Christine Lagarde kommt regelmäßig in das Europaparlament, doch an diesem Montag ist der Auftritt der Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB) alles andere als ein Routinetermin. Die Notrettung der Schweizer Großbank Credit Suisse und die anhaltenden Kursverluste der europäischen Bankaktien versetzen die Märkte in Aufruhr. Der Bankensektor erlebt den schwersten Vertrauensschock seit der Finanzkrise 2008.
Die EZB-Chefin muss die Zuversicht wiederherstellen – wieder einmal. Ihr Mittel: Normalität ausstrahlen. „Der Bankensektor in der Euro-Zone ist resilient“, sagte sie. Die EZB sei „sehr zuversichtlich“, dass die Banken mehr als genug Kapital und Liquidität hätten. Lagarde lobt die Schweizer Behörden für das „schnelle Handeln“ am Wochenende. Dies sei fundamental für die Finanzstabilität.
Die EZB beobachte die Lage an den Märkten und sei notfalls bereit einzugreifen. Man habe alle Instrumente und werde diese bei Bedarf auch einsetzen. „Das haben wir in der Vergangenheit demonstriert“, sagte die Französin im Parlament.
Muss die EZB mehr tun?
Ähnlich äußern sich seit Tagen die nationalen Aufseher und Politiker. Die Notenbankgouverneure Frankreichs, Italiens und Griechenlands betonten am Montag erneut, ihre Geldinstitute seien solide. Doch ist noch nicht entschieden, ob die Beschwichtigungen helfen – oder die Alarmstimmung an den Märkten noch verstärken.
Vorsichtshalber hat die EZB bereits erklärt, dass sie den Banken bei Bedarf zusätzliche Liquidität zur Verfügung stellen werde. Am Sonntagabend versprach sie in einem gemeinsamen Statement mit mehreren Notenbanken weltweit, den Banken einen leichteren Dollar-Tausch zu ermöglichen. In Krisen ist die US-Währung als sicherer Hafen besonders gefragt. Noch haben die Banken die Option kaum genutzt. Nur ein europäisches Finanzinstitut sicherte sich fünf Millionen Dollar, wie aus EZB-Daten am Montag hervorging.
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Die Frage ist dennoch, ob die EZB eventuell noch mehr tun muss. Die US-Notenbank Federal Reserve hat bereits ein Stützungsprogramm aufgelegt, mit dem sich Banken Liquidität bei der Fed beschaffen können. Hierfür hinterlegen sie Anleihen als Sicherheiten, die zum Nennwert anerkannt werden. Die Banken können die Papiere also zu dem Wert anrechnen lassen, den sie erhalten, wenn sie die Anleihen bis zum Ende der Laufzeit halten. Wenn die Institute die Papiere derzeit am Markt verkaufen müssten, würden sie hohe Verluste erleiden.
Nach aktuellem Stand gilt es als unwahrscheinlich, dass die EZB ein ähnliches Programm auflegt – aber das kann sich schnell ändern. Eine andere Option wären weitere Langfristkredite der Notenbank für die Banken. Eigentlich hat die EZB die Bedingungen für diese Kredite unter dem Akronym TLTRO („targeted longer-term refinancing operations“) zuletzt verschärft, damit die Banken diese zurückzahlen. Wenn es jedoch Sorgen um die Liquidität der Banken gibt, könnte sie möglicherweise umsteuern.
Aus Sicht von Beobachtern müssten jetzt nicht nur EZB und Fed handeln, sondern auch die Politiker. „Die Notenbanken haben in so einer Lage keine Wahl. Sie müssen Liquidität bereitstellen“, sagte Thierry Philipponat von der Nichtregierungsorganisation Finance Watch. Die Abgeordneten hingegen müssten endlich sicherstellen, dass nicht jede Bankenpleite gleich das ganze System ins Wanken bringe – und deshalb jetzt die Regeln nachschärfen.
Es gäbe sogar die Gelegenheit, denn EU-Kommission, Mitgliedstaaten und das Europäische Parlament verhandeln gerade darüber, wie das international vereinbarte Basel-III-Abkommen in Europa umgesetzt wird. Dabei geht es um schärfere Eigenkapitalvorschriften für Banken.
Die europäischen Aufseher hatten im vergangenen Jahr gefordert, die Basel-Vorgaben möglichst vollständig umzusetzen. Doch die Europaparlamentarier und die nationalen Regierungen beharrten auf zahlreichen Ausnahmen für ihre Heimatbanken. „Typisches EU-Verhalten“ sei das, sagte Philipponat. Allen voran die französische Regierung habe auf Erleichterungen für ihre Großbanken gepocht.
Ökonomen und Politiker fordern eine bessere Regulierung
Die Kursverluste der Banken zeigten eine „schwere Vertrauenskrise“, sagte der Ökonom. Das kombinierte Vermögen der Silicon Valley Bank, Signature Bank und Credit Suisse entspreche gerade einmal 0,5 Prozent des weltweiten Bankvermögens, und trotzdem gebe es solche Verwerfungen. „Die Anleger an den Märkten glauben also nicht, dass die Regeln für Banken ausreichen, um die Finanzstabilität zu sichern“, sagt Philipponat.
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Möglicherweise bringt die Krise nun ein Umdenken. Erste Politiker rufen nach einer Überprüfung der Regeln. „Ich erwarte, dass die Bundesregierung und die Finanzaufsicht aus den Fehlern der Credit Suisse lernen und unsere Regulierung evaluieren“, sagt der CDU-Bundestagsabgeordnete Ralph Brinkhaus. „Das ist auch eine europäische Aufgabe. Wir werden das im Parlament einfordern.“
Die Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses im Europaparlament, die italienische Sozialdemokratin Irene Tinagli, sagt, man müsse das europäische Regelwerk weiter verbessern, einschließlich einer gemeinsamen Einlagensicherung. Letztere war vergangenes Jahr unter anderem am Widerstand der deutschen Sparkassen gescheitert.
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