Rampal In den Feuchtgebieten der gewaltigen Ströme Ganges, Brahmaputra und Meghna am Golf von Bengalen erstrecken sich die größten Mangrovenwälder der Welt. Reisbauern und Fischer haben dort ein auskömmliches Leben. Doch nun soll nahe der Sundarbans noch in diesem Jahr ein Kohlekraftwerk in Betrieb gehen.
Mit 168 Millionen Einwohnern gehört Bangladesch zu den am dichtesten besiedelten Ländern der Welt. Sobald das Kraftwerk seine volle Kapazität erreicht hat, soll es 1320 Megawatt Strom erzeugen – so viel wie das größte Kohlekraftwerk des Landes. Nach offiziellen Angaben soll es dazu beitragen, den Energiebedarf des Landes zu decken und den Lebensstandard zu verbessern.
Das im Volksmund als Rampal-Kohlekraftwerk bezeichnete Maitree Super Thermal Power Project soll jährlich etwa 4,7 Millionen Tonnen Kohle verheizen und damit rund 15 Millionen Tonnen Kohlendioxid und andere Treibhausgase ausstoßen. Zudem sollen täglich rund 12.000 Tonnen Kohle per Schiff durch die Sundarbans-Mangrovenwälder transportiert werden, was zu Befürchtungen bezüglich Wasserverschmutzung führt.
Da ein Großteil Bangladeschs auf oder knapp unter dem Meeresspiegel liegt, leidet es unter schweren Überschwemmungen bei Wirbelstürmen und unregelmäßigen Regenfällen. Millionen Menschen leben mit dem Risiko, von extremen Wetterereignissen vertrieben zu werden.
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Erst vor zwei Wochen waren 20.000 Menschen von Überflutungen durch den Wirbelsturm „Sitrang“ betroffen. 24 Menschen starben, 10.000 verloren ihr Zuhause und auf mehr als 6000 Hektar waren die Ernten zerstört. „Wenn es schlimm kommt, müssen wir unseren Besitz verkaufen und abwandern“, sagt der Landwirt Luftar Rahman.
Warnungen von Forschern
Nach Warnungen führender Wissenschaftler darf es keine neuen Projekte mit fossilen Brennstoffen geben, wenn die Welt die Erwärmung auf das im Pariser Abkommen festgelegte Ziel von 1,5 Grad Celsius begrenzen will. Obwohl Bangladesch zu den Ländern mit den niedrigsten Emissionen weltweit gehört, hat es sich verpflichtet, seine Emissionen insgesamt bis 2030 um 22 Prozent zu senken.
Dennoch wurde das kohlefressende Maitree Super Thermal Power Project gebaut, denn der Energiehunger des Landes ist groß: Im Oktober brach das Stromnetz zusammen, so dass 80 Prozent Bangladeschs von einem siebenstündigen Stromausfall betroffen waren.
Solch lange Stromausfälle beeinträchtigen die Unternehmen, darunter auch die Bekleidungsindustrie, die 80 Prozent der Exporte ausmacht – Bangladesch ist nach China der zweitgrößte Bekleidungsexporteur der Welt. „Wir warten verzweifelt darauf, mit der Stromerzeugung in Rampal beginnen zu können“, sagt Tawfiq-e-Elahi Chowdhury, Energieberater der Regierungschefin von Bangladesch. „Dieses Kraftwerk wird definitiv dazu beitragen, unsere Energiesorgen zu lindern.“
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Gleichzeitig fordert Bangladesch Mittel für ärmere Länder, um sich an die verheerenden Auswirkungen der Erderwärmung anzupassen. Bis Mai 2022 hatte das Land den Vorsitz des Climate Vulnerable Forum inne, eines Zusammenschlusses von Ländern, die durch die Erwärmung besonders gefährdet sind. Nach Schätzungen der Weltbank könnte Bangladesch jährlich umgerechnet 570 Millionen Euro Schäden durch klimabedingte, extreme Wetterereignisse erleiden.
Land verfügt über saubere Ressourcen
Bangladesch hat zwei aktive Kohlekraftwerke und braucht Experten zufolge ein weiteres. Im Juni stoppte es den Betrieb von Dieselkraftwerken wegen steigender Brennstoffpreise. „Wir müssen in Stromübertragungs- und Stromverteilungssysteme investieren“, betont Khondaker Golam Moazzem von der Denkfabrik Centre for Policy Dialogue in Dhaka. „Das wäre für das Land im Moment sehr viel vorteilhafter.“
Zudem verfügt das Land über sauberere Ressourcen: „Bangladesch hat ein riesiges Potenzial für Erdgas“, sagt der Ökonom und Umweltschützer Anu Mohammad in Dhaka. „Die Onshore- und Offshore-Erforschung und Erschließung von Gasvorkommen kann im Vergleich zu Kohle eine bessere Option sein.“
Erneuerbare Energien versorgen bereits Millionen von Haushalten in Bangladesch. „Bangladesch verfügt über eines der am schnellsten wachsenden Systeme für Solarenergie in Privathaushalten“, sagt Saleemul Huq, Direktor des in Dhaka ansässigen International Centre for Climate Change and Development. „Eine weitere Option ist die Offshore-Windenergie. Mit den neuesten verfügbaren Technologien ist es denkbar, dass die im Golf von Bengalen erzeugte Windenergie nicht nur den Bedarf von Bangladesch, sondern auch von Regionen im benachbarten Indien und Myanmar decken kann.“
Die Rampal-Kohlemine wird von den Regierungen Bangladeschs und Indiens finanziert. Die Sundarbans-Mangrovenwälder wurden nach Behördenangaben wegen der vorhandenen Wasser- und Schifffahrtsanlagen ausgewählt. Die Kohle für das Kraftwerk soll auch aus Indien kommen.
Mangrovenwälder in Bangladesch
Die Sundarbans, auf Bengali „schöner Wald“, entwickelten sich über Jahrtausende aus den gewaltigen Flüssen des indischen Subkontinents. Der Ganges, der Brahmaputra und der Meghna hinterlassen wertvolle Sedimente, die sie über Tausende Kilometer vom Himalaya bis zum Indischen Ozean sammeln.
„Die Mangroven-Wälder sind eine natürliche Barriere gegen die negativen Auswirkungen des Klimawandels, und wenn sie in Mitleidenschaft gezogen werden, so werden auch die zehn Millionen Menschen darunter leiden, die in diesem Küstendelta leben“, warnt Mohammad. „Es gibt viele Alternativen zur Stromerzeugung. Doch es gibt keine Alternative zu den Sundarbans.“ Mangrovenwälder sind nach Angaben von Experten sogar wirksamer als normale Wälder, wenn es darum geht, Kohlendioxid aus der Atmosphäre zu saugen.
„Zu Zeiten meines Großvaters wurde der gesamte Reis, den wir brauchten, auf unserem Land geerntet. Es gab genug Reis und Fisch für alle“, sagt der 60-jährige Abul Kalam, der sein gesamtes Leben in den Sundarbans verbracht hat. „Wenn dieses Kraftwerk gebaut wird, wird es in unserer Gegend keinen Fisch mehr geben. Und wie können wir etwas anbauen, wenn sie hier giftige Abwässer einleiten?“
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