Singapur/Frankfurt (Reuters) – Die Kryptobörse FTX ist pleite. Das US-Unternehmen meldete am Freitag im US-Bundesstaat Delaware Gläubigerschutz an, wie FTX in einem Tweet mitteilte.
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Firmenchef Sam Bankman-Fried trat zurück, erklärte aber, er wolle noch die ordentliche Übergabe an den neuen Chef John J. Ray III. begleiten. Der 30-jährige Ex-Wall-Street-Händler hatte bis zuletzt händeringend nach frischem Kapital gesucht, um den erst vor dreieinhalb Jahren gegründeten Handelsplatz für Kryptowährungen zu retten. Auch das mit FTX verbundene Krypto-Brokerhaus Alameda Research und rund 130 weitere Firmen flüchteten sich unter den Gläubigerschutz nach Kapital 11 der US-Insolvenzordnung. Alameda galt als Auslöser für die Turbulenzen bei einer der weltweit größten Kryptobörsen.
Mehrere Staaten hatte Vermögenswerte von FTX eingefroren, um die Folgen eines Zusammenbruchs der Börse für die Branche zu begrenzen. Rivalen von FTX rangen darum, von den Turbulenzen nicht mit in die Abgrund gerissen zu werden. Ein Insider hatte gesagt, Bankman-Fried verhandele mit Konkurrenten und Investoren über eine Finanzspritze im Volumen von 9,4 Milliarden Dollar, unter anderem mit der Kryptobörse OKX und dem Wagniskapital-Geber Sequoia.
Experten hatten die Chancen auf Rettung dennoch als gering bezeichnet. “Sie liegen bestenfalls bei 20 bis 30 Prozent”, sagte Matthew Dibb, für das Tagesgeschäft zuständiger Chef des auf Kryptowerte spezialisierten Vermögensverwalters Stack Funds. Die US-Börsenaufsichtsbehörden SEC und CFTC nahmen einem Insider zufolge Ermittlungen gegen FTX auf. Die deutsche Finanzaufsicht BaFin erklärte, sie beobachte auch den Krypto-Markt genau. FTX unterliege aber nicht ihrer Aufsicht. “Generell sind deutsche Anlegerinnen und Anleger bei der Nutzung von unregulierten Offshore-Plattformen durch deutsche Regulierung und Aufsicht nicht geschützt”, betonte ein Sprecher. Die Behörde weise aber regelmäßig Verbraucher darauf hin, dass Anlegen in Kryptowerte riskant seien.
FTX war in den vergangenen Tagen in Schieflage geraten, weil Kunden massenhaft Gelder abzogen. Branchenprimus Binance wollte FTX daraufhin übernehmen, machte im letzten Moment aber einen Rückzieher. Dies schüre Ängste, dass bei anderen Firmen ähnliche Schwachstellen zutage träten wie bei FTX, sagte Marktanalyst Craig Erlam vom Brokerhaus Oanda.
Der Kryptowährungsmarkt geriet dadurch in Turbulenzen. Die älteste und wichtigste Cyber-Devise Bitcoin und die Nummer zwei Ethereum verloren seit Wochenbeginn jeweils rund 20 Prozent an Wert. Bitcoin fiel dabei zeitweise auf ein Zwei-Jahres-Tief von 15.566 Dollar. Allein am Freitag verlor Bitcoin 5,3 Prozent. Der FTX-Token, eine Art digitaler Anteilsschein, büßte am Freitag 34 Prozent an, auf Wochensicht liegt das Minus bei 89 Prozent. “Das Vertrauen war vom ersten Tag dieser Affäre weg”, sagte Kami Zeng, Chef-Analyst des auf Kryptowährungen spezialisierten Vermögensverwalters Fore Elite. “Es ist nicht abzusehen, dass es zurückkommt.”
BEHÖRDEN ERMITTELN – MEHR REGULIERUNG GEFORDERT
Schon vor dem Insolvenzantrag wurden in den USA Forderungen nach einer strengeren Regulierung des Sektors lauter. “Börsen sollten keine derartigen Risiken bergen”, kritisierte Neil Wilson, Chef-Analyst des Online-Brokers Markets.com. “Aber da draußen ist der Wilde Westen, und Imperien sind dort auf Sand gebaut.” Die zyprische Börsenaufsicht hatte den europäischen Ableger von FTX aufgeordert, den Betrieb einzustellen. Außerdem froren die Behörden der Bahamas einige Aktiva einer FTX-Tochter ein. “Von den USA über Japan bis zu den Bahamas haben Regulierer bereits eingegriffen”, sagte Experte Zeng. “Da kommt noch mehr.”
Die Kryptobank BlockFi, die im Sommer von FTX übernommen werden sollte, stoppte vorerst sämtliche Abhebungen von Kundengeldern. Beim Brokerhaus Genesis stehen nach eigenen Angaben 175 Millionen Dollar im Feuer, die in Handelsgeschäften an der FTX stecken. In Japan schrieb der Technologie-Investor Softbank seine Beteiligung an der Kryptobörse komplett ab. Einem Insider zufolge lag der Betrag bei weniger als 100 Millionen Dollar.
(Bericht von Hakan Ersen, Angus Berwick, Anirban Sen, Selena Li und Vidya Ranganathan; Mitarbeit: Marta Orosz; Geschrieben von Alexander Hübner; redigiert von Hans Seidenstücker. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)
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