Berlin, Brüssel Die Bundesregierung ist mit ihren Bemühungen, der Industrie leichteren Zugang zu subventionierten Preisbremsen für Strom und Gas zu gewähren, in wesentlichen Punkten gescheitert. Die EU-Kommission hat die entsprechenden Änderungswünsche verworfen.
Die EU-Kommission hatte am Donnerstag ihre neuen Regeln für staatliche Beihilfen vorgestellt. Demnach werden die Obergrenzen für die Hilfen nicht angehoben, außerdem erteilt die EU-Kommission dem Wunsch nach einer Verlängerung der Förderung über den Jahreswechsel 2023/24 hinaus bis Ende April 2024 eine Absage.
Noch schwerer wiegt für viele Unternehmen, dass die EU-Kommission auch an der umstrittenen Ebitda-Regelung festhält. Demnach muss ein Unternehmen, das die volle Förderung in Anspruch nehmen will, im Zeitraum vom 1. Februar 2022 bis Ende Dezember 2023 einen Rückgang des Gewinns vor Steuern und Abschreibungen (Ebitda) um mehr als 40 Prozent verzeichnen und diesen Rückgang bereits mit Antragstellung zusichern.
Die Bundesregierung hatte sich in einer zwölf Seiten umfassenden Stellungnahme vom 13. Februar an die EU-Kommission gewandt, um Einfluss auf die Ausgestaltung der künftigen Beihilferegelungen zu nehmen. Auf der ersten Seite des Schreibens werden die „zentralen Forderungen“ der Bundesregierung aufgelistet. Dazu zählen die Verlängerung des Förderzeitraums, eine Erhöhung der Beihilfeobergrenzen sowie eine Streichung des Kriteriums Gewinnrückgang.
Die Bundesregierung war damit den Forderungen der Industrie gefolgt. Industrieunternehmen hatten im Herbst vergangenen Jahres massive Kritik an der Ausgestaltung der Strom- und Gaspreisbremse geübt.
Habeck wandte sich auf Betreiben der Industrie an Brüssel
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sicherte daraufhin zu, sich bei der EU-Kommission für die Belange der Industrie einzusetzen. Zugleich hatte er aber darauf hingewiesen, dass die Brüsseler Behörde sich in Diskussionen mit Vertretern der Bundesregierung wenig flexibel zeige.
Das hat sich nun bewahrheitet. In der Industrie ist die Enttäuschung groß. „Die jetzt überarbeiteten Beihilfevorgaben der EU helfen uns bei der Anwendung der Preisbremsen nicht weiter“, sagte Jörg Rothermel, Energieexperte beim Verband der Chemischen Industrie (VCI). Das führe dazu, „dass auch weiterhin die volle Nutzung der Preisbremsen für viele Unternehmen nicht attraktiv sein wird“.
Branchenangaben zufolge sind allein von der Begrenzung der Beihilfen auf einen Höchstwert von 150 Millionen Euro 100 Unternehmen in Deutschland betroffen.
Die Unnachgiebigkeit der Kommission spiegelt einen Stimmungswandel wider. In Brüssel werden Energiepreisbremsen zunehmend kritisch gesehen. Die EU-Kommission sieht vor allem zwei Probleme: Zum einen belasten die Subventionen die Staatshaushalte und erschweren den Schuldenabbau. Zum anderen verzerren sie den Wettbewerb innerhalb der EU, weil finanzkräftigere Staaten wie Deutschland ihren Unternehmen stärker helfen können.
EU-Kommission appelliert, Energiehilfen zurückzufahren
Bei der Vorstellung der haushaltspolitischen Empfehlungen für 2024 appellierte Kommissionsvize Valdis Dombrovskis diese Woche an die Regierungen, ihre Energiehilfen zurückzufahren. „Die Zeit für breit angelegte Unterstützung ist vorbei“, sagte er. In dem Maße, wie die Energiepreise sinken, sollten die Staaten ihre Unterstützungsmaßnahmen auslaufen lassen.
Hinzu kommt die Sorge vor einer Verzerrung des Wettbewerbs. Deshalb betonte die liberale Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager am Donnerstag, dass die Beihilferegeln nur „gezielt, temporär und verhältnismäßig“ gelockert werden.
An einem anderen Punkt versucht die Bundesregierung gar nicht erst, Brüssel zu einem Sinneswandel zu bewegen. Das belegt die Antwort von Wirtschaftsstaatssekretär Patrick Graichen auf eine Frage der Unionsabgeordneten Maria-Lena Weiss. Die CDU-Politikerin wollte wissen, welche Änderungen die Bundesregierung bei den Energiepreisbremsen mit Hinblick auf die unterschiedlichen Entlastungsbeträge für verbundene und nicht verbundene Unternehmen plane.
Graichen antwortete, sein Haus strebe „in diesem Punkt keine Änderungen“ an. Um verbundene Unternehmen handelt es sich, wenn rechtlich selbstständige Unternehmen wirtschaftlich miteinander verbunden sind. Dabei kann es sich etwa um Unternehmen im Konzernverbund handeln.
Unternehmen lassen kein gutes Haar an Ausgestaltung der Preisbremsen
Die unterschiedliche Behandlung von verbundenen und nicht verbundenen Unternehmen schlägt sich nach Berechnungen des Industrieverbandes Feuerverzinken so nieder: Ein verbundenes Unternehmen mit zehn Standorten erhält bei einem maximalen Gesamtentlastungsbetrag von zwei bis vier Millionen Euro eine Entlastung von 200.000 bis 400.000 Euro pro Standort, ein nicht verbundenes maximal zwei bis vier Millionen Euro für einen Standort.
Aus Sicht der Branche ist das eine nicht nachvollziehbare Ungleichbehandlung. „Standorte einer Gruppe müssen wie Einzelstandorte betrachtet werden“, sagte Kai Seppeler, Vorstandmitglied des Industrieverbandes Feuerverzinken.
Der Verband verweist darauf, dass der ganz überwiegende Teil der Mitgliedsunternehmen Nachbesserungen an den Energiepreisbremsen für dringend erforderlich hält. Er beruft sich dabei auf eine Umfrage unter allen Mitgliedsunternehmen.
80 Prozent der Mitgliedsunternehmen kritisieren demnach den hohen bürokratischen Aufwand für die Antragstellung, 100 Prozent der Befragten halten die Schwellenwerte für zu niedrig oder falsch angesetzt, 75 Prozent geben an, dass sie trotz der Bremsen Mehrkosten bei Strom und Gas haben, die sich auf mehr als 50 Prozent belaufen.
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