Berlin Die Betreiber der Stromübertragungsnetze gehen davon aus, dass sich der Stromverbrauch in Deutschland bis 2045 verdoppelt. Außerdem soll die installierte Leistung der erneuerbaren Energien um den Faktor fünf auf rund 700 Gigawatt (GW) steigen. Das geht aus dem ersten Entwurf des neuen Netzentwicklungsplans (NEP) hervor, den die vier Übertragungsnetzbetreiber in Deutschland am Freitag vorlegten.
Um den zusätzlichen Strom aus erneuerbaren Quellen ins Netz zu integrieren und einen sicheren Netzbetrieb zu garantieren, ist nach ihren Berechnungen ein massiver Ausbau der Netze erforderlich: „Die für das Jahr 2045 neu identifizierten Projekte umfassen Trassenlängen von insgesamt 14.197 Kilometern“, heißt es in einer Mitteilung der Netzbetreiber.
Davon entfielen 5742 Kilometer auf Netze an Land und 8455 Kilometer zur Anbindung von Offshore-Windparks. Dafür würden insgesamt 128,3 Milliarden Euro benötigt, rund 41,6 Milliarden für die Leitungen an Land und 86,7 für das Offshore-Netz, schreiben die Firmen weiter.
Bei den Übertragungsnetzbetreibern in Deutschland handelt es sich um die Unternehmen 50Hertz, Amprion, Tennet und TransnetBW. Sie sind dazu verpflichtet, regelmäßig einen Netzentwicklungsplan vorzulegen. Dieser bildet die Grundlage für den weiteren Netzausbau.
Am heutigen Freitag beginnt die öffentliche Konsultation des NEP-Entwurfs; bis zum 25. April können Stellungnahmen abgegeben werden. Sie fließen ein in den zweiten NEP-Entwurf, den die Übertragungsnetzbetreiber der Bundesnetzagentur zur Prüfung übergeben. Der NEP bildet die Grundlage für den weiteren Ausbau des Netzes.
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Die Daten des NEP-Entwurfs beziehen sich ausschließlich auf die Stromübertragungsnetze, also die großen „Stromautobahnen“, die den Strom über große Entfernungen durchs Land transportieren. Unabhängig davon müssen auch die Verteilnetze ausgebaut werden, die den Strom auf lokaler Ebene bis zum Werks- und Hausanschluss bringen. Diese Ausbauten sind nicht Teil des Plans.
Energiewende gelingt nur mit Netzausbau
Ohne den Netzausbau kann die Energiewende nicht gelingen. Weil sich die Struktur der Stromerzeugung mit dem rasanten Ausbau der Erneuerbaren wandelt, müssen die Netze entsprechend angepasst werden.
Immer größere Mengen Strom werden im Norden Deutschlands erzeugt. Dieser Strom muss in die Verbrauchszentren im Süden und Westen des Landes transportiert werden, wofür zusätzliche Leitungen notwendig sind. Engpässe im Stromübertragungsnetz führen heute dazu, dass die Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen zeitweise abgeregelt werden muss, weil der Strom nicht vollständig abtransportiert werden kann. Um den Strombedarf im Süden trotzdem decken zu können, müssen Ersatzkraftwerke eingesetzt werden – ein kostspieliges und ineffizientes Verfahren.
In den vergangenen Jahren haben die Stromübertragungsnetzbetreiber bereits viele Milliarden Euro in den Ausbau der Netze investiert. Trotz intensiver Bemühungen der Politik, den Netzausbau zu forcieren, hinkt der Ausbau den ursprünglichen Planungen hinterher. Die Netzbetreiber appellieren, die Voraussetzungen für eine weitere Beschleunigung des Netzausbaus zu schaffen.
In der Politik finden sie damit Gehör: „Klar ist, dass wir beim Ausbau der Erneuerbaren sowie bei Netzen und Speichern erheblich schneller werden müssen“, sagte FDP-Fraktionsvize Lukas Köhler dem Handelsblatt. „Deshalb sollten wir die Planungsbeschleunigung aus der EU-Notfallverordnung dauerhaft möglich machen“, empfahl der FDP-Politiker.
Der EU-Energieministerrat hat sich Ende vergangenen Jahres auf die Notfallverordnung verständigt, die zu einer weiteren Verkürzung und Vereinfachung von Genehmigungsverfahren führen soll. Sie gilt allerdings nur für Genehmigungsverfahren, die spätestens am 30. Juni 2024 beginnen.
Netzbetreiber kalkulieren Wasserstoff-Entwicklung mit ein
Der neue Netzentwicklungsplan definiert den zusätzlichen Ausbaubedarf, der mit den immer ambitionierteren politischen Zielen kontinuierlich wächst. Nach Angaben der Übertragungsnetzbetreiber unterstellt der Plan, dass bereits 2037 eine „umfassende Wasserstoffinfrastruktur“ zur Verfügung steht. „Der NEP geht davon aus, dass Elektrolyseure dort errichtet werden, wo sie netzdienlich sind“, heißt es bei den Übertragungsnetzbetreibern – also dort, wo es für das Stromnetz ideal ist.
Grüner Wasserstoff wird per Elektrolyse unter Zuhilfenahme von Strom aus erneuerbaren Quellen produziert. Die Übertragungsnetzbetreiber plädieren dafür, insbesondere im Norden Deutschlands Elektrolyseure aufzubauen, um dort Windstrom für die Wasserstoffproduktion einzusetzen. Das verringert den Ausbaubedarf für das Stromnetz.
Politisch ist das allerdings nicht unumstritten, weil der Süden Deutschlands dadurch von der Wasserstoffversorgung abgehängt werden könnte. Denn Wasserstoff lässt sich zwar transportieren, der Transport ist aber vergleichsweise aufwendig.
FDP-Politiker Köhler mahnt, die Standortwahl für die Wasserstoff-Elektrolyse möglichst offen zu gestalten. „An welcher Stelle letztlich Wasserstoff und an welcher Stelle die direkte Nutzung von Strom effizienter ist, regelt der Markt“, sagte er. „Außerdem ist klar, dass wir auch weiterhin auf Energieimporte angewiesen sein werden. Deshalb gehört zur Wasserstoffstrategie zwingend eine Importstrategie“, ergänzte er. Energieautarkie sei „weder realistisch noch erstrebenswert“.
Mehr: In der Nordsee soll eine komplette Netzinfrastruktur für Wasserstoff entstehen
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