Es gebe seit Wochen „keine Bewegung“, sagte der CDU-Politiker dem Handelsblatt. Der Bund müsse sich „klar zu seiner Verantwortung bekennen, gerade bei der fairen Verteilung der Kosten“. Jeden Tag kämen neue Schutzsuchende in Deutschland an.
Für diesen Donnerstag hat die CDU/CSU-Bundestagsfraktion rund 700 Bürgermeister und Landräte nach Berlin eingeladen, „um zuzuhören und mit der Kommunalpolitik in einen offenen Austausch über die Asyl- und Flüchtlingspolitik zu treten“. Der hessische Ministerpräsident Boris Rhein wies darauf hin, dass seit dem Beginn der Flüchtlingskrise 2015 nicht mehr so viele Menschen nach Deutschland zugewandert seien.
„Es ist deshalb völlig klar, dass wir Migration und Zuwanderung steuern und begrenzen müssen“, forderte der CDU-Politiker. „Wir haben jetzt zwei erfolglose Gipfelchen hinter uns gebracht, die beim Thema überhaupt keinen Fortschritt erzielt haben“, sagte Rhein und kritisierte damit die zuständige Bundesministerin Nancy Faeser.
Die SPD-Politikerin tritt für ihre Partei als Spitzenkandidatin bei der Landtagswahl im Oktober an. „Am 10. Mai macht der Bundeskanzler dieses wichtige Thema endlich zur Chefsache“, sagte Rhein. Die Städte und Kommunen fühlen sich vom Bund im Stich gelassen. Zwar gab es zuletzt im Februar einen Flüchtlingsgipfel bei Faeser. Statt Milliarden versprach die Ministerin aber nur eine bessere Abstimmung zur Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen.
Vereinte Nationen sprechen von der bislang größten Flüchtlingskrise
Im Januar 2023 hatte sich die Zahl der Erstanträge im Vergleich zum Vorjahresmonat mehr als verdoppelt – von 13.776 auf 29.072 Anträge. Im Februar gingen beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) 26.149 Asylanträge ein. Rund 24.000 davon betrafen Menschen, die erstmals in Deutschland einen Asylantrag stellten. 2022 waren es im Februar 13.915.
Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine werden in der EU aufgenommen, ohne einen Asylantrag stellen zu müssen. Russland hat mit dem Überfall auf das Nachbarland am 24. Februar 2022 nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) die größte Flüchtlingskrise der Welt ausgelöst. Etwas mehr als eine Million Kriegsflüchtlinge – vorwiegend Frauen und Kinder – kamen allein nach Deutschland. Nach Angaben aus den Bundesländern kommt die Mehrheit der Flüchtlinge seit Jahresbeginn nicht mehr aus der Ukraine, sondern aus Syrien, Afghanistan und der Türkei.
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Die Ministerpräsidenten hatten Mitte März bei ihrer letzten Konferenz gefordert, dass der Bund sich mindestens zur Hälfte an den Flüchtlingskosten beteiligt. Auch SPD-Politiker wie Stephan Weil (Niedersachsen) fordern dies. Hessen hat nach Auskunft von Ministerpräsident Rhein 2022 rund 800 Millionen Euro an die hessischen Kommunen gezahlt. „500 Millionen Euro kamen vom Land, 300 Millionen Euro vom Bund.“ Neben Geld fordert er „eine echte Rückführungsoffensive“. Diese habe die Ampelkoalition in ihrem Koalitionsvertrag ankündigt.
Sachsen-Anhalts Regierungschef Reiner Haseloff (CDU) forderte den Bund auf „noch entschiedener“ illegale Migration zu unterbinden. Er müsse stärker auf den Schutz der EU-Außengrenzen hinwirken sowie „bei illegalem Aufenthalt konsequentere Rückführungen ermöglichen“.
Zwischen Bund, Ländern und Kommunen schwelt seit Monaten ein Streit über die Finanzierung der Flüchtlingsunterbringung. Im vergangenen Jahr gab es Bundeshilfen in Höhe von 3,5 Milliarden Euro. Für dieses Jahr hat der Bund 2,75 Milliarden Euro zugesichert. Die Kommunen schätzen indes die Kosten in diesem Jahr für Asylbewerber und Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine auf rund acht Milliarden Euro. Die Finanzierung dürfte beim Bund-Länder-Gipfel mit Kanzler Scholz ein zentrales Thema werden.
Städtebund begrüßt Flüchtlingsgipfel von Friedrich Merz
An dem Kommunalgipfel der Union an diesem Donnerstag nimmt auch der sächsische Ministerpräsident teil. „Aus meinen Gesprächen mit Bürgermeistern und Landräten ergibt sich ein sehr klares Bild: Die Kommunen wollen helfen, aber die Aufnahmekapazitäten sind vielerorts nahezu erschöpft. Die Unterbringung neuer Flüchtlinge ist kaum noch zu bewältigen“, sagte Michael Kretschmer dem Handelsblatt.
Geld und fehlende Unterkünfte seien eines. „Hinzu kommt, dass Kommunen bei Sprachkursen, bei der Integration in Kitas und Schulen immer häufiger an Grenzen stoßen, weil schlicht das Personal dafür fehlt“, warnte der CDU-Politiker. „Auch darf nicht ausgeblendet werden, dass die Akzeptanz in der Bevölkerung angesichts der anhaltend hohen Flüchtlingszahlen schwindet.“
Der Bund müsse illegale Migration eindämmen und dürfe in dieser Situation nicht unabgesprochen neue Aufnahmeprogramme auf den Weg bringen, um etwa EU-Staaten wie Italien zu entlasten. Dies sei „ein Unding“.
Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, begrüßte die Initiative der Union. Es sei „gut und richtig“, dass sich die Opposition mit Städten, Gemeinden und Kreisen darüber austausche, wie die Situation vor Ort ist, sagte Landsberg dem Handelsblatt. „Man kann nämlich teilweise den Eindruck gewinnen, dass in Berlin die Dramatik vor Ort noch nicht erkannt wird oder nicht gesehen werden will.“
Landsberg, der selbst CDU-Mitglied ist, sah ein „durchaus positives Echo“ auf die Veranstaltung bei Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern. Insoweit könne das Treffen den Druck erhöhen, dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) beim für den 10. Mai geplanten Bund-Länder-Gipfel zu Flüchtlingskosten eine „vernünftige Lösung“ finde.
Der Deutsche Landkreistag hält es generell für richtig, wenn die Parteien zu drängenden Fragen auch Landräte und Bürgermeister hören. An der Veranstaltung der Union würden auch „zahlreiche“ Landräte teilnehmen, sagte ein Sprecher dem Handelsblatt. Der Präsident des kommunalen Spitzenverbands, Reinhard Sager, ebenfalls CDU-Mitglied, werde aber „aus Termingründen“ an dem Treffen nicht teilnehmen.
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