Berlin Der Titel klingt ehrgeizig: In ihrem „Nationalen Reformprogramm“, welches das Bundeskabinett an diesem Mittwoch verabschieden soll, listet die Bundesregierung auf, wie sie auf gesamtwirtschaftliche und soziale Herausforderungen reagieren will.
Entstanden ist der 66-seitige Bericht, mit dem die Regierung auf sogenannte länderspezifische Empfehlungen der EU reagiert, unter Federführung des Wirtschaftsministeriums. Beschrieben wird beispielsweise, wie sich Deutschland aus der einseitigen Abhängigkeit von Energielieferanten lösen oder seine digitale Infrastruktur modernisieren will.
Doch zentrale Herausforderungen wie der Fachkräftemangel, die hohen Sozialabgaben oder die ausufernde Bürokratie würden in dem Programm viel zu wenig adressiert, kritisiert die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) in ihrer Stellungnahme zu dem Reformprogramm, die dem Handelsblatt vorliegt. Die Folge: „Deutschland verliert im internationalen Wettbewerb immer mehr an Rang und Namen.“
So liege die Steuer- und Abgabenquote hierzulande derzeit mit 42 Prozent auf einem historischen Höchststand. Dennoch bereite die Bundesregierung in der Pflegeversicherung schon die nächste Abgabenerhöhung vor, kritisieren die Arbeitgeber. Ohne Ausgabendisziplin und Reformen werde sich ein weiterer Anstieg der Sozialbeiträge nicht verhindern lassen.
Das von der Bundesregierung versprochene Belastungsmoratorium bleibe bisher ohne Wirkung, heißt es in der Stellungnahme weiter. Unverändert würden neue Aufzeichnungs- und Erfassungspflichten für die Unternehmen geplant, sei es bei der Arbeitszeit, der mobilen Arbeit oder der Kinderzahl von Beschäftigten für die Berechnung der Pflegebeiträge.
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„Was uns Unternehmern jetzt wirklich hilft, damit die Investitionspipeline nicht trockenläuft, sind klare Prioritäten und der Mut zur Veränderung – bei der staatlichen Haushaltsplanung, der Fachkräftesicherung, der Modernisierung der digitalen Infrastruktur und vor allem bei den grundlegenden Reformen der Sozialsysteme“, sagte Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger dem Handelsblatt.
Die länderspezifischen Empfehlungen, die der Europäische Rat jeweils im Sommer eines Jahres verabschiedet, dienen der Koordinierung und Überwachung der Wirtschaftspolitik in der EU mit dem Ziel, deren Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern.
Im vergangenen Jahr legten die Empfehlungen der Bundesregierung unter anderem nahe, die öffentlichen Investitionen für den ökologischen und den digitalen Wandel sowie die Energiesicherheit auszuweiten, steuerliche Anreize zur Erhöhung der Arbeitszeit zu setzen, die langfristige Tragfähigkeit der Rentenfinanzen zu sichern und Planungsverfahren für den Ausbau erneuerbarer Energien zu beschleunigen.
Wirtschaftsministerium verweist auf Jahreswirtschaftsbericht
Das Reformprogramm, mit dem die Bundesregierung auf die Empfehlungen reagiert, fällt um mehr als die Hälfte kürzer aus als im Vorjahr. Das Wirtschaftsministerium begründet dies damit, dass die für das Nationale Reformprogramm relevanten Themen zu einem Großteil bereits in dem im Januar verabschiedeten Jahreswirtschaftsbericht behandelt worden seien, auf den verwiesen wird.
Für die BDA ist der geringe Umfang dagegen „Konsequenz einer unzureichenden Reformagenda der Bundesregierung“. Der Wirtschaftsstandort Deutschland brauche jetzt volle Aufmerksamkeit, sagte BDA-Präsident Dulger. „Die Reformagenda der Bundesregierung wird dem nicht gerecht.“ Der kleinste gemeinsame Nenner der Koalition reiche nicht. „Die Stellungnahme der Bundesregierung ist eine vertane Chance.“
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