Berlin Per Bundesratsinitiative wollen Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg die Einführung einer bundesweiten Elementarschaden-Pflichtversicherung für Gebäudebesitzer erreichen.
„An die Stelle spontaner staatlicher Ad-hoc-Hilfen muss eine langfristige Risikoprävention durch eine Pflichtversicherung für Elementarschäden treten“, heißt es in dem gemeinsamen Entschließungsantrag, der am Dienstag vom NRW-Landeskabinett beschlossen wurde und nun dem Bundesrat zugeleitet wird. Der Antrag liegt dem Handelsblatt vor.
In dem Antrag heißt es weiter, es brauche systematische Maßnahmen, „damit nach einer Hochwasserkatastrophe oder anderen Großschadenereignissen kein Mensch vor dem finanziellen Ruin stehen muss“. Die vergangenen Monate und Jahre hätten gezeigt, dass Extremwetterereignisse immer häufiger aufträten.
Konkreter Anlass der Debatte ist die Katastrophe vom Sommer 2021, bei der durch Starkregen und Hochwasser in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz sowie in Teilen Bayerns, Baden-Württembergs und Sachsens zahlreiche Menschen starben und hohe Schäden an Wohn- und Gewerbeimmobilien entstanden.
Zum Wochenbeginn hatte das Bundeswirtschaftsministerium eine Studie zum Schadenpotenzial durch den Klimawandel vorgestellt. Darin rechnen die Experten zwischen 2022 und 2050 mit volkswirtschaftlichen Schäden in Höhe von 280 bis 900 Milliarden Euro für Deutschland.
Nur die Hälfte der Hausbesitzer ist abgesichert
Laut Versicherungswirtschaft verfügt nur rund die Hälfte der privaten Gebäudeeigentümer über eine Elementarschadenversicherung. Mit einer solchen Police kann man sich gegen Schäden durch Sturm, Hagel, Überschwemmung, Erdbeben, Lawinen, Schneedruck und Vulkanausbrüche absichern.
NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) sagte dem Handelsblatt: „Es gibt dringenden Handlungsbedarf.“ Es dürfe nicht sein, dass das Thema nur unmittelbar nach einer Katastrophe auf der Agenda stehe und danach vergessen werde.
„Die Länder sind sich deshalb einig: Die bundesweite Pflichtversicherung für Elementarschäden muss kommen“, sagte Wüst.
Bereits im Juni 2022 hatte sich die Ministerpräsidentenkonferenz für die Einführung einer Pflichtversicherung für Elementarschäden ausgesprochen. Im Dezember erteilte jedoch Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) dem Vorhaben eine Absage. Er hielt eine bundesweite Pflichtversicherung politisch „für falsch“.
Es sei unangebracht, den Wohngebäudeeigentümern noch mehr Kosten aufzubürden. Buschmann hatte den Ländern jedoch freigestellt, eigene Regelungen zu schaffen.
Direkt danach hatten allerdings Teile der Bundesregierung auf weitere Beratungen zur Sache verwiesen, so etwa das Verbraucherschutzministerium.
Immense Kosten für Bund und Länder
NRW-Landeschef Wüst sagte: „Wir haben bereits im Juni 2022 eine Zusage des Bundeskanzlers erhalten, das Thema anzugehen. Doch bis heute hat der Bund keine brauchbaren Lösungswege präsentiert.“
Nun soll also die Bundesratsinitiative die Dinge vorantreiben. Per Antrag soll die Bundesregierung aufgefordert werden, „kurzfristig einen konkreten bundesgesetzlichen Regelungsvorschlag“ zur Einführung einer Elementarschaden-Pflichtversicherung zu erarbeiten. „Katastrophen machen nicht an Landesgrenzen halt“, heißt es in dem Antrag.
Bei der Ausgestaltung der Pflichtversicherung solle der finanzielle Aufwand für private Haushalte „in zumutbaren Grenzen“ gehalten werden.
Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sagte dem Handelsblatt: „Wir müssen bei diesem wichtigen Thema endlich vorankommen.“ Unwetter warteten nicht auf die Politik. „Jedes weitere Ereignis bringt hohe Schäden und immense finanziellen Folgekosten für Bund und Länder.“
Ohne bundesweite solidarische Pflichtversicherung könne der Staat das nicht auf Dauer stemmen. „Ein konkreter bundesgesetzlicher Regelungsvorschlag ist deshalb überfällig“, erklärte Kretschmann.
Eigentümer verdrängen Gefahren
Laut Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) lösen Starkregen, Hochwasser oder Erdrutsche nur kurzfristige Effekte bei Gebäudeeigentümern aus. „Direkt nach einer Naturkatastrophe haben die Menschen das Bedürfnis, sich abzusichern“, sagte GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen dem Handelsblatt. Leider nehme jedoch das Interesse „mit wachsendem zeitlichem Abstand zum Ereignis“ wieder ab.
Nach dem Hochwasser 2021 hätten die Versicherer etwa 400.000 neue Elementarschadenversicherungen bei Wohngebäuden registriert – viermal mehr als sonst in einem Quartal.
Asmussen verweist auf eine Untersuchung des Schweizer Rückversicherers Swiss Re, der zufolge bis zum Jahr 2040 die wetterbedingten Katastrophenschäden in Deutschland um 90 Prozent zunehmen werden. „Nur durch klimaangepasstes Bauen können die volkwirtschaftlichen Schäden der Zukunft durch Klimaänderungen und Extremwetterereignisse verringert werden“, so Asmussen. „Prävention und Klimafolgenanpassung sind der Dreh- und Angelpunkt, damit Schäden durch Naturkatastrophen und damit Versicherungsprämien finanziell nicht aus dem Ruder laufen.“
Mehr: Versicherer-Chef warnt vor Kostenexplosion bei Pflichtversicherung
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