Wechselbereitschaft seit Pandemie stark zugenommen
Gemäß einer neuen Umfrage des Beratungsunternehmens Gallup hat die Wechselbereitschaft der Arbeitnehmer seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie erheblich zugenommen. Laut der “Zeit” planen nur noch etwa 55 Prozent der Befragten, in einem Jahr immer noch beim selben Arbeitgeber zu arbeiten. Im Jahr 2019 betrug dieser Anteil noch 75 Prozent. Seit Beginn der Pandemie ist der Wert kontinuierlich gesunken und fiel im Jahr 2020 bereits auf etwa 60 Prozent.
Die Gründe für die hohe Wechselbereitschaft der Arbeitnehmer dürften vielfältig sein. Ein wesentlicher Faktor ist jedoch zweifellos der derzeit äußerst attraktive Arbeitsmarkt. Wie aus einer Gallup-Umfrage hervorgeht, sind rund 80 Prozent der Befragten davon überzeugt, dass dies eine günstige Zeit sei, um sich einen neuen Job zu suchen. Dieser Wert ist der höchste seit mindestens 2009, wie die Zeit unter Berufung auf Gallup berichtet. In vielen Branchen herrscht derzeit ein Mangel an Arbeitskräften, wodurch Unternehmen verzweifelt auf der Suche nach neuen Mitarbeitern sind. Die Abgänge der Babyboomer-Generation aus dem Arbeitsmarkt Mitte des Jahrzehnts werden diesen Personalmangel noch verschärfen. In Zukunft wird die Marktmacht zunehmend bei den Arbeitnehmern liegen.
Ein weiterer Grund für die hohe Wechselbereitschaft bei Arbeitnehmern dürfte die hohe Arbeitsbelastung in sogenannten systemrelevanten Berufen wie in der Pflege und im Gesundheitswesen sein, die aufgrund der Corona-Pandemie noch einmal deutlich zugenommen hat. Die chronische Überlastung dürfte vielen Arbeitnehmern auf Dauer zu schaffen machen und sie zu einem Berufswechsel motivieren. Ein weiterer Faktor könnte die fehlende gesellschaftliche Wertschätzung sein. Obwohl im Zuge der Corona-Pandemie die Bürger auf Balkonen geklatscht haben, um ihre Wertschätzung zu zeigen, haben sich die Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer kaum verbessert.
Rekordwert an Kündigungen in den USA
Das Phänomen der hohen Wechselbereitschaft, das nun auch in Deutschland zu beobachten ist, wurde bereits seit längerem in den USA beobachtet. Die dort deutlich flexibleren Arbeitsmärkte könnten ein Grund dafür sein, warum die Entwicklung jenseits des Atlantiks bereits deutlich früher eingesetzt hat. In der Wissenschaft und in den Medien wird dieses Phänomen als “Great Resignation” bezeichnet. Es beschreibt die Rekordzahl an Arbeitnehmern, die ihren Job freiwillig aufgeben, um sich etwas Neues zu suchen oder ganz aus dem Arbeitsmarkt auszuscheiden. Besonders in prekären Arbeitsverhältnissen sind Massenkündigungen seitens der Arbeitnehmer verstärkt zu beobachten. Die Corona-Pandemie könnte den Arbeitnehmern den Mut gegeben haben, ihren Job zu wechseln oder sich selbstständig zu machen.
Die Pandemie hat zu einer paradoxen Situation geführt, in der trotz der Befürchtungen vor hoher Arbeitslosigkeit ein sehr angespannter Arbeitsmarkt mit zahlreichen offenen Stellen und einem Rekordwert an Beschäftigung entstanden ist. Im November 2021 haben laut dem Bureau of Labor Statistics (BLS) drei Prozent der US-amerikanischen Arbeitskräfte ihren Job gekündigt, was einem Rekordwert von 4,5 Millionen Arbeitnehmern entspricht. Die Hauptgründe dafür waren laut einer Studie des Pew Research Centers ein zu geringer Lohn, fehlende Aufstiegsmöglichkeiten und mangelnde Wertschätzung am Arbeitsplatz. Für die meisten Arbeitnehmer lohnt sich daher ein Arbeitsplatzwechsel. Das Institut zeigt, dass diejenigen, die gekündigt haben und nun woanders beschäftigt sind, mit größerer Wahrscheinlichkeit angeben, dass ihr neuer Arbeitsplatz besser bezahlt wird, mehr Aufstiegsmöglichkeiten bietet und eine bessere Work-Life-Balance und Flexibilität ermöglicht. Die Kündigungswelle in den USA ist noch nicht vorbei, im Oktober 2022 haben etwa 4 Millionen US-Amerikaner ihren Job gekündigt, was einem Anteil von 2,6 Prozent der gesamten amerikanischen Arbeitnehmer entspricht. Besonders betroffen sind die Gastronomie- und Freizeitbranche. Die bundesweite Arbeitslosigkeit liegt unterdessen auf einem sehr niedrigen Stand von unter vier Prozent und die Löhne steigen weiter.
Kommt die “Great Resignation” auch nach Deutschland?
Es bleibt jedoch abzuwarten, inwieweit das Phänomen der “Great Resignation” auch nach Deutschland schwappt und ob sich die hohe Wechselbereitschaft in Taten umsetzen wird. Auch wenn die Arbeitsbedingungen und Löhne in Deutschland im Allgemeinen besser sind als in den USA, gibt es dennoch zahlreiche Branchen, die mit Personalmangel und Überbelastung kämpfen. Zudem hat die Corona-Pandemie auch in Deutschland gezeigt, dass Arbeitnehmer vermehrt nach Flexibilität und Work-Life-Balance suchen. Wie sich der Arbeitsmarkt in den kommenden Monaten und Jahren entwickeln wird, bleibt spannend.
Redaktion finanzen.net
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