Mar 31, 2023
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Strommarkt: Bundesregierung unterschätzt laut Studie Bedarf an Gaskraftwerken

Written by Klaus Stratmann

Berlin Zusätzliche 25 Gigawatt (GW) Kapazitäten an Gaskraftwerken: Mit diesem Bedarf rechnet Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bis 2030. Demnach müssten 50 neue Kraftwerke der 500-Megawatt-Klasse entstehen. Doch der Wert könnte zu tief gegriffen sein.

Florian Haslauer, Geschäftsführer des auf Energiethemen spezialisierten Beratungsunternehmens E.venture, geht von anderen Größenordnungen aus. „Um die Versorgung sicherzustellen, müssen im Jahr 2040 rund 90 GW wasserstofffähige Gaskraftwerke zur Verfügung stehen. Davon dienen 15 GW als Netzreserve, 75 GW stehen dem Strommarkt zur Verfügung“, kalkuliert Haslauer.

Zusätzliche Gaskraftwerke spielen eine Schlüsselrolle im Stromversorgungssystem der Zukunft. Sie sollen immer dann zur Verfügung stehen, wenn Windräder und Photovoltaikanlagen nicht ausreichend Strom liefern. Sie sind somit die Back-up-Kapazitäten eines auf erneuerbaren Energien basierenden Stromsystems. Anfangs sollen sie mit Erdgas betrieben werden, später mit Wasserstoff.

„In der politischen Debatte ist häufig davon die Rede, bis 2030 seien zwischen 15 und 25 GW zusätzlicher Gaskraftwerkskapazitäten erforderlich. Der Wert ist nach unserer Überzeugung erheblich zu niedrig angesetzt“, sagt Haslauer. „Der Bedarf wird krass unterschätzt“, resümiert er. Das gelte insbesondere dann, wenn Deutschland bis 2030 aus der Kohle aussteigen will.

Haslauer beruft sich auf eine noch unveröffentlichte Studie, die sein Unternehmen angefertigt hat. Darin werden die Anforderungen an den künftigen Strommarkt definiert, der vom Einsatz erneuerbarer Energien dominiert wird.

Stromerzeugung orientiert sich nicht am Strombedarf

Die E.venture-Studie kommt zu dem Ergebnis, dass bei einer hundertprozentigen Abdeckung des Strombedarfs durch Wind und Photovoltaik, die in Deutschland für 2035 angestrebt ist, immer noch 5.000 Stunden pro Jahr zu wenig Strom aus erneuerbarer Energie erzeugt wird.

Das erklärt sich so: Selbst wenn man Wind- und Sonnenstrom-Kapazitäten in einem Umfang installiert hat, der ausreicht, um den Strombedarf eines Jahres zu decken, wird sich die Stromerzeugung nicht am Strombedarf orientieren. Vielmehr wird es Phasen mit einem Überangebot an Wind- und Sonnenstrom geben. In diesen Phasen wird man den Überschuss-Strom beispielsweise per Elektrolyse in Wasserstoff umwandeln.

Windräder

Die Bundesregierung hat ambitionierte Ziele bei den Erneuerbaren Energien.


(Foto: dpa)

Andererseits wird es Phasen geben, in denen mangels Wind und Sonne zu wenig Strom aus erneuerbaren Quellen produziert wird. Dafür werden dann die künftig mit Wasserstoff betriebenen Kraftwerke gebraucht.

Das Thema hat hohe politische Bedeutung. Die Ampelkoalition hat sich zum Ziel gesetzt, ein neues Strommarktmodell zu entwickeln, das den Veränderungen des Stromversorgungssystems Rechnung trägt.

Klarheit soll der von Habeck initiierte Diskussionsprozess „Plattform klimaneutrales Stromsystem“ liefern, der im Februar begann. Beteiligt sind verschiedene Interessenverbände aus den Bereichen Energiewirtschaft, Verbraucherschutz, Industrie und Zivilgesellschaft sowie Politiker und Wissenschaftler. Ziel ist es, bis zum Sommer ein erstes Konzept zu entwickeln, das dann die Basis für politische Entscheidungen bilden soll.

Robert Habeck

Der Bundeswirtschaftsminister hat einen Diskussionsprozess zum künftigen Stromsystem initiiert.

(Foto: via REUTERS)

Verschiedene Modelle sind in der Diskussion. So könnten etwa Anbieter honoriert werden, die Kraftwerkskapazitäten bereithalten. Die Kraftwerksbetreiber würden also mit ihren Anlagen Einnahmen generieren, wenn sie keinen Strom produzieren. Solche Kapazitätsmarktmodelle waren schon vor Jahren diskutiert worden, setzten sich aber in Deutschland nicht durch.

Investoren halten sich bei Gaskraftwerken zurück

Schon Ende des Jahres sollen die Anreize für den Bau neuer Gaskraftwerke ausgestaltet sein. Im Moment halten sich potenzielle Investoren zurück. Sie fürchten, mit den neuen Kraftwerken, die mit steigendem Anteil von Wind- und Sonnenenergie immer seltener zum Einsatz kommen, kein Geld verdienen können.

Haslauer geht allerdings davon aus, dass es für die neuen Gaskraftwerke auch in Zukunft reichlich Verwendung geben wird. „Es ist keineswegs so, dass die Gaskraftwerke nur sehr selten zum Einsatz kommen werden.“ 2040 werde jedes Gaskraftwerk im Durchschnitt auf 1800 Einsatzstunden im Jahr kommen, schätzt er.

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Spezielle Anreize bedarf es nach seiner Einschätzung nicht: „Wir brauchen keinen Kapazitätsmarkt für die Gaskraftwerke. Es wird in Engpass-Situationen erhebliche Preisausschläge geben, die eine Refinanzierung der Kraftwerke möglich machen.“ Die Politik dürfte allerdings nicht der Versuchung erliegen, auf die Preisausschläge mit Eingriffen zu reagieren.

Etwas Unterstützung sollte der Staat nach Meinung Haslauers allerdings dennoch bieten: „Wir empfehlen, dass die Politik den Investoren einen Teil ihres Investitionsrisikos abnimmt, indem sie Investitionszuschüsse je installierter Megawattstunde per Auktion vergibt.“

Den mit dem Systemumbau verbundenen Investitionsbedarf beziffert E.venture auf 750 bis 1.000 Milliarden Euro bis 2040. Der Strompreis wird der Studie zufolge in den nächsten 15 Jahren auf dem zwei- bis dreifachen Niveau der Vorkrisenzeit liegen.

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