurs

Written by Gregor Waschinski

Paris Frankreich geht auf die Straße und der Präsident schweigt: Emmanuel Macron wirkt in diesen Tagen so, als stehe er über den Protesten gegen seine Rentenreform. „Bis heute hat es keine Antwort der Regierung auf die enorme Mobilisierung gegeben“, kritisierte das Bündnis der acht großen Gewerkschaften des Landes in einer Erklärung. Das sei ein „schwerwiegendes demokratisches Problem“ und könne zu einer „explosiven Situation“ führen.

Während Macron entschlossen scheint, das Rentengesetz bis Ende des Monats im Parlament zu verabschieden, setzen die französischen Gewerkschaften die massiven Streiks fort. Sie forderten den Präsidenten auf, seine Reformpläne mit einer Anhebung des Renteneintrittsalters von 62 auf 64 Jahre angesichts des Drucks der Straße zurückzuziehen. 

Verkehrsminister Clément Beaune erwartete „bedeutende Störungen“ im Nahverkehr, bei Fernzügen und an Flughäfen bis mindestens Freitag. Auch Verbindungen von und nach Deutschland sind betroffen. Streikende Arbeiter legten am Mittwoch weiter Raffinerien lahm. Französischen Medien zufolge blockierten Lastwagenfahrer erneut Straßen sowie Zufahrten zu Häfen.

Macrons Sprecher Olivier Véran zeigte sich grundsätzlich bereit zum Dialog. „Die Tür der Regierung ist mehr als offen“, antwortete er am Mittwoch den Arbeitnehmervertretern, die ein Treffen mit dem Präsidenten verlangten.

Die Zeitung „Les Échos“ berichtete allerdings, dass hinter den Kulissen bei der Regierung in Paris wohl eine andere Haltung vorherrscht: Macron sollte sich besser nicht „in die Arena“ begeben. Die Gegner der Reform würden nach Ansicht von Beratern des Präsidenten versuchen, die Debatte zu personalisieren, „um die Gefühle der Ablehnung gegen den Staatschef zu reaktivieren“.

Frankreichs Regierung treibt Rentenreform unbeirrt voran

Außerdem sei die Einschätzung in der Regierung, dass die Proteste nicht so heftig ausfielen wie befürchtet. Statt des von den Gewerkschaften angekündigten „schwarzen Dienstags“ habe es eher einen „grauen Dienstag“ gegeben, sagte ein Regierungsvertreter zu „Les Échos“. Die Beteiligung sei zwar hoch, aber „kein Erdrutsch“ gewesen.

Studenten demonstrieren in Paris

Frankreichs Regierung setzt darauf, dass die Proteste gegen die Rentenreform mit der Zeit nachlassen werden.



(Foto: dpa)

„Wir schreiten weiter voran“, hieß es mit Blick auf das parlamentarische Verfahren in der Nationalversammlung und im Senat. Beide Kammern könnten sich in der nächsten Woche auf einen gemeinsamen Gesetzestext verständigen, der dann noch im März zur Endabstimmung gestellt würde. 

Umfragen zufolge unterstützt eine Mehrheit der Franzosen die Protestbewegung. In Macrons Regierung setzt man aber offenbar darauf, dass diese Unterstützung schwindet, je länger Unannehmlichkeiten wie geschlossene Schulen oder ausgefallene Züge andauern. Haushaltsminister Gabriel Attal richtete seinen Dank diese Woche ausdrücklich an die „Zehntausenden Franzosen, die unser Land trotz der Streiks jeden Tag am Laufen halten“.

>> Lesen Sie hier: Die Protestler gegen Macrons Rentenreform führen den falschen Kampf – ein Kommentar

Macron hatte im vergangenen Jahr versucht, die Sozialpartner in sein Reformprojekt einzubinden. Doch die Gespräche scheiterten, nach Ansicht der Gewerkschaften sei bei den Plänen des Präsidenten ohnehin schon „alles eingefädelt“ gewesen.

Die Franzosen sollen nach dem Willen des Präsidenten ab dem Jahr 2030 mit 64 Jahren in Rente gehen. Das gesetzliche Rentenalter von gegenwärtig 62 Jahren soll ab September 2023 schrittweise angehoben werden.

Macron ruft Gewerkschaften zur „Verantwortung“

Großzügige Frühverrentungen für bestimmte Berufsgruppen will die Regierung abschaffen. Besonders langjährige Erwerbsbiografien sollen aber berücksichtigt werden. Außerdem soll die Mindestrente um 100 Euro auf rund 1200 Euro monatlich angehoben werden.

In einer seiner seltenen Wortmeldungen zur Rente seit Jahresbeginn hatte Macron im Februar die Gewerkschaft zur „Verantwortung“ aufgerufen. Proteste gegen die Reform seien natürlich ein von der Verfassung vorgesehenes Recht, sagte der Präsident, als er am Rande eines EU-Gipfels in Brüssel auf sein Rentenproblem in der Heimat angesprochen wurde. Die Protestbewegung dürfe aber „nicht den Rest des Landes blockieren“.

Proteste gegen die Rentenreform in Paris

Am Dienstag gingen erneut Millionen auf die Straße, um gegen Macrons Rentenpläne zu demonstrieren.



(Foto: dpa)

Zum mittlerweile sechsten nationalen Protesttag waren am Dienstag nach Polizeiangaben landesweit 1,28 Millionen Menschen auf die Straße gegangen, die Gewerkschaften sprachen von 3,5 Millionen Teilnehmern. In einigen Bereichen wie dem Verkehrs- und Energiesektor werden Streiks derzeit unbefristet fortgesetzt. Weitere Protesttage mit Großdemonstrationen sind für Samstag und in der kommenden Woche geplant.

Der Wirtschaftsprofessor Tomasz Michalski von der Pariser Hochschule HEC erwartet, dass den Gewerkschaften bald die Luft ausgehen könnte. „Die Protestbewegung mag in den ersten Tagen massiv erscheinen, die wirtschaftliche Gesamtlage und die Zersplitterung der Arbeitnehmergruppen sind aber lange anhaltenden Streiks in ganz Frankreich nicht zuträglich“, sagte er.

>> Lesen Sie hier: Macrons neue Afrika-Strategie könnte Putin in die Hände spielen

Für Macron sei die Verabschiedung der Reform hingegen „absolut entscheidend“, so Michalski. „In seiner zweiten Amtszeit gibt es innenpolitisch für ihn nichts Wichtigeres.“ Wahrscheinlich werde er bei der Verabschiedung auf die Unterstützung der konservativ-bürgerlichen Republikaner zählen können. Macron ist auf Stimmen aus der Opposition angewiesen, weil sein Mitte-Bündnis bei den Parlamentswahlen im Juni 2022 die absolute Mehrheit verloren hatte.

Ausschreitungen bei Protesten gegen Rentenreform in Paris

Bislang kam es zu sechs landesweiten Protesttagen in Frankreich.


(Foto: IMAGO/Le Pictorium)

Eine Klausel in der französischen Verfassung erlaubt dem Präsidenten, in Ausnahmefällen Gesetze auch ohne parlamentarische Zustimmung in Kraft zu setzen. Macron wolle aber unbedingt vermeiden, den sogenannten Artikel 49.3 der Verfassung zu ziehen, sagte Michalski. „Er möchte die Reform mit der Rückendeckung zumindest von einigen Mitgliedern der Opposition umsetzen.“

Mehr: Marine Le Pen profitiert vom Streit um die Rentenreform 



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