New York, Brüssel, Berlin Die US-Zwischenwahlen könnten auch bei der Außenpolitik ihre Spuren hinterlassen. Es würde jedenfalls schwierig werden für US-Präsident Joe Biden, seine Außenpolitik weiterzuführen wie bisher, sollten die Republikaner am Ende doch knapp die Mehrheit in einer oder beiden Kongresskammern holen.
Vor allem bei der Ukrainepolitik könnten sie demnächst bremsen: Bisher sind die USA mit 52 Milliarden Euro die mit Abstand größten Unterstützer der Ukrainer im Krieg gegen den Aggressor Russland. Zum Vergleich: Die europäischen Länder und EU-Institutionen kommen gemeinsam auf nur knapp 29 Milliarden Euro. Aber das könnte sich vielleicht in den kommenden Monaten ändern.
Bereits im Vorfeld der Wahlen hatten gleich mehrere Republikaner den bisherigen großzügigen Beistand für die Ukraine infrage gestellt. Der Republikaner-Chef des Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, hatte im Wahlkampf gedroht: „Wir werden der Ukraine keinen Blankoscheck ausstellen.“ Er könne die militärischen und humanitären Hilfen an die Ukraine blockieren, sollte er zum Sprecher der Kammer gewählt werden.
Die Republikanerin aus Georgia, Marjorie Taylor Greene, versprach gar: „Unter den Republikanern wird nicht ein einziger Penny mehr an die Ukraine gehen.“ Die ultrarechte Politikerin wurde am Dienstag wiedergewählt. Auch wenn es wahrscheinlich so weit nicht kommen wird, wachsen die Stimmen derer, die zumindest eine Reduzierung der amerikanischen Ukrainehilfe fordern.
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Noch vor wenigen Monaten hatten ausgerechnet die Republikaner im Kongress US-Präsident Biden gedrängt, die Ukrainehilfen auszuweiten — McCarthy selbst war einer der lautesten Fürsprecher. Doch seitdem hat sich die Lage geändert. Auch unter den Wählern der Republikaner ist die Unterstützung der Ukraine nicht mehr so nachdrücklich gewünscht wie zu Beginn des Krieges.
In einer aktuellen Umfrage des „Wall Street Journals“ sagen 30 Prozent aller befragten Amerikaner, die Regierung Bidens engagiere sich zu sehr für die Ukraine. Im März waren es noch sechs Prozent. Vor allem bei den republikanischen Wählern sind die Milliardenhilfen unbeliebt: 48 Prozent finden sie übertrieben. Unter den Demokraten sind es nur sechs Prozent.
Der US-Präsident steht bei seiner Außenpolitik vor Herausforderungen.
(Foto: AP)
Der ehemalige deutsche Außenminister und Vizekanzler Sigmar Gabriel, heute Chef der Atlantikbrücke, mahnte bereits vor der Wahl im Handelsblatt-Podcast-Interview: Die Drohung McCarthys, die Ukrainehilfen zurückzufahren, hieße im „Umkehrschluss, dass wir Europäer dann auf einmal alleine mit diesem Konflikt dastehen“. Sollte McCarthy für seine Politik eine Mehrheit bekommen, würde Biden handlungsunfähig. Das würde „sicher Putin freuen, uns Europäer nicht“, stellte Gabriel klar.
Sigmar Gabriel zur amerikanischen Außenpolitik und ihren Folgen für Europa:
Auch Jeffrey Rathke, ehemaliger US-Diplomat und Leiter des American Institute for Contemporary German Studies an der Johns-Hopkins-Universität in Washington, glaubt, dass sich die Europäer darauf einstellen müssen, dass es künftig mehr kritische Fragen geben wird, warum sie selbst nicht mehr in der Ukraine tun. Rathke betont aber auch, dass Biden als US-Präsident immer noch viele Befugnisse bei der Außenpolitik habe.
Kaum Änderung bei der China-Politik zu erwarten
Zudem habe Biden die Möglichkeit, noch vor Jahresende und damit vor der neuen Besetzung im Haus Budgets zur Ukrainehilfe zu erhöhen und damit finanziell vorzusorgen. Darüber hinaus sei es noch nicht ausgemacht, dass die Republikaner die Hilfen wirklich verhinderten. „Es gibt eine ganze Reihe von innenpolitischen Themen, die mehr Resonanz hätten“, sagt Rathke.
Bei der Chinapolitik ist eher wenig Veränderung zu erwarten. Schließlich geht es beiden Parteien darum, die Macht Chinas einzudämmen. Biden hat die Strafzölle seines Vorgängers Donald Trump nicht zurückgenommen.
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Stattdessen hat Washington kürzlich den Export von Halbleitern und Produktionsmaschinen nach China stark beschränkt und damit einigen chinesischen Unternehmen ernsthafte Probleme bereitet. Auch bei der in Europa umstrittenen Förderung der Batterieproduktion für E-Autos im Land geht es unter anderem darum, die Abhängigkeit von China zu reduzieren.
In Europa sieht man die Auswirkungen der Midterms auf die US-Außenpolitik mehrheitlich gelassen, mahnt aber eine engere transatlantische Zusammenarbeit an. „Die vorhergesagte schwere Wahlniederlage der Demokraten bleibt aus“, sagte EU-Parlamentarier David McAllister (EVP-Fraktion), der dem Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten vorsitzt.
Die USA haben die Ukraine bislang stark mit Waffenlieferungen unterstützt.
(Foto: AP)
Gleichwohl sei zu erwarten, dass Biden künftig in der Innenpolitik um Mehrheiten kämpfen müsse, falls es zu einer republikanischen Mehrheit im Repräsentantenhaus komme. „Damit könnte sich Bidens Fokus auf die Außenpolitik verschieben“, erklärte McAllister. Die Folgen seien für Europa nicht zu unterschätzen, das gelte vor allem in Bezug auf die von Biden gewählte härtere Gangart gegenüber China und eine geopolitische Orientierung in Richtung Indo-Pazifik.
Wirtschaft hofft auf Zusammenarbeit
Die deutsche Wirtschaft mahnte zu mehr Zusammenarbeit zwischen den USA und Europa. „Nach den Kongresswahlen müssen beide Seiten weiter mit aller Kraft an den transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen arbeiten“, sagte BDI-Präsident Siegfried Russwurm. Er forderte, die Fortschritte und Annäherungen der vergangenen zwei Jahre zu bewahren und auszubauen. Keinesfalls dürfte sich der Einfluss isolationistischer Stimmen verstärken.
„Die Erwartung war, dass es eine republikanische Welle für Trump geben würde“, sagte CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen. Diese Welle sei ausgeblieben. Auch Reinhard Bütikofer, transatlantischer Sprecher der Grüne/EFA-Fraktion im Europaparlament, zeigte sich erleichtert. Doch auch wenn die Wiederkehr Trumps als US-Präsident nun etwas unwahrscheinlicher geworden sei, müsse sich die EU auf weitere Verschiebungen im Verhältnis zu den USA einstellen.
Mehr: Dauer-Wahlkampf und Blockade in den USA sind keine gute Nachricht für Europa
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