Mar 29, 2023
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Koalitionsausschuss: Die Ampel tut sich schwer – Keine Einigung beim Klimaschutz

Written by pinmin

Berlin Rund 31 Stunden haben die Spitzenvertreter von SPD, Grünen und FDP im Kanzleramt verhandelt, verteilt über drei Tage. Herausgekommen ist ein 16-seitiges Papier, das den Titel „Modernisierungspaket“ trägt.

Das Handelsblatt analysiert die wichtigsten Beschlüsse, auf die sich die Ampel verständigt hat – und welche Streitpunkte ungeklärt sind.

Beim Klimaschutzgesetz ist sich die Ampelkoalition noch nicht einig, worauf sie sich eigentlich verständigt hat. Man komme nun „aus der Planwirtschaft in die Marktwirtschaft“, frohlockten die Liberalen. „Statt unrealistischer Jahresziele zählt zukünftig konsequent das Ziel der Klimaneutralität im Jahr 2045“, schob die FDP nach. Die Grünen deuten das jedoch anders. Es sei „mitnichten so, dass die Sektorziele aufgegeben werden“, hieß es dort.

Das Klimaschutzgesetz sieht für die meisten klimaschutzrelevanten Sektoren jahresscharfe CO2-Obergrenzen vor. Erfüllt ein Sektor die Ziele nicht, muss das zuständige Ministerium Sofortmaßnahmen vorschlagen. Die Sektoren Verkehr und Gebäude verfehlen regelmäßig ihre Vorgaben. Korrekturen lassen sich aber meist nicht kurzfristig erreichen. Das führt dazu, dass Milliarden ausgegeben werden, um sich den Zielen zumindest noch zu nähern. Kritiker des Gesetzes halten das für ineffizient.

Im Abschlusspapier des Koalitionsausschusses heißt es nun, künftig werde die Bundesregierung im ersten Jahr einer Legislaturperiode ein umfassendes sektorübergreifendes Klimaschutzprogramm beschließen, um das Erreichen der Ziele sicherzustellen. Die Liberalen interpretieren das so, dass künftig wie beim Bundeshaushalt alle gemeinsam verantwortlich sind. „Wir müssen uns gemeinsam in der Verantwortung sehen“, sagte Verkehrsminister Volker Wissing, der seine Ziele das zweite Mal in Folge verfehlt hat.

Doch die Grünen dämpfen diese Hoffnung. So seien etwa die Defizite im Verkehr sehr viel größer als das, was man durch Übererfüllung der Ziele an anderer Stelle erreichen könne, heißt es. Die jeweiligen Ministerien blieben verantwortlich, ihre Ziele zu erreichen. Insofern habe sich am Klimaschutzgesetz „grundsätzlich nichts geändert“. Ökonomen erkennen in den Vereinbarungen des Koalitionsausschusses allerdings wie die Liberalen mehr Flexibilität – und begrüßen dies. Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm sagte: „Das führt zu effizienterem Klimaschutz – und dadurch mehr davon.“

„Es ist eine politische Kröte, die die Grünen schlucken müssen“, sagte der Düsseldorfer Ökonom Jens Südekum. Er halte die Entscheidung aber für sinnvoll, weil die CO2-Bepreisung ohnehin erweitert werde, was starre Sektorgrenzen noch weniger sinnvoll mache. Für sonderlich revolutionär hält Südekum die Beschlüsse allerdings nicht: „Wer auf einen großen Klimawumms gehofft hatte, der wurde vielleicht enttäuscht.“

Wärmewende: Viele Fragen ungeklärt

Beim Verbot von Gas- und Ölheizungen bleiben auch nach der Marathonsitzung der Ampelkoalition viele Fragen offen. Der umstrittene Entwurf des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) wird überarbeitet und soll im April vorgelegt werden. Die Wirtschaft hofft, dass er weniger strikt ausfällt. Dirk Salewski, Präsident des Bundesverbands Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW), sagte: „Der große Aufschrei und die Kritik an dem Entwurf des Gebäudeenergiegesetzes haben offenbar gewirkt.“

Das Gebäudeenergiegesetz (GEG) hat das Ziel, dass ab 2024 nur noch Heizungen eingebaut werden können, die mindestens zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. De facto läuft das auf ein Verbot reiner Öl- und Gasheizungen hinaus. Ob es bei diesem Termin bleibt, ist unklar. In dem Beschlusspapier wurde das Datum nicht direkt bestätigt.

Koalitionsausschuss

Die Parteichefs der Koalitionsparteien Lars Klingbeil (SPD, r-l) Ricarda Lang (Grüne) und Christian Lindner (FDP) sind mit sich zufrieden.


(Foto: dpa)

In der Wirtschaft kam der Hinweis gut an, dass auf „Technologieoffenheit“ geachtet werden solle. Bislang liefen die Pläne vor allem auf elektrisch betriebene Wärmepumpen hinaus. Künftig solle auch der Betrieb von Heizungen mit grünem und blauem Wasserstoff oder Biomasse möglich werden, kündigte FDP-Chef Christian Lindner an. Zustimmung dafür kam von der Vorsitzenden der Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer: „Auch hier zeichnet sich, je nach konkreter Ausgestaltung im Detail, eine pragmatische und vernünftige Lösung ab“, sagte sie.

Die Grünen halten die Öffnung für mit Wasserstoff betriebene Heizungen für reine Kosmetik. Der Wasserstoff-Einsatz im Wärmesektor werde auf Einzelfälle beschränkt bleiben, heißt es. Elektrische Wärmepumpen seien wesentlich effizienter und würden sich durchsetzen.

Planungs- und Beschleunigungsverfahren: Kaum Tempo

Keine Neuigkeiten gab es zur geplanten Förderung und Unterstützung der Menschen beim Austausch ihrer Heizungen. Im Beschluss heißt es lediglich: „Das Gesetz wird dabei pragmatisch ausgestaltet, unbillige Härten auch zum sozialen Ausgleich werden vermieden und sozialen Aspekten angemessen Rechnung getragen; auch für Mieterinnen und Mieter.“ Wie genau die Unterstützung aussehen wird, soll nun in der Regierung geklärt werden.

Nach langem Widerstand haben die Grünen nun doch zugestimmt, Autobahnen ebenso bevorzugt und beschleunigt zu bauen wie Infrastrukturprojekte für die Energiewende. Der Koalitionsausschuss unterstützt das Vorhaben von Bundesverkehrsminister Volker Wissing, auch 144 Autobahnprojekte zum „überragenden öffentlichen Interesse“ zu erklären. Den Grünen bleibt der Trost, dass entlang dieser Strecken auch Photovoltaikanlagen aufgebaut werden sollen und bei jedem Projekt das jeweils betroffene Bundesland den verkürzten Verfahren zustimmen muss.

Zweifel hingegen gibt es, ob diese gesetzliche Festsetzung mehr Tempo in die Verfahren bringt. „Das im Koalitionsvertrag ausgerufene Ziel der Halbierung der Verfahrensdauern wird sich auch damit nicht erreichen lassen“, kritisierte Christiane Kappes, Partnerin bei CMS Hasche Sigle. Sie hat als Verwaltungsjuristin Großprojekte wie die Fehmarnbeltquerung begleitet und ebenso den Turbo-Bau von Flüssiggasterminals an der Küste.

Die gesetzliche Regelung des überragenden öffentlichen Interesses für bestimmte Schienenvorhaben und besonders wichtige Bundesfernstraßen sei vielleicht „hilfreich für behördliche Abwägungsentscheidungen und Ausnahmeprüfungen“, sagte Kappes. Das Beschleunigungspotenzial sei dennoch begrenzt. Entscheidend seien „die Anforderungen an die umweltfachlichen Untersuchungen“. Kürzere Fristen helfen dann nicht weiter, denn korrekt abgearbeitet werden müssen die Anforderungen trotzdem. Ansonsten drohen Probleme vor den Verwaltungsgerichten. Verkehrsminister Wissing hofft, zumindest die Gerichtsverfahren deutlich abzukürzen.

Deutsche Bahn: Vorfahrt bleibt aus

„Im Bereich der Planungsbeschleunigung ist mit den Beschlüssen sicher nicht der große Wurf gelungen“, räumt der Grünen-Fachpolitiker Lukas Benner ein. „Insgesamt ist es nun umso wichtiger, dass sich Bund und Länder endlich beim Pakt für Planungsbeschleunigung einigen, um die zentralen Baustellen des Personalmangels und der Digitalisierung gemeinsam anzugehen.“

Verspätete Züge oder ausfallende Züge gehören zum Alltag auf dem maroden Schienennetz. Dieses will die Koalition nun sanieren und stellt dazu neben den ohnehin schon geplanten 42 Milliarden Euro weitere 45 Milliarden bis 2027 bereit. Allerdings ist schon diese Zahl, die die Bahn bei Verkehrsminister Wissing platziert hat, um das Netz bis 2027 zu sanieren, mehr als fraglich. So soll das Geld aus der Lkw-Maut kommen, die Ende des Jahres mit einer CO2-Kompomente von 200 Euro je Tonne fast verdoppelt werden soll.

Infrastrukturprojekte

Auch bei der Deutschen Bahn wird es noch lange Baustellen geben.


(Foto: dpa)

Mit sechs Milliarden Euro aus der Klima-Maut rechnet die Koalition pro Jahr, fünf davon soll die Bahn erhalten. Macht bis zum Ende der Legislaturperiode zunächst allenfalls zehn Milliarden Euro, bis 2027 20 Milliarden. Woher der Rest kommt, ist offen. Auch muss noch das Mautgesetz geändert werden. Dort steht bislang, dass die Einnahmen aus der Lkw-Maut „in vollem Umfang zweckgebunden für die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur für die Bundesfernstraßen verwendet“ werden sollen.

Die 200 Euro je Tonne extra hatte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bereits in seinem Entwurf für ein Klimaschutzsofortprogramm vorgesehen. Verkehrsminister Wissing hingegen wollte die Klima-Maut stufenweise einführen, da die Transportbranche angesichts fehlender klimaneutraler Lastwagen noch nicht auf alternative Antriebe ausweichen kann. Die wenigen vorhandenen Fahrzeuge kosten drei bis zehn Mal so viel wie ein Diesel-Lkw. Kein Wunder, dass Dirk Engelhardt, Vorstandssprecher beim Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung, von „politischem Harakiri“ spricht. „Ohne am Markt verfügbare Alternativen zum Diesel-Lkw und ohne Ladeinfrastruktur fehlt jedwede Lenkungswirkung zugunsten des Klimaschutzes. Damit belastet die Ampel nur den Endverbraucher.“

Zweifel gibt es daran, wie ernst es Verkehrsminister Wissing damit meint, dass die Bahn bis 2030 doppelt so viele Menschen und gut zwei Drittel mehr Güter auf der Schiene transportieren wird. Wissing selbst verweist auf das enorme Verkehrswachstum bis 2051.

„Wenn man nicht dafür sorgt, dass diese Leistung erbracht werden kann, dann reduziert sich unser Potenzialwachstum“, sagt er und pocht deshalb auf Investitionen in neue Straßen: „Weil die Straße der Hauptverkehrsträger ist, ist es nicht denkbar, künftig auf die Straße zu verzichten.“ Auch gelte mit der Elektrifizierung des Straßenverkehrs nicht mehr das Paradigma, dass Verkehr auf die Schiene zu verlagern dem Klima mehr nütze.

Fazit: Copy-Paste-Politik

Die Beschlüsse der Koalition entsprechen in weiten Teilen dem, was SPD, Grüne und FDP bereits vereinbart haben. Viele der Maßnahmen finden sich zum Teil wortgleich in Konzepten der Vorgängerregierung oder sind kopiert aus dem Entwurf für ein Klimaschutzsofortprogramm. Dies hatte Klimaminister Habeck im November vorgestellt. Seitdem stritt er darüber mit Verkehrsminister Wissing. Der Grund: All die genannten Maßnahmen – von steuerlichen Förderungen, Programmen für die Schiene wie die Straße, für Antriebe und Digitalisierung über Investitionen bis hin zu Mobilitätsplänen – reichen nicht aus, um die Klimaziele im Verkehrssektor zu erfüllen.

Viel Neues findet sich nicht, allenfalls eine lange Passage, wie die Regierung künftig den Einsatz synthetischer Kraftstoffe fördern will. Und so bleibt offen, wie der Verkehrssektor bis 2030 seine Emissionen von rund 150 Millionen Tonnen Kohlendioxid auf 85 Millionen Tonnen senkt und nicht die Jahresziele aus dem Klimaschutzgesetz immer wieder verfehlt. Insofern könnte Wissing davon profitieren, dass die Sektorziele nun aufgeweicht und die Verantwortung auf die gesamte Bundesregierung delegiert wird.

Mehr: Länder drängen auf schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren.



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